Arbeitneher können Aufwendungen für eine Abschiedsfeier anlässlich eines Arbeitgeberwechsels als Werbungskosten geltend machen.
FG Münster 29.05.2015, 4 K 3236/12 E
Begründung:
Bei den der Höhe nach unstreitigen Kosten handelt es sich um Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierunter fallen Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 27.11.1978, GrS 8/77, BStBl II 1979, 213 und vom 28.11.1977, GrS 2-3/77, BStBl II 1978, 105; BFH-Urteil vom 28.11.1980, VI R 193/77, BStBl II 1981, 368).
Für die Annahme des damit geforderten Veranlassungszusammenhangs ist erforderlich, dass die Aufwendungen objektiv mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit tatsächlich zusammenhängen und subjektiv zur Förderung dieser Tätigkeit gemacht werden. Das subjektive Element ist kein zwingendes Merkmal des Werbungskostenbegriffs, wohingegen der objektive Zusammenhang stets vorliegen muss (BFH-Urteil vom 11.1.2007 VI R 52/03, BStBl II 2007, 317 m.w.N.). Gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG liegen keine Werbungskosten vor bei Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Ob dies der Fall ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls umfassend zu würdigen.
Im Bereich der Aufwendungen für die Ausrichtung von Veranstaltungen ist in ersterLinie auf den Anlass der Feier abzustellen (BFH-Urteile vom 1.2.2007 VI R 25/03, BStBl II 2007, 459 und vom 11.1.2007 VI R 52/03, BStBl II 2007, 317; BFH-Beschlüsse vom 26.1.2010 VI B 95/09, BFH/NV 2010, 875 und vom 24.9.2013 VI R 35/11, BFH/NV 2014, 500). Während Geburtstage oder Dienstjubiläen der privaten Sphäre des Steuerpflichtigen zugerechnet werden (BFH-Urteil vom 1.2.2007 VI R 25/03, BStBl II 2007, 459), hat eine Verabschiedung in den Ruhestand als letzter Akt des aktiven Dienstes ganz überwiegend beruflichen Charakter (BFH-Urteil vom 11.1.2007 VI R 52/03, BStBl II 2007, 317). Für die Beurteilung der beruflichen oder privaten Veranlassung ist allerdings nicht allein auf den Anlass der Veranstaltung abzustellen; diese stellt lediglich ein wesentliches Indiz dar. Im Rahmen der Gesamtwürdigung sind vielmehr auch weitere Umstände heranzuziehen. In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Abgrenzung einer vom Arbeitgeber veranstalteten Feierlichkeit von einer Privatfeier des Arbeitnehmers(s. hierzu BFH-Urteil vom 28.1.2003 VI R 48/99, BStBl II 2003, 724) ist weiterhin zu berücksichtigen, wer als Gastgeber auftritt, wer die Gästeliste bestimmt, die Zusammensetzung und Zugehörigkeit der Teilnehmer zur beruflichen oder privaten Sphäre des Steuerpflichtigen, die Örtlichkeit der Veranstaltung, die Höhe der Aufwendungen im Vergleich zu ähnlichen betrieblichen Veranstaltungen sowie der Charakter der Feierlichkeit insgesamt (BFH-Urteile vom 6.3.2008, VI R 68/06, BFH/NV 2008, 1316; vom 11.1.2007, VI R 52/03, BStBl II 2007, 317 und vom 1.2.2007 VI R 25/03, BStBl II 2007, 459).
Die Abwägung der Umstände des Streitfalls führt zur Überzeugung des Senats, dass die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen der Feier am 23.9.2010 beruflich veranlasst waren.
Der von seiner indiziellen Bedeutung wesentliche Anlass der Feierlichkeit ist beruflicher Art. Ausweislich der vom Kläger erstellten Einladung war Beweggrund der Veranstaltung die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses mit der A. AG bzw. der B. AG und der damit einhergehende Wechsel in ein neues Arbeitsverhältnis mit der Fachhochschule C.. Ein solcher Wechsel ist – ebenso wie der Eintritt eines Arbeitnehmers in den Ruhestand – als letzter Akt des bisherigen Dienstverhältnisses anzusehen.
Die weiteren Umstände des Streitfalles sprechen nicht für eine private Mitveranlassung der Veranstaltung.
Die Zusammensetzung der Gäste deutet vielmehr ebenfalls auf eine berufliche Veranlassung hin. Sämtliche Gäste – mit Ausnahme seiner Ehefrau – stammen aus dem beruflichen Umfeld des Klägers und sind keine privaten Freunde oder Angehörige. Dies ergibt sich bereits aus der Einladung, die an Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Vorgesetzte, Kunden, Lieferanten, Geschäftspartner, Vertreter von Behörden, Verwaltung und Verbänden sowie Experten aus Forschung und Wissenschaft gerichtet ist. Freunde und Verwandte werden hier gerade nicht angesprochen. Im Übrigen ist dies zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Unschädlich ist, dass der Kläger die Einladung an „liebe Weggefährten“ gerichtet hat. Hieraus lässt sich keine private Verbundenheit zu den Gästen herleiten. Vielmehr ist es üblich, langjährige Kollegen oder Geschäftspartner als (berufliche) Weggefährten zu bezeichnen. Dass der Kläger mit einigen der Gäste seit 25 Jahren und länger beruflich zu tun hatte, obwohl er zum Zeitpunkt der Veranstaltung erst seit 13 Jahren bei der A. AG beschäftigt war, ändert am ausschließlich beruflichen Bezug des Klägers zum Teilnehmerkreis nichts. Auf eine private Verbundenheit kann allein aus der langjährigen Dauer einzelner beruflicher Beziehungen nicht geschlossen werden. Hinzu kommt, dass die ganz überwiegende Zahl der Gäste ohne Ehe- bzw. Lebenspartner/innen eingeladen war. Dies ergibt sich aus der alphabetisch sortierten Gästeliste, in der ein Nachname nur selten mehrfach vorkommt.
Ein weiteres Indiz für die berufliche Veranlassung stellt die Einbeziehung desArbeitgebers in die organisatorische Abwicklung der Veranstaltung dar. Durch die Mitarbeit der Sekretärin Frau E. in die Entgegennahme der Anmeldungen und die Erstellung der Liste sowie in weitere organisatorische Aufgaben hat der Arbeitgeber zwar keine Entscheidungen hinsichtlich des Ablaufs der Feier getroffen. Denn es handelte sich hierbei lediglich um organisatorische Akte mit ausführendem Charakter. Der Arbeitgeber hat sich aber in einem gewissen Umfang mittelbar an den Kosten der Veranstaltung beteiligt. Bei einer rein privaten Feier wäre es unüblich und von einemArbeitgeber typischerweise auch nicht geduldet worden, dass eine von ihm bezahlte Mitarbeiterin in irgendeiner Weise zeitlich in Anspruch genommen wird.
Dass der Kläger in der Einladung als alleiniger Gastgeber aufgetreten ist und die Gästeliste sowie den Ort der Veranstaltung bestimmt hat, spricht weder für eine berufliche noch für eine private Veranlassung. Wäre der Arbeitgeber neben dem Kläger als Gastgeber aufgetreten und hätte sich stärker in die Organisation der Feier eingeschaltet, läge insoweit zwar ein weiteres Indiz für eine berufliche Veranlassung vor. Hieraus kann jedoch vor dem Hintergrund der bereits deutlich für eine berufliche Veranlassung sprechenden Indizien nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass deshalb voneiner überwiegend privaten Veranstaltung ausgegangen werden müsste. Dies folgt daraus, dass den genannten Umständen im Streitfall kein besonderes Gewicht zukommt. Zum einen hängen die Fragen, wer die Gästeliste und den Ort der Veranstaltung bestimmt und wer die Feier organisiert eng typischerweise allesamt davon ab, wer die Feier bezahlt. Wenn ein den Werbungskostenabzug begehrender Arbeitnehmer die Kosten für eine Feier getragen hat, wird er im Regelfall den wesentlichen Ablauf bestimmen. Hieraus kann jedenfalls dann keine private Veranlassung abgeleitet werden, wenn bereits der Anlass der Veranstaltung ausschließlich ein beruflicher ist.
Der Ort der Veranstaltung ist im Streitfall ebenfalls kein taugliches Indiz für eine Abgrenzung zwischen privater und beruflicher Veranlassung. Die Wahl einer Räumlichkeit außerhalb des Betriebsgeländes steht einer beruflichen Veranlassung nicht zwingend entgegen. So kann sogar eine Privaträumlichkeit des bewirtenden Arbeitnehmers hierfür unschädlich sein (vgl. BFH-Urteil vom 1.2.2007 VI R 25/03, BStBl II 2007, 459). Im Streitfall fand die Veranstaltung weder in der Privatwohnung des Klägers noch in den betrieblichen Räumen des Arbeitgebers statt, sondern in einem Restaurant, woraus keinerlei Rückschlüsse auf die Veranlassung gezogen werden können.
Die Veranstaltung wies auch nicht den überwiegenden Charakter einer privaten Feierlichkeit auf. Der zeitliche Beginn der Veranstaltung ab 18.00 Uhr mit Übernachtungsmöglichkeit reicht hierfür nicht aus. Zwar kommt ein betrieblicher Bezug besonders zum Ausdruck, wenn eine Veranstaltung während der üblichen Dienstzeit stattfindet und der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern für die Teilnahmemöglichkeit Dienstbefreiung erteilt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine beruflich veranlasste Feier nicht in den Abendstunden vorgenommen werden kann. Der Vortrag des Klägers, dass durch einen späteren Beginn auch auswärtig Anreisenden die Möglichkeit der Teilnahme gegeben wird, ist insoweit nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die Feier nicht am Wochenende, sondern an einem Wochentag (Donnerstag) stattfand. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass lediglich einzelne Gäste, die aus dem Ausland angereist sind, von der Übernachtungsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben. Dies wird bestätigt durch den Wortlaut der Einladung, nach der nur ein „kleines Kontingent an Zimmern zur Verfügung“ stand.
Hinzu kommt, dass der CEO des Arbeitgebers eine Laudatio gehalten hat, die zwar zeitlich nur einen untergeordneten Teil der gesamten Veranstaltung eingenommenhaben kann. Da ein solches Element aber typischerweise auf privaten Veranstaltungen nicht stattfindet, spricht dies eher für einen beruflichen Charakter der Feier.
Die Höhe der Bewirtungskosten spricht schließlich ebenfalls nicht gegen eine berufliche Veranlassung. Unabhängig davon, ob die Zahl der Gäste, die sich aus der eingereichten Gästeliste ergibt (92 Personen), diejenige aus der Rechnung des Restaurants (96 Personen) oder die vom Kläger vorgetragene Teilnehmerzahl (105 Personen) zu Grunde gelegt wird, beträgt der Anteil pro Teilnehmer ca. 50 EUR. Die Höhe dieser Aufwendungen liegt für ein Essen mit Getränken und musikalischer Untermalung im durchschnittlichen Bereich. Vor dem Hintergrund der bisherigen beruflichen Stellung des Klägers als leitender Angestellter und seines Verdienstes bei der A. AG bzw. der B. AG (im Streitjahr 2010 Bruttoarbeitslohn in Höhe von ca. 240.000 EUR) stellen sich diese Aufwendungen jedenfalls nicht als so hoch dar, dass sich hieraus eine private Veranlassung ableiten ließe.