Zufluss der Gegenleistung in Form eines Grundstücks bei Einnahmenüberschussrechnung

Bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung fließt eine Gegenleistung in Form eines Grundstücks mit dem Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Grundstück, d.h. mit der Erlangung des zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums am Grundstück zu.

Auf Grund der Verlustausschlussklausel in § 55 Abs. 6 EStG darf ein Verlust bei einer gestreckten Veräußerung von Grund und Boden unabhängig vom Zufluss der einzelnen Veräußerungserlöse nur insoweit nicht berücksichtigt werden, als die gesamte vereinbarte Gegenleistung die auszubuchenden fiktiven Anschaffungskosten übersteigt. Evtl. nachträgliche Änderungen der Gegenleistung sind ggf. als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu werten.

BFH Urteil vom 17.11.2011 – IV R 2/09 BFHNV 2012 Seite 1309

Begründung:

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Barleistung in Höhe von 50.000 DM im Wirtschaftsjahr 1997/98 als Betriebseinnahme zu erfassen ist und anteilige Anschaffungskosten des Kiesgrundstücks in diesem Wirtschaftsjahr nicht als Betriebsausgaben abzuziehen sind. Ebenfalls zutreffend hat das FG angenommen, dass der Änderung des Einkommensteuerbescheids 1998 die Festsetzungsverjährung nicht entgegenstand . Die Feststellungen des FG lassen indes eine Beurteilung der Frage, ob der geänderte Einkommensteuerbescheid 1997 innerhalb der Festsetzungsfrist erlassen worden ist, nicht zu.

Der Kläger hat im Wirtschaftsjahr 1997/98 eine Betriebseinnahme in Höhe von 50.000 DM erzielt. Der im eigenen Grundstück befindliche Bodenschatz stellt im Streitfall Privatvermögen dar, da er nicht für Zwecke der Land- und Forstwirtschaft gewonnen und verwertet wurde. Die Gegenleistung ist daher nur insoweit bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassen, als sie auf den zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörenden Grund und Boden entfällt. Die Aufteilung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Der Kläger hat seinen Gewinn in den Streitjahren durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Daher gilt das Zuflussprinzip (§ 11 Abs. 1 EStG). Eine Einnahme fließt dem Steuerpflichtigen i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zu, wenn er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Dies ist dann der Fall, wenn er zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des Wirtschaftsguts i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) wird.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG in der Fassung vor dem StEindämmG sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Veräußerung ist die Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) an einem Wirtschaftsgut. Auf die Vereinnahmung der Gegenleistung kommt es nicht an.

Im Streitfall sollten nach dem notariell beurkundeten Tauschvertrag vom 22. September 1982 Nutzungen, Lasten und Gefahr des Kiesgrundstücks zum 1. Januar 1983 auf den Erwerber übergehen. Weil die Veräußerung damit zum 1. Januar 1983 stattgefunden hat, waren die Anschaffungskosten des Kiesgrundstücks bereits insgesamt im Wirtschaftsjahr 1982/83 abzuziehen.

Gemäß der Neufassung des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sowie für bestimmte Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme erst im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgabe zu berücksichtigen. Abgesehen von der erstmaligen Regelung für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens wird damit auch für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wie insbesondere Grundstücke der Abzug der Anschaffungskosten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben (Zufluss des Veräußerungserlöses statt Veräußerung des Grundstücks).

Nach der Anwendungsregel des § 52 Abs. 10 Satz 3 EStG sind die Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die vor dem 5. Mai 2006 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden, erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Die Regelung enthält indes keine Aussage dazu, ob sich die Neufassung des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG auch auf Wirtschaftsgüter erstreckt, die bereits vor dem 5. Mai 2006 veräußert worden sind.

Mit dem FG ist der Senat der Auffassung, dass die vom Wortlaut her offene Neuregelung nach ihrem Sinn und Zweck und unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien nur für Wirtschaftsgüter gilt, die nach dem 5. Mai 2006 veräußert worden sind. Bereits aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses vom 15. März 2006 (BTDrucks 16/975, S. 12) ergibt sich, dass die Neuregelung nur für Veräußerungen nach dem Stichtag gelten soll. Danach war die Ergänzung des Absatzes 10 um einen weiteren Satz erforderlich, weil die Änderung (gemeint ist § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG) auch für Wirtschaftsgüter gelten soll (nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens), für die bereits nach der bisherigen gesetzlichen Regelung die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung als Betriebsausgabe abziehbar waren und die nach der Neuregelung des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG veräußert oder entnommen werden. Der Gesetzgeber hat damit ersichtlich die Neuregelung nur auf künftige und nicht bereits getätigte Veräußerungs- bzw. Entnahmevorgänge erstrecken wollen. Nur diese Auslegung vermeidet, dass die Anschaffungskosten für das Grundstück doppelt berücksichtigt werden. Das wäre aber der Fall, wenn die Anschaffungskosten nach der alten Rechtslage schon im Zeitpunkt der Veräußerung und nach der neuen Rechtslage beim Zufluss des Veräußerungserlöses abgezogen werden könnten.

Nach dieser Vorschrift dürfen Verluste, die bei der Veräußerung oder Entnahme von Grund und Boden im Sinne des Absatzes 1 entstehen, bei der Ermittlung des Gewinns in Höhe des Betrags nicht berücksichtigt werden, um den der ausschließlich auf den Grund und Boden entfallende Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten unter dem Zweifachen des Ausgangsbetrags (fiktive Anschaffungskosten) liegt.

Auch wenn bei einem zeitlich gestreckten Veräußerungsgeschäft Leistung und Gegenleistung (bzw. Teile hiervon) in verschiedenen Besteuerungszeiträumen zu berücksichtigen sind, ist das Rechtsgeschäft bei der Ermittlung des nichtabzugsfähigen Verlusts i.S. des § 55 Abs. 6 Satz 1 EStG von Anfang an einheitlich zu beurteilen (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 55 EStG Rz 115). Es dürfen weder die Veräußerung des Grundstücks in dem einen Besteuerungszeitraum noch der Zufluss des Veräußerungserlöses (bzw. Teile hiervon) in dem anderen Besteuerungszeitraum isoliert betrachtet werden. Die Verlustausschlussklausel greift nur insoweit, als bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung die fiktiven Anschaffungskosten nach § 55 Abs. 1 EStG die gesamte vereinbarte Gegenleistung übersteigen. Nur in Höhe dieses Differenzbetrags liegt ein Verlust i.S. des § 55 Abs. 6 EStG vor, der in dem Jahr, in dem nach der jeweils gültigen Gesetzeslage der Buchwert des Grundstücks auf Grund des Veräußerungsvorgangs gewinnwirksam auszubuchen ist, nicht zu berücksichtigen ist. Ändert sich nachträglich die Gegenleistung, ist dies ggf. als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu werten

Entgegen der Auffassung des Klägers entspricht das FG-Urteil dieser Vorgabe. Die Vorentscheidung stellt zutreffend heraus, dass bei der Ermittlung des nichtabzugsfähigen Verlusts im Jahr 1982/83 als Gegenleistung nicht nur das in diesem Jahr übertragene Grundstück, sondern auch die weitere Gegenleistung in Gestalt des hofnahen Grundstücks bzw. des Ersatzgrundstücks einzubeziehen war. Bei zutreffender rechtlicher Beurteilung waren die fiktiven Anschaffungskosten des Kiesgrundstücks daher gemäß § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. bereits im Wirtschaftsjahr 1982/83 bis zur Höhe der vereinbarten Gesamtgegenleistung gewinnwirksam zu berücksichtigen. Bei dieser Auslegung des § 55 Abs. 6 Satz 1 EStG ist der vom Kläger gerügte Verstoß gegen den Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit von Betriebsvermögensvergleich und Einnahmenüberschussrechnung nicht zu erkennen. Dass das Rechtsgeschäft insgesamt zu einem Verlust geführt hat, macht der Kläger im Übrigen auch nicht geltend.

Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird. Die Festsetzungsfrist für Steuern beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Bei Steuerhinterziehung verlängert sie sich auf zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung auf fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).