Rechtmäßigkeit von Auskunftsersuchen

Das FA ist bereits dann zu einem Auskunftsersuchen berechtigt, wenn es mit vertretbaren rechtlichen Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Sachverhalt steuerliche Auswirkungen haben kann. Ob seine materiell-rechtliche Auffassung zutreffend ist, ist ggf. in einem anschließenden Rechtsbehelfsverfahren gegen die Steuerbescheide zu entscheiden.

Die ordnungsgemäße Konkretisierung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 FGO erfordert grundsätzlich, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; nicht ausreichend ist hingegen grundsätzlich eine Rechtsfrage, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt und damit auf die Antwort "Kann sein" hinausläuft.

BFH Beschluss vom 29.02.2012 I B 88/11 BFHNV 2012 Seite 1089

Begründung:

Die Klägerin hat nicht in der gebotenen Weise dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hat, indem sie die Frage aufgeworfen hat, ob der Bezieher von Dividendenkompensationszahlungen die Anrechnung bzw. Erstattung der anteiligen Kapitalertragsteuer geltend machen kann, die vom Emittenten der Aktien anlässlich der Dividendenzahlungen einbehalten wurde, auch wenn die Aktien im Wege des Leerverkaufs über ein ausländisches Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut erworben wurden.

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Hierfür muss der Beschwerdeführer zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, die im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig ist.  

Diese Anforderungen hat die Klägerin mit ihrer Begründung nicht erfüllt, denn sie hat darin nicht schlüssig dargelegt, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von der gestellten Rechtsfrage abhängt. Streitig ist zwischen den Beteiligten nicht, wie es die gestellte Rechtsfrage nahelegt, ob es rechtmäßig war, die Anrechnung von Kapitalertragsteuer zu verweigern; im Streit ist vielmehr die Rechtmäßigkeit von drei Auskunftsersuchen und eines Schreibens an das BZSt, in dem um ein Auskunftsersuchen an die britische Finanzverwaltung gebeten wird.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hängt die Rechtmäßigkeit dieser Ersuchen nicht von der gestellten materiell-rechtlichen Frage ab, obwohl deren Beantwortung für die streitentscheidende Voraussetzung der steuerlichen Erheblichkeit der begehrten Auskünfte (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO) von einer gewissen Bedeutung ist (vgl. z.B. Roser in Beermann/ Gosch, AO § 93 Rz 26). Steuerlich erheblich ist eine Auskunft jedoch bereits dann, wenn im Zeitpunkt des Auskunftsersuchens noch nicht feststeht, dass tatsächlich und rechtlich die Voraussetzungen des Steuertatbestandes vorliegen. Ausreichend ist, dass eine steuerliche Bedeutung nach dem Gesetz und der dazu vorliegenden Rechtsprechung ernstlich in Betracht kommt. Es kann der Finanzverwaltung nicht verwehrt sein, einen Sachverhalt näher zu untersuchen, wenn sie mit vertretbaren rechtlichen Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Sachverhalt steuerliche Auswirkungen haben kann. Ob ihre materiell-rechtliche Auffassung zutreffend ist, ist ggf. in einem anschließenden Rechtsbehelfsverfahren gegen die Steuerbescheide zu entscheiden. Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig.

Im Streitfall hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, dass klar und eindeutig eine Steuererheblichkeit der begehrten Auskünfte ausscheidet, weil das FA aufgrund unvertretbarer rechtlicher Erwägungen von einer steuerlichen Bedeutsamkeit des zu erforschenden Sachverhalts ausgegangen ist. Ganz im Gegenteil trägt die Klägerin selbst vor, dass eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der von ihr gestellten Rechtsfrage nicht existiert und die vorhandenen Stimmen in der Literatur die gestellte Rechtsfrage verneinen und daher mit dem FA zu einer steuerlichen Erheblichkeit der begehrten Auskünfte kommen müssten. Dass und warum gleichwohl ausnahmsweise eine Steuererheblichkeit zu verneinen sein sollte, wird anhand der Begründung der Klägerin nicht ersichtlich.