Steuerliche Nichtanerkennung eines nicht vertragsgemäß durchgeführten Mietverhältnisses zwischen “nahen Angehörigen”

Ein nicht vertragsgemäß durchgeführten Mietverhältnisses zwischen "nahen Angehörigen" wird steuerlich nicht anerkannt.

BFH Urteil vom 22.1.2013, IX R 70/10

Begründung:

 Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Die Berücksichtigung von Aufwand als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt danach voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht aufgegeben hat.

Auf das Mietverhältnis der Klägerin mit der A-GmbH sind die Grundsätze zur steuerrechtlichen Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahestehenden Personen anzuwenden; diese sind u.a. davon abhängig, dass der maßgebliche Vertrag bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden ist und sowohl seine Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Diese Anforderungen gründen auf der Überlegung, dass es zwischen diesen Personen typischerweise an einem Interessengegensatz mangelt und somit zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden können. Im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahe stehenden Personen strenge Anforderungen zu stellen.

Was unter "nahe stehenden Personen" zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht definiert. Im Rahmen der Prüfung, ob ein Mietverhältnis dem steuerlich bedeutsamen (§ 9 Abs. 1 EStG) oder dem privaten Bereich (§ 12 EStG) zuzuordnen ist, ist maßgeblich zu berücksichtigen, ob ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis angenommen werden.

Im Streitfall besteht ein solches Näheverhältnis zwischen der Klägerin und der von den Eltern ihres Lebensgefährten beherrschten GmbH aufgrund der persönlichen Lebensbeziehungen der beteiligten Personen, und zwar unbeschadet der Frage, ob die Klägerin, die Mietvereinbarungen ausschließlich in ihrem eigenen Interesse oder auch im Interesse und/oder mit Billigung ihres Lebensgefährten als dem zivilrechtlichen Eigentümer der Immobilie geschlossen hat.

Im Streitfall kann das zwischen der Klägerin und der ihr "nahe stehenden" A-GmbH abgeschlossene Mietverhältnis schon deshalb nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, weil es tatsächlich nicht durchgeführt wurde. Die der Mieterin obliegende Vertragshauptpflicht zur Leistung des Mietzinses wurde von der A-GmbH von Vertragsbeginn an nicht entsprechend den getroffenen Vereinbarungen erfüllt; denn schon die Mietzinszahlung für März 1995 ging verspätet bei der Klägerin ein. Auch alle weiteren Mietzahlungen (für April bis August 1995) wurden nicht entsprechend den getroffenen Vereinbarungen geleistet. Die Klägerin hat die Nichterfüllung dieser Vertragspflichten über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr nicht beanstandet und auch im Übrigen keine rechtlichen Maßnahmen zur Beitreibung offener Forderungen unternommen. Die Nichtdurchführung des Mietvertrages hat seine Ursache nicht, wie die Klägerin meint, in einer bloßen Leistungsstörung auf Seiten der Mieterin, sondern beruht auf dem besonderen Verhältnis der Klägerin zu den Gesellschaftern der A-GmbH. Vor diesem Hintergrund führt die Würdigung des Verhaltens der Klägerin zu dem Schluss, dass die Nichterfüllung der geschuldeten Leistungen und die Untätigkeit der Klägerin nicht im Rahmen eines einkommensteuerlich beachtlichen Verhaltens, sondern ausschließlich aus privaten Gründen (§ 12 EStG) zu verstehen ist. Mangels eines tatsächlichen Vollzugs des Vereinbarten muss der Senat auch nicht entscheiden, ob das Mietverhältnis so, wie es die Klägerin vereinbart hat, dem Fremdvergleich entspricht.