Bilanzierung einer Forderung

Rechtskräftige Urteile, die dem Gläubiger eine bis dahin bestrittene Forderung zusprechen, können auf deren Aktivierung nach den Grundsätzen des Vorsichtsprinzips nicht werterhellend, sondern nur wertbegründend einwirken nicht berührt, da es insoweit nicht um die Berücksichtigung ungeklärter bilanzrechtlicher Fragen, sondern um Grundsätze des Vorsichtsprinzips geht, deren inhaltliche (bilanzrechtliche) Anforderungen geklärt waren und sind.

BFH Urteil vom 26.02.2014 IR 12/14 BFHNV 2014 S. 1544

Begründung:

Zwar ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B-GmbH durch Beschluss vom … November 2012 nach vollzogener Schlussverteilung aufgehoben worden. Ein Insolvenzverwalter kann aber, wenn es um einen sog. Aktivprozess geht, einen Rechtsstreit mit Blick auf eine mögliche Nachtragsverteilung (§ 203 Abs. 1 der Insolvenzordnung –InsO–) für die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöste GmbH auch nach einer Schlussverteilung (§ 196 InsO) und der sich daran anschließenden Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 Abs. 1 InsO) fortführen (

Im Streitfall liegt ein sog. Aktivprozess vor. Die aus den Steuerbescheiden (Verfahren I R 59/12) folgenden Steuerschulden sind bezahlt worden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Zahlungen durch die D-GmbH erfolgten. Die Zahlungen sind für Rechnung der Gemeinschuldnerin (B-GmbH) beim FA eingegangen und hatten das Erlöschen des entsprechenden Steueranspruchs zur Folge (§ 47 Alternative 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 AO). Ein etwaiger Erstattungsanspruch steht dann nicht dem Leistenden, sondern dem Steuerpflichtigen zu

Die Bilanz der B-GmbH zum 31. Dezember 2004 ist in Bezug auf die Forderung gegen die D-GmbH (Teilwertabschreibung um 44.187.069 EUR) nicht fehlerhaft. Denn die (Wieder-)Einbuchung einer Forderung der B-GmbH gegen die D-GmbH zum 31. Dezember 2006 war erfolgswirksam und nicht als ergebnisneutrale Berichtigung eines früheren Bilanzierungsfehlers in der ersten noch offenen Schlussbilanz zu berücksichtigen.

Nach § 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 hatte die B-GmbH in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen war. Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich u.a. aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs “Vorschriften für alle Kaufleute” der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB). Hierzu gehört nicht nur der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs, nach dem alle Positionen der Anfangsbilanz eines Geschäftsjahres mit denjenigen zum Ende des vorangegangenen Jahres übereinstimmen müssen (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB), sondern auch das mit dem Vorsichtsprinzip verbundene Realisationsprinzip, demzufolge nur hinreichend sichere Ansprüche in der Bilanz ausgewiesen werden dürfen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB).

Entgegen dem Vortrag der Revision war es ausgeschlossen, das zusprechende Urteil des Berufungsgerichts vom 18. Juli 2006 (Erstattungsanspruch gegen die D-GmbH) bereits im Jahresabschluss der B-GmbH zum 31. Dezember 2004 zu berücksichtigen; es war vielmehr in Überstimmung mit der Ansicht des FG in der Bilanz zum 31. Dezember 2006 zu erfassen. Damit liegt ein Bilanzierungsfehler (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 2002) als Grundlage für einen erfolgsneutralen Ausgleich in 2006 nicht vor.

Nach dem auch steuerrechtlich zu beachtenden Vorsichtsprinzip des Handelsbilanzrechts (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG 2002 und § 8 Abs. 1 KStG 2002) dürfen Forderungen, die in vollem Umfang bestritten werden, erst dann aktiviert und als realisierte Erträge erfasst werden, wenn (und soweit) sie entweder rechtskräftig festgestellt oder vom Schuldner anerkannt worden. Dabei können nach ständiger BFH-Rechtsprechung rechtskräftige Urteile, die dem Gläubiger eine bis dahin bestrittene Forderung zusprechen, auf deren Aktivierung nach den Grundsätzen des Vorsichtsprinzips nicht werterhellend, sondern nur wertbegründend einwirken.

Diese Grundsätze werden –wie der Senat schon in seinem Urteil in BFH/NV 2012, 991 (zu der im Entscheidungszeitpunkt noch anhängigen Vorlagefrage) ausgeführt hat– durch den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 31. Januar 2013 GrS 1/10 (BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317) nicht berührt, und zwar unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob diesem Beschluss auch Aussagen zu Tatsachenfeststellungen entnommen werden können. Denn es geht insoweit nicht um die Berücksichtigung ungeklärter bilanzrechtlicher Fragen, sondern um Grundsätze des Vorsichtsprinzips, deren inhaltliche (bilanzrechtliche) Anforderungen geklärt waren und sind. Demgemäß konnte aus Sicht der Geschäftsführung der B-GmbH auch kein Zweifel darüber bestehen, dass am Bilanzstichtag 31. Dezember 2004 (bzw. nach Maßgabe des Kenntnisstands an dem Zeitpunkt, an dem die B-GmbH die Bilanz spätestens hätte erstellen müssen, s. BFH-Urteil vom 3. Juli 1991 X R 163-164/87, BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802; s.a. Senatsurteil vom 23. Januar 2008 I R 40/07, BFHE 220, 361, BStBl II 2008, 669) nur ein hinreichend sicherer Anspruch aktiviert werden durfte, wovon allerdings im Hinblick auf das den Anspruch abweisende LG-Urteil keine Rede sein konnte. Insoweit war vielmehr, was auch das FG entschieden hat, zum 31. Dezember 2004 nur der Ansatz eines Erinnerungspostens zulässig.