Dass im Vertrag zwischen dem Veräußerer einer Windkraftanlage und dem Lieferanten der Anlage die Übergabe von der Durchführung eines Probebetriebs abhängt, bedeutet nicht, dass dem Käufer der Anlage, der in seinem Vertrag mit dem Veräußerer die Übergabe bereits für die Inbetriebnahme der Anlage vereinbart hat, die Anlage nicht schon vor Abschluss des Probebetriebs steuerlich zuzurechnen sein kann.
BFH Urteil vom 06.02.2014 – IV R 41/10 BFHNV 2014 S. 847f.
Begründung:
Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Hierauf ist nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO im Feststellungsbescheid hinzuweisen.
Nach § 6b Abs. 1 EStG i.d.F. vom 7. September 1990 (EStG 1990), die hier nach § 52 Abs. 18 EStG noch anzuwenden ist, können Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden u.a. auf Anschaffungskosten von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern, von Grund und Boden und von Gebäuden übertragen werden. Soweit eine Übertragung nicht vorgenommen wird, kann nach § 6b Abs. 3 EStG 1990 im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. Bis zur Höhe der Rücklage können, sofern auch die Voraussetzungen des § 6b Abs. 4 EStG 1990 vorliegen, sodann die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von nach § 6b EStG 1990 begünstigten Wirtschaftsgütern, die in den folgenden vier Jahren angeschafft oder hergestellt werden, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung gekürzt werden. In Höhe des Kürzungsbetrags ist die Rücklage aufzulösen. Soweit eine nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG 1990 gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst wird, ohne dass ein entsprechender Betrag nach Abs. 3 abgezogen wird, ist nach § 6b Abs. 7 EStG 1990 der Gewinn des Wirtschaftsjahrs, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen.
Die Übertragung einer § 6b-Rücklage setzt danach u.a. voraus, dass es sich bei dem Wirtschaftsgut, auf das die Rücklage übertragen werden soll, um ein nach § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 begünstigtes Wirtschaftsgut handelt. Dabei ist die Übertragung der Rücklage nicht auf Reinvestitionsgüter beschränkt, die in dem Alleineigentum des Veräußerers stehen und dem Betriebsvermögen des Veräußerungsbetriebs zuzuordnen sind. Die Übertragung konnte nach der in den Streitjahren geltenden Rechtslage auch auf Reinvestitionsgüter erfolgen, die zum Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) einer anderen Personengesellschaft gehören, an der der Veräußerer als Mitunternehmer beteiligt ist, soweit diese Wirtschaftsgüter ihm anteilig zuzurechnen sind. Der Übertragung der im landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger gebildeten § 6b-Rücklage steht danach nicht entgegen, dass sie auf Wirtschaftsgüter übertragen wurde, die zum Gesamthandsvermögen der GbR WKA A gehören, an dem die Kläger wie am Vermögen des Veräußerungsbetriebs zu gleichen Teilen beteiligt sind.
Jede WKA, die in einem Windpark betrieben wird, stellt mit dem dazugehörigen Transformator nebst der verbindenden Verkabelung ein zusammengesetztes Wirtschaftsgut dar. Daneben ist die Verkabelung von den Transformatoren bis zum Stromnetz des Energieversorgers zusammen mit der Übergabestation als weiteres zusammengesetztes Wirtschaftsgut zu behandeln, soweit dadurch mehrere WKA miteinander verbunden werden. Auch die Zuwegung stellt ein eigenständiges Wirtschaftsgut dar.
Bei einer WKA handelt es sich um eine Betriebsvorrichtung und damit i.S. des § 6b EStG um ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut
Die Übertragung der Rücklage auf ein anderes Wirtschaftsgut setzt nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 des Weiteren voraus, dass die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass im Streitfall eine Anschaffung und keine Herstellung vorliegt. Hierüber besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit, so dass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht. Ebenso bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, dass es sich bei der WKA um ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens und nicht um ein solches des Umlaufvermögens handelt.
Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Nur in den in § 39 Abs. 2 AO aufgeführten Fällen findet eine abweichende Zurechnung statt. Danach wird ein Wirtschaftsgut insbesondere dann, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft darüber in der Weise ausübt, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, nicht dem zivilrechtlichen, sondern dem wirtschaftlichen Eigentümer zugerechnet (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO).
Nach § 2 Abs. 5 des zwischen den Klägern und der Firma Z geschlossenen Vertrags hatte sich die Firma Z zur schlüsselfertigen Übergabe der betriebsbereiten und einspeisenden WKA an die Kläger verpflichtet. Nach § 8 Abs. 4 und Abs. 5 des Vertrags sollten ab dem Tag der ersten Inbetriebnahme alle von der WKA verursachten Betriebskosten (wie z.B. die Versicherung) ausschließlich zulasten, und alle von der WKA erwirtschafteten Einnahmen (wie z.B. die Erlöse aus Stromlieferungen) zugunsten der Kläger als Käufer gehen. Nach den Feststellungen des FG haben die Kläger für die WKA bereits zum 25. Juni 1999 eine Maschinen- und Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung abgeschlossen und schon im Juli 1999 Stromgeld bezogen. Weiter hat das FG festgestellt, dass die Firma Z von den Klägern am 11. Juni 1999 die 4. Zahlungsrate angefordert hat, die nach § 5 Abs. 3 (d) des Vertrags vom … Dezember 1998 die Rotormontage an der WKA voraussetzt, und dass die Firma Z die fertige Montage der Anlage zum 16. Juni 1999 bestätigt hatte. Die Kläger und die Firma Z gehen auch übereinstimmend davon aus, dass die Firma Z den Klägern zum 30. Juni 1999 eine schlüsselfertige und einspeisende WKA übergeben hat. Keine Feststellungen hat das FG in Bezug auf die Frage getroffen, welche Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück bestanden, auf dem die WKA errichtet wurde.
Aus den getroffenen Feststellungen hat das FG entnommen, dass die Kläger zum 30. Juni 1999 weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümer der WKA geworden seien. Es hat dies allein damit begründet, dass zwischen der Firma Z und der Firma X vereinbart gewesen sei, dass die Gefahr erst nach einwandfreiem Probebetrieb übergehe, und der Probebetrieb erst nach dem 30. Juni 1999 beendet gewesen sei. Da die Kläger nach dem mit der Firma Z geschlossenen Vertrag in die Rechtsposition der Firma Z eingetreten seien, gelte die Vereinbarung des Probebetriebs auch ihnen gegenüber; abgesehen davon hätten die Kläger nicht mehr Rechte erwerben können, als ihnen ihr Veräußerer, die Firma Z, habe liefern können; da die Firma Z die Anlage jedoch erst nach dem Probebetrieb erhalten habe, habe sie sie auch nicht vor diesem Zeitpunkt schon an die Kläger liefern können.
Diese Entscheidung hält der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Einerseits lässt sich dem angegriffenen Urteil des FG nicht entnehmen, aufgrund welcher Feststellungen es zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Kläger zum 30. Juni 1999 (auch) noch kein zivilrechtliches Eigentum an der WKA erworben haben (dazu unten (a)). Andererseits ist die Annahme des FG, dass der zwischen der Firma Z und der Firma X vereinbarte Probebetrieb auch den Klägern gegenüber gelte, nicht frei von Rechtsirrtum.
Die Erlangung wirtschaftlichen Eigentums ist nach der Rechtsprechung des BFH dann an den Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache gebunden, wenn der Verkäufer eine technische Anlage zu übereignen hat, die vom Erwerber erst nach erfolgreichem Abschluss eines Probebetriebs abgenommen werden soll. Das gilt auch dann, wenn die Abnahme einer “betriebsfähig” zu liefernden WKA an den erfolgreichen Abschluss des Probebetriebs gebunden ist.
Ein solcher Probebetrieb war im Streitfall aber lediglich zwischen der Firma Z und der Firma X, nicht hingegen zwischen den Klägern und der Firma Z vereinbart. An die insoweit abweichende Auslegung des Vertrags zwischen den Klägern und der Firma Z durch das FG ist der Senat nicht gebunden, da diese Vertragsauslegung nicht nachvollziehbar ist. Insoweit geht das FG davon aus, dass der zwischen der Firma Z und der Firma X vereinbarte Probebetrieb auch gegenüber den Klägern gelte, da diese mit dem Kaufvertrag vom … Dezember 1998 in die Rechtsposition des Verkäufers, d.h. der Firma Z, eingetreten seien. Nach § 2 Abs. 1 dieses Vertrags treten die Kläger jedoch (nur) “in der Einzelrechtsnachfolge in die jeweiligen Rechtspositionen des Verkäufers, wie sie ihm gemäß § 1, Punkt 3) (a) bis (f) an der Planungskonzeption zusteht, ein”. Ein Kaufvertrag mit der Firma X über die Lieferung und Montage einer WKA ist in § 1 Abs. 3 (a) bis (f) jedoch nicht erwähnt. Zudem ist auch nicht nachvollziehbar, wie der Firma Z bereits Rechte und Pflichten aus einem Vertrag “zustehen” sollen, der erst später –hier am … Februar 1999– abgeschlossen wird. Bei dieser Sachlage konnte das FG nicht davon ausgehen, dass die Kläger zum 30. Juni 1999 schon deshalb kein wirtschaftliches Eigentum an der WKA erworben hätten, weil auch in ihrem Vertrag mit der Firma Z der Übergang der Gefahr von der erfolgreichen Durchführung eines Probebetriebs abhängig gewesen sei.
Durch die Aufhebung und Zurückverweisung erhält das FG die Gelegenheit, die insoweit fehlenden Feststellungen zu der Frage, ob die Kläger zum 30. Juni 1999 bereits zivilrechtliches Eigentum an der WKA erworben haben, nachzuholen.
Insoweit wird das FG u.a. zu prüfen haben, ob die WKA nach § 94 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens war, auf dem sie nach den Feststellungen des FG vor dem 30. Juni 1999 schon fertig montiert war, und ob die Kläger zum 30. Juni 1999 bereits Eigentümer des Grund und Bodens waren. Zwar handelt es sich bei der WKA und dem Grund und Boden, auf dem sie montiert ist, steuerrechtlich um unterschiedliche Wirtschaftsgüter mit der Folge, dass die WKA auch bei Annahme eines wesentlichen Grundstücksbestandteils steuerrechtlich einem anderen als dem Grundstückseigentümer zugerechnet werden kann. Sollten die Kläger jedoch vor dem 30. Juni 1999 schon zivilrechtliche Eigentümer des Grund und Bodens gewesen sein und es sich bei der WKA um einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks handeln, so ist nicht ersichtlich, weshalb einem anderen als den Klägern die WKA steuerrechtlich zugerechnet werden müsste.
Sollte es sich bei der WKA um einen Scheinbestandteil i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln, so ist zu prüfen, ob die Kläger durch die Lieferung und Montage der Anlage vor dem 30. Juni 1999 gutgläubiges Eigentum an der WKA erworben haben. Auch für den Fall des gutgläubigen Erwerbs wäre nicht ersichtlich, weshalb einem anderen als den Klägern die WKA steuerrechtlich zugerechnet werden müsste.
Bei seiner Entscheidung wird das FG auch zu berücksichtigen haben, dass die Firma X in ihren Lieferbedingungen in Nr. … ausdrücklich auch Regelungen für den Fall vorsieht, dass ihre Kunden die erworbenen Anlagen weiterveräußern. Zudem muss das FG prüfen, ob die Kläger die § 6b-Rücklage nur auf die Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts WKA übertragen wollten oder auch auf die Anschaffungskosten der –insoweit eigenständigen und damit auch hinsichtlich ihrer Zurechnung eigenständig zu beurteilenden– Wirtschaftsgüter Zuwegung und Verkabelung. Durch die Aufhebung und Zurückverweisung erhält das FG auch insoweit Gelegenheit, die fehlenden Feststellungen nachzuholen.