Bedient sich die Finanzverwaltung zur Bekanntgabe von Verwaltungsentscheidungen eines privaten Postserviceunternehmens und weist der Steuerpflichtige nach, dass die für die Übermittlung mit einfacher Briefpost bestimmte Sendung trotz des in den Akten des FA als Tag der „Aufgabe zur Post” vermerkten Zeitpunkts durch das private Postserviceunternehmen erst am ersten Werktag der Folgewoche von dem privaten Postserviceunternehmen sortiert und der Weiterleitung an den Adressaten zugeführt worden ist, gilt die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als widerlegt, da ein (vermuteter) Zugang am gleichen Tag schlechthin nicht möglich ist.
Eine zum Nachweis erstellte Bescheinigung des Postserviceunternehmens muss der BFH auch im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde bei der Prüfung der Sachurteilsvoraussetzung der fristgerechten Klageerhebung ohne Bindung an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz betrachten.
BFH Beschluss vom 25.03.2015 – V B, BFH/NV 2015, 948
Begründung:
Mit der Behauptung, die Klagefrist sei bei Klageerhebung nicht abgelaufen gewesen und das FG habe in diesem Zusammenhang § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) unrichtig angewandt, da die Einspruchsentscheidung nicht, wie vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) behauptet, als am 14. Januar 2013 zugegangen gilt, da sie erst am 15. Januar 2013 tatsächlich zugegangen ist, hat der Kläger einen Verfahrensfehler geltend gemacht und auch hinreichend dargelegt.
Er liegt auch vor: Bedient sich –wie im Streitfall– die Finanzverwaltung zur Bekanntgabe von Verwaltungsentscheidungen eines privaten Postserviceunternehmens und weist der Steuerpflichtige –wie im Streitfall durch die Bestätigung der Firma P– nach, dass die für die Übermittlung mit einfacher Briefpost bestimmte Sendung trotz des in den Akten des FA als Tag der „Aufgabe zur Post” vermerkten Zeitpunkts (hier: Freitag, den 11. Januar 2013) durch das private Postserviceunternehmen erst am ersten Werktag der Folgewoche (d.h. hier: am Montag, den 14. Januar 2013) von dem privaten Postserviceunternehmen sortiert und der Weiterleitung an den Adressaten zugeführt worden ist, gilt die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als widerlegt, da ein (vermuteter) Zugang am gleichen Tag –dem 14. Januar 2013– schlechthin nicht möglich ist. Die Bescheinigung der Firma P musste der BFH berücksichtigen, auch wenn sie erst nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung vorgelegt wurde. Die Sachentscheidungsvoraussetzung der fristgerechten Klageerhebung ist vom BFH von Amts wegen und ohne Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG zu prüfen.
Daher ist im Streitfall von einer Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erst am 15. Januar 2013 auszugehen, so dass die Klageerhebung am 15. Februar 2013 noch fristgerecht war.