Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren setzt voraus, dass der Unternehmer gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist.
Im Billigkeitsverfahren muss das FA nicht das Vorliegen objektiver Umstände nachweisen, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Das ist nur dann erforderlich, wenn der Vorsteuerabzug trotz Vorliegens dessen objektiver Merkmale wegen der Einbindung des Unternehmers in eine missbräuchliche Gestaltung versagt werden soll.
Es stellt keinen Ermessensfehler dar, wenn eine Behörde ihre Entscheidung auf mehrere Ermessenserwägungen stützt, von denen zwar eine oder einzelne fehlerhaft sind, die Behörde aber eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass jede einzelne der Ermessenserwägungen bereits allein tragend ist.
BFH Urteil vom 18.2.2016, V R 62/14
Begründung:
Entgegen der Auffassung des FG lassen sich auch aus dem EuGH-Urteil Maks Pen (EU:C:2014:69, Rz 31) keine dahingehenden Schlussfolgerungen ableiten, dass auch bei unzutreffenden Rechnungsangaben der Vorsteuerabzug nur versagt werden dürfe, wenn das FA das Vorliegen objektiver Umstände nachweist, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug vom Steuerpflichtigen in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Aus Rz 31 ergibt sich, dass Zweifel daran, dass die Rechnungsangaben zutreffend und die Abrechnende auch die leistende Unternehmerin ist, nicht allein damit begründet werden können, dass die Abrechnende nicht über das erforderliche Personal sowie die erforderlichen Sachmittel und Vermögenswerte verfügt habe, die Kosten der Leistung nicht in ihrer Buchführung dokumentiert worden seien oder die Unterschrift der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet haben, sich als falsch erwiesen haben. Vorliegend steht nach den Feststellungen des FG aber fest, dass die Fa. H nicht die leistende Unternehmerin war, sondern ein unbekannter Dritter und dass die Rechnung nicht die korrekte Steuernummer der Rechnungsausstellerin enthalten hat.
Im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) kann der Vorsteuerabzug ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Vertrauensschutzes nach den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung (Urteile Teleos vom 27. September 2007 C-409/04, EU:C:2007:548, Rz 68, und Netto Supermarkt vom 21. Februar 2008 C-271/06, EU:C:2008:105, Rz 25) in Betracht kommen. Das setzt voraus, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist.
Die vom FA im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO zu treffende Ermessensentscheidung ist im finanzgerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten (Ermessensmissbrauch) oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.