Führt eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Apotheke Arzneimittellieferungen an in Deutschland wohnhafte Privatpersonen aus, können diese Lieferungen nach der sog. Versandhandelsregelung in Deutschland selbst dann steuerbar und steuerpflichtig sein, wenn die Abnehmer eine formularmäßige Vollmacht zur Beauftragung eines Kurierdienstes zum Transport der bestellten Medikamente in ihrem Namen und für ihre Rechnung erteilt haben.
BFH Urteil vom 20.5.2015, XI R 2/13
Begründung:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin ausgeführten Arzneimittellieferungen an deutsche Abnehmer im Wesentlichen steuerbar und steuerpflichtig waren. Soweit keine Steuerbarkeit der Umsätze vorlag, war die Abweisung der Klage durch das FG wegen der von ihm vorgenommenen Saldierung rechtmäßig.
Wird bei einer Lieferung der Gegenstand durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete befördert oder versendet, so gilt nach § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG die Lieferung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet.
Im Streitfall sind die Voraussetzungen der Ortsbestimmung in § 3c UStG für die von der Klägerin gegenüber den einzelnen Privatpersonen als Leistungsempfänger und Abnehmer ausgeführten Arzneimittellieferungen erfüllt. Außerdem hat die Klägerin auch die nach § 3c Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG maßgebliche Lieferschwelle von 100.000 EUR überschritten.
Das FG hat ferner zutreffend angenommen, dass die Arzneimittel durch die Klägerin als Lieferer von den Niederlanden nach Deutschland befördert oder versendet wurden und der jeweilige Transport nicht durch die Abnehmer veranlasst wurde. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass es für die Frage, wer die Beförderung oder Versendung der Arzneimittel durchgeführt hat, in erster Linie darauf ankommt, wem der jeweilige Transport im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls nach objektiven Kriterien zuzurechnen ist, und dass in diesem Zusammenhang ggf. auch vergleichbare Regelungen des innergemeinschaftlichen Verbrauchsteuerrechts und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH herangezogen werden können