Geldwerter Vorteil durch verbilligte Überlassung von Gesellschaftsanteilen

Die verbilligte Überlassung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft an einen Arbeitnehmer stellt geldwerten Vorteil dar.

FG Münster 14.08.2015, 14 K 3290/13 E

Sachverhalt:

Streitig ist, ob die beherrschende Gesellschafterin einer GmbH eine Beteiligung an der von ihr beherrschten Gesellschaft im Streitjahr 2000 verbilligt an den Kläger, einem bei dieser Gesellschaft Beschäftigten, veräußert hat und ob der Beklagte zu Recht die seiner Meinung nach bestehende Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert der an den Kläger veräußerten Beteiligung als diesem im Streitjahr zugeflossenen Arbeitslohn behandelt hat.

Begründung:

Der Beklagte hat auch zu Recht die bestehende Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert der an den Kläger veräußerten Beteiligung als diesem im Streitjahr zugeflossenen Arbeitslohn behandelt und gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Einkommensbesteuerung unterworfen. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (vgl. u. a. Urteil vom 26.06.2014 – VI R 94/13, DB 2014, 1907, m. w. N.), der der erkennende Senat folgt, gehören zu den § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unterfallenden Einkünften aus nichtselbständer Arbeit alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis „für“ das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Davon, dass einem Arbeitnehmer Vorteile „für“ eine Beschäftigung gewährt werden, kann allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn die gewährten Vorteile durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitsnehmers veranlasst sind, mithin der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Damit kann auch der verbilligte Erwerb einer Beteiligung, etwa von GmbH-Anteilen, zu Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 EStG führen, wenn der Vorteil hieraus dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.

Arbeitslohn kann nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat wiederum folgt, ausnahmsweise auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn sie ein Entgelt „für“ eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist allerdings, dass die Zuwendung des Dritten nicht nur im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht, sondern sich für den Arbeitnehmer auch als Frucht seiner Leistung für den Arbeitgeber darstellen muss.

Arbeitslohn liegt demgegenüber allerdings dann nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Entsprechendes gilt auch, wenn die Zuwendung auf anderen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Dritten gründet. Solche Rechtsbeziehungen zeigen ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit insbesondere dadurch, dass diese auch selbständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis bestehen können. Als derartige Zuwendungen aufgrund von Sonderrechtsbeziehungen kommt unter anderem die Veräußerung von Sachen oder Rechten – z. B. auch einer kapitalmäßigen Beteiligung am Arbeitgeber oder einem anderen Unternehmen – in Betracht. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbungsgrundlage zur Einkunftserzielung.

Ob eine Zuwendung durch das bestehende bzw. ein künftiges Dienstverhältnis veranlasst und damit als Arbeitslohn zu beurteilen ist oder ob diese Zuwendung aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nichteinkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist – auch in den Fällen einer Zuwendung durch einen Dritten – stets aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Die persönlichen Auffassungen und Einschätzungen der an der Zuwendung Beteiligten sind insoweit unerheblich.

Bei der danach vorzunehmenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Regelfall ein Arbeitsverhältnis durch einen Leistungsaustausch zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber geprägt ist und der Umstand, dass ein Dritter einen Teil der Entlohnung des Arbeitnehmers übernimmt, die Ausnahme ist. Die Zuwendung eines Dritten ist daher nur dann als Arbeitslohn zu qualifizieren, wenn der Veranlassungszusammenhang zwischen der Vorteilsgewährung und der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers eindeutig ist. Dies gilt umso mehr, wenn eine von Arbeitsverhältnis unabhängige Rechtsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Arbeitnehmer besteht.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich die verbilligte Überlassung der Beteiligung an der A-GmbH durch die B-GmbH an den Kläger als durch dessen Tätigkeit für die A-GmbH veranlasste Zuwendung dar und musste sich auch für den Kläger entsprechend darstellen. Denn in der am 10.04.2000 mit der A-GmbH getroffenen Zusatzvereinbarung zu seinem Dienstvertrag war dem Kläger eine Beteiligung an der A-GmbH sogar ausdrücklich zugesagt worden.