Aktien eines Börsenbetreibers bei einem Börsenmakler

Werden einem selbstständigen Kursmakler Anteile einer AG zur Erfüllung seiner Courtageforderung übertragen, gelangen die Anteile im Erwerbszeitpunkt in das Betriebsvermögen. Ihre spätere Entnahme ist dadurch nicht ausgeschlossen.
Die Entnahme erfordert eine unmissverständliche, von einem Entnahmewillen getragene Entnahmehandlung und darüber hinaus, dass der Steuerpflichtige die naheliegenden steuerlichen Folgerungen aus der Entnahme gezogen hat.
BFH Urteil vom 29.09.2016 – III R 42/13 BFH/NV 2017, 650
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war als amtlich bestellter Kursmakler an einer Wertpapierbörse tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die er durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte.
Die Mitglieder der Kursmaklerkammer hatten 1990 einstimmig beschlossen, im Rahmen einer bevorstehenden Kapitalerhöhung 5 % der Aktien zu zeichnen. Diesem Beschluss entsprechend zeichnete die Kursmaklerkammer vinkulierte Namensaktien zu einem Ausgabepreis von 200 DM pro Aktie. Die Kosten für die Anschaffung der Anteile wurden zu gleichen Teilen mit den Ansprüchen der Kursmakler gegenüber dem Courtagepool verrechnet, aus dem die monatlichen Maklercourtagen an die jeweiligen Kursmakler gezahlt wurden.
Der Kläger beteiligte sich nach seiner Bestellung zum Kursmakler an dem von der Kursmaklerkammer gehaltenen Aktienanteil. Die anteiligen Anschaffungskosten in Höhe von 210.000 DM wurden bei ihm in vier Raten im Juni, Juli, August und September 1996 mit den Ansprüchen aus dem Courtagepool verrechnet.
Oktober 1996 fassten die Kursmakler den Beschluss, den größten Teil der von der Kursmaklerkammer gehaltenen Aktien anteilig an alle Kammermitglieder zu übertragen. Ein geringer Restanteil sollte im Eigentum der Kursmaklerkammer verbleiben, um an Hauptversammlungen der AG teilnehmen zu können. Februar 1997 übertrug die Kursmaklerkammer Aktien auf die zu diesem Zeitpunkt bestellten Kursmakler. Dabei entfielen auf jedes der Kammermitglieder –darunter auch der Kläger– 1 050 Aktien; bei der Kursmaklerkammer verblieb ein Restanteil von 351 Aktien.
Der Kläger buchte nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) am 31. März 1997 “Entnahme” an “Erlöse aus Courtagepool” mit einem Betrag von 210.000 DM (1.050 x 200 DM). In der Folgezeit erklärte er die jährlichen Dividendenerträge aus den Aktien im Rahmen seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Zum 31. Dezember 2000 brachte der Kläger sein Einzelunternehmen in eine nach ihm benannte Wertpapierhandels-GmbH ein; die nach seiner Auffassung im Privatvermögen gehaltenen Aktien wurden nicht eingebracht. Mit dem Börsengang der AG 2001 entfiel die Vinkulierung der Aktien.
Die Betriebsprüfungsstelle des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt –FA–) vertrat nach einer im Dezember 2005 begonnenen Außenprüfung die Auffassung, dass die im Eigentum des Klägers stehenden Aktien der AG notwendiges Betriebsvermögen des Kursmaklergewerbes des Klägers darstellten und mit den Anschaffungskosten in Höhe von 107.371,29 EUR zu aktivieren seien.
Begründung:
Die Aktien wurden im Zeitpunkt ihres Erwerbs (1996) Teil des notwendigen Betriebsvermögens des Klägers. Zum Betriebsvermögen (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) gehören alle Wirtschaftsgüter, die aus betrieblicher Veranlassung angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden. Eine betriebliche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht. Dieser Zusammenhang wird nicht nur durch die Widmung des angeschafften Wirtschaftsguts zu betrieblichen Zwecken begründet; er wird auch unabhängig von der tatsächlichen oder beabsichtigten Nutzung des Wirtschaftsguts dadurch hergestellt, dass die Anschaffung als solche ein betrieblicher
Im Streitfall hatte der Kläger im Jahr 1996 eine Courtageforderung gegen die Kursmaklerkammer. Diese Forderung gehörte unzweifelhaft zum Betriebsvermögen. Zur Erfüllung dieser Forderung erhielt der Kläger unter anderem Rechte an den Aktien. Somit war bereits durch den Anschaffungsvorgang objektiv eine wirtschaftliche und tatsächliche Verbindung der Aktien oder eines auf darauf gerichteten Anspruchs zum Betriebsvermögen hergestellt. Die Anteilsrechte wurden dadurch notwendiges Betriebsvermögen. Mit ihrem Erwerb wurde letztlich die Courtageforderung realisiert. Die Anteile waren und blieben grundsätzlich auch Teil des notwendigen Betriebsvermögens, da sie nicht nur für private Zwecke genutzt werden konnten.
Das FG hat die Umstände des Streitfalls dahin gewürdigt, dass die von der Kursmaklerkammer auf den Kläger übertragenen Aktien am 31. März 1997, dem Zeitpunkt der vermeintlichen Entnahme, beim Kläger nicht mehr in einem über den Anschaffungsvorgang hinaus gehenden notwendigen betrieblichen Förderungszusammenhang standen und daher grundsätzlich entnommen werden konnten. Es hat seine Würdigung der Entnahmefähigkeit der Aktien im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Aktien nicht dazu dienten, die geschäftliche Beziehung des Einzelunternehmens des Klägers zur Beteiligungsgesellschaft, der AG, zu fördern oder zu sichern Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 118 Abs. 2 FGO).
Das FG hat ausgeführt, der Kläger habe aus der Beteiligung weder geschäftliche Vorteile gezogen noch solche angestrebt –z.B. vergünstigte Maklerkonditionen– und durch sie auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der AG nehmen können.
Diese Würdigung ist angesichts seines geringfügigen Anteils –ca. 0,14 %– und der Tatsache, dass andere Kursmakler keine Anteile an der AG hielten und gleichwohl denselben geschäftlichen Bedingungen unterworfen waren, nicht zu beanstanden. Der Kläger war im Übrigen seit dem 1. Januar 1996 Kursmakler, beteiligte sich aber erst ab Juni 1996 an den Anschaffungskosten der Aktien; für eine Veränderung seiner geschäftlichen Bedingungen ab Juni 1996 ist nichts ersichtlich.
Die insofern mangelnde Förderung des Betriebes hat das FG weiterhin nachvollziehbar damit begründet, dass die Aktionäre der AG die Geschäftspolitik –z.B. hinsichtlich der Zulassung von Personen, Unternehmen und Produkten sowie Preisfeststellungen– nicht beeinflussen konnten, weil die Wertpapierbörse als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts öffentlich-rechtlich verfasst gewesen sei und durch eigene Organe gehandelt habe. Der Einfluss der Kursmakler auf die Angelegenheiten der Wertpapierbörse erfolge nicht über die AG, sondern über den Börsenrat der Wertpapierbörse, dem die Leitung der Börse obliege und dem nach § 3 Abs. 1 des Börsengesetzes auch Vertreter der Kursmakler angehörten. Die Aktien vermittelten somit keine zusätzlichen Rechte, was als Kriterium für die Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen sprechen würde.
Da die zwangsweise Kammerzugehörigkeit des Klägers nach den Feststellungen des FG nicht mit der Verpflichtung zur Zeichnung von Aktien verbunden war, handelte es sich auch nicht um sog. Pflichtanteile, die bereits aus diesem Grunde zum notwendigen Betriebsvermögen gehörten. Der Aktienbesitz war auch nicht mit betriebsbezogenen Pflichten des Klägers verknüpft.
Die Aktien waren auch nicht dauerhaft dem notwendigen Betriebsvermögen zuzuordnen, weil
Da die Aktien –unstreitig– nicht zum notwendigen Privatvermögen gehörten, können sie nur durch eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Klägers ausgeschieden sein. Dazu bedürfte es einer unmissverständlichen, von einem Entnahmewillen getragenen Entnahmehandlung. Der Steuerpflichtige muss darüber hinaus auch die naheliegenden steuerlichen Folgerungen aus der Entnahme ziehen und einen Entnahmegewinn erklären
Das FG hat zur Entnahme lediglich festgestellt, dass der Kläger am 31. März 1997 Kto. 1800 “Entnahme” an Kto. 8005 “Erlöse aus Courtagepool” mit einem Betrag von 210.000 DM gebucht hat. Es hat nicht festgestellt, wie die Erlösminderung in den Monaten Juni bis September 1996 verarbeitet wurde, ob und gegebenenfalls wann der Anspruch auf die Aktien oder die Aktien selbst aktiviert worden sind und ob der Buchungssatz vom 31. März 1997 durch Bezugnahme auf die Aktien erläutert wurde. Angesichts dieses vom FG so festgestellten Sachverhalts ist mithin nach außen weder erkennbar, dass der Kläger bisher dem Betriebsvermögen zugeordnete Aktien entnehmen wollte noch, dass er den Anschaffungskosten der Aktien einen von ihm ermittelten Teilwert der Aktien gegenübergestellt hat, um einen eventuellen Entnahmegewinn oder -verlust zu errechnen.
Die diesbezüglichen Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung und die dazu nachgereichten Unterlagen kann der Senat als neues tatsächliches Vorbringen nicht berücksichtigen. Denn der BFH ist im Revisionsverfahren auf eine rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung beschränkt (§ 118 Abs. 2 FGO). Im zweiten Rechtsgang wird aber der Kläger für entsprechenden Sachvortrag Gelegenheit haben.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang entsprechende weitere Feststellungen zu treffen haben, um anhand derer nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze prüfen zu können, ob der Kläger die Aktien durch eine wirksame Entnahmehandlung entnommen hatte. Es wird insbesondere zu prüfen sein, ob nach außen erkennbar die naheliegenden steuerlichen Folgerungen aus einer Entnahme (Gewinnrealisierung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) innerhalb oder außerhalb des Buchführungswerks gezogen wurden Eine fehlende Eindeutigkeit der Entnahmehandlung ginge zulasten des Klägers.