Erlässt das Finanzamt vor Ablauf der Einspruchsfrist eine (Teil)Einspruchsentscheidung, ist ein nochmaliger Einspruch gegen die Steuerfestsetzung nicht statthaft, auch wenn er innerhalb der noch währenden Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 AO) eingelegt worden ist.
BFH Urteil vom 18.9.2014, VI R 80/13
Begründung:
Gemäß § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten der Einspruch statthaft. Soweit das Einspruchsverfahren durch eine wirksame Einspruchsentscheidung abgeschlossen wird, können Verwaltungsakte jedoch nur noch mit der Klage angefochten werden (§§ 40 ff. FGO); ein erneuter Einspruch gegen die Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig.
Ist das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren –wie vorliegend– durch eine (wirksame) Rechtsbehelfsentscheidung abgeschlossen worden, liegen zwei Verwaltungsakte vor, der ursprüngliche Verwaltungsakt (hier: der Einkommensteuerbescheid vom 4. Juni 2012) und die (Teil)Einspruchsentscheidung .
Die Einspruchsentscheidung ist ein selbständiger Verwaltungsakt. Die Finanzbehörde entscheidet über den Fortbestand und Inhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes. Verwirft sie nicht lediglich den Einspruch als unzulässig (§ 358 AO), enthält die Einspruchsentscheidung eine materiell-rechtliche Regelung, weil sie den Regelungsinhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes –vorliegend die Steuerfestsetzung für das Jahr 2011– umgestaltet oder –wie im Streitfall dem Grunde und der Höhe nach– bestätigt
Nach Maßgabe dieser Grundsätze stand der Statthaftigkeit des (erneuten) Einspruchs vom 6. Juli 2012 im Streitfall die auf den (ersten) Einspruch vom 4. Juni 2012 hin ergangene Teileinspruchsentscheidung vom 21. Juni 2012 entgegen. Diese Teileinspruchsentscheidung ist wirksam ergangen. Es ist nicht ersichtlich, dass sie an einem schweren offenkundigen Mangel gemäß § 125 AO leidet. Allein der Umstand, dass sie vor Ablauf der Einspruchsfrist ergangen ist, vermag einen solchen Fehler nicht zu begründen. Denn selbst wenn das FA verpflichtet sein sollte, eine Einspruchsentscheidung erst nach Ablauf der Einspruchsfrist zu erlassen –was der Senat hier offen lassen kann–, führte ein Verstoß dagegen nur zur Rechtswidrigkeit der Einspruchsentscheidung, die der Steuerpflichtige im Rahmen eines hiergegen gerichteten Klageverfahrens geltend machen müsste. Damit ist das Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres, das mit dem Einspruch vom 4. Juni 2012 in Gang gesetzt wurde, abgeschlossen worden und der erneute Einspruch gegen die nämliche Steuerfestsetzung ausgeschlossen.