Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen

Wird ein streng objektgebundener (Immobilien-)Kredit bei der Veräußerung des mit dem Kredit finanzierten Grundstücks unter wirtschaftlicher Weiterleitung des Kreditvertrages an die Objektkäuferin (Vereinbarung einer Stundungsvereinbarung einschl. Agio) unverändert fortgeführt, wird die Schuld zur Dauerschuld.

BFH Urteil vom 26.10.2011 – IR (82/10) BFHNV 2012,S. 605

Begründung:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer (hälftigen) Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen i.S. des § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes. Der BFH entschied, dass die Hinzurechnung der (hälftigen) Schuldzinsen erfolgte zu Recht, weil die der Zinsverpflichtung zugrunde liegenden Schulden der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals der Klägerin gedient haben.

Nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 a.F. wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der bei seiner Ermittlung abgezogenen Entgelte für Schulden hinzugerechnet, die (u.a.) der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Eine Schuld dient nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn ihr Gegenwert das Betriebskapital länger als ein Jahr verstärkt. Nicht der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals dienen allerdings trotz einer Laufzeit von mehr als einem Jahr Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit laufenden Geschäftsvorfällen stehen und in der nach Art des jeweiligen Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Kredite, die ein Unternehmen zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufnimmt und die aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös zu tilgen sind. Ihnen gleichgestellt werden Verbindlichkeiten zur Finanzierung von Gegenständen, die einen Grenzfall zwischen Anlage- und Umlaufvermögen darstellen und deren Anschaffung bzw. Herstellung zu den immer wiederkehrenden, den Gegenstand des Unternehmens ausmachenden üblichen Geschäftsvorfällen gehört. Insoweit kann aus einer über ein Jahr hinausgehenden Laufzeit allein noch nicht auf den Charakter als Dauerschuld geschlossen werden.  

Gleichwohl kann eine lange Finanzierungsdauer einen qualitativen Umschlag des Finanzierungstypus zur Dauerschuld begründen. Während bei den typischen laufenden Geschäftsvorfällen im Allgemeinen der Laufzeit der Verbindlichkeit keine entscheidende Bedeutung zukommt, kann bei Unklarheit, ob ein Geschäftsvorfall als laufender einzuordnen ist, eine lange Laufzeit Anzeichen dafür sein, dass die Kreditaufnahme das Betriebskapital nicht nur vorübergehend verstärken soll.  

Das FG hat ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen den Sachverhalt zunächst dahingehend gewürdigt, dass das zu errichtende Seniorenzentrum zur Zeit der Kreditaufnahme durch die Klägerin als Umlaufvermögen der Klägerin anzusehen war. Dabei hat es insoweit auf eine die Veräußerung des Objekts mitsamt Pachtvertrag gerichtete Absicht der Klägerin geschlossen und dazu auf die Bilanzierung im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000, den von der Klägerin vorgelegten Schriftverkehr zur Investorensuche, den tatsächlichen späteren Geschehensablauf, das Unternehmenskonzept und die Unternehmenspraxis der Klägerin verwiesen.

Das FG ist darüber hinaus davon ausgegangen, dass Gegenstand der Kreditvereinbarung ein streng objektgebundener Kredit bezüglich einer geschäftstypischen Immobilienveräußerung aus dem Umlaufvermögen der Klägerin war. Insoweit hat es nach dem "Gesamtbild der Verhältnisse" der zehnjährigen Finanzierungsdauer, die als Indiz für eine nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals spreche, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Die Aufnahme eines solchen Immobilienkredits und darüber hinaus dessen rechtliche oder wirtschaftliche Weiterleitung an den Erwerber sei als branchen- und geschäftsüblich anzusehen, auch wenn eine solche Kreditweiterleitung eher als eine Ausnahme und die kurzfristige Finanzierung mit rascher vollumfänglicher Darlehensrückführung als Regelfall eines Geschäfts einer Immobilien-Projektgesellschaft anzusehen sei.

Dieser Einschätzung ist insoweit zuzustimmen, als der Finanzierungsdauer keine allein ausschlaggebende Bedeutung für die Qualifizierung einer Schuld als Dauerschuld beizumessen ist. So ist eine Dauerschuld auf der Grundlage eines Gesamtbilds der Verhältnisse gerade aus dem Zusammentreffen der Finanzierungsdauer von zehn Jahren mit der Ausrichtung des streitigen Darlehens auf die gesamte Lebensdauer des Unternehmens der dortigen Klägerin und den für diese Lebensdauer allein vorgesehenen Geschäftszweck angenommen worden. Wenn ein Refinanzierungskredit eines Leasinggebers beim Immobilienleasing nach zehn Jahren zu tilgen ist, spricht diese lange Dauer zwar für das Vorliegen von Dauerschulden das Laufzeitkriterium prägt den Typus einer Dauerschuld aber nicht allein. Entgegen der Ansicht der Revision wird man aus Abschn. 45 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 Sätze 13 bis 15 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1998 nicht zwingend ableiten müssen, dass eine Dauerschuld stets anzunehmen ist, wenn die Finanzierung über einen Zeitraum von sechs Jahren hinausgeht. Die Richtlinie nimmt vielmehr an, dass bei der Würdigung, ob die vom Leasinggeber zur Finanzierung der (dem Leasingnehmer zuzurechnenden) Leasinggegenstände aufgenommenen Kredite zum laufenden Geschäftsverkehr gehören oder unter Berücksichtigung des zeitlichen Moments zu Dauerschulden geworden sind, eine Finanzierungsdauer von nicht über sechs Jahren (als "allgemein üblicher Tilgungsfrist"  nicht heranzuziehen ist. Erst bei einer darüber hinausgehenden Finanzierungsdauer "können" (s. ausdrücklich Abschn. 45 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 Satz 14 GewStR 1998) die Kredite zu Dauerschulden werden.

Dem FG ist jedoch nicht darin zu folgen, dass die Veräußerung des mit dem Kredit finanzierten Grundstücks angesichts der "wirtschaftlichen Weiterleitung" des Kreditvertrages an die Objektkäuferin den Charakter der Schuld ("objektgebundener Kredit") unberührt lässt. Zwar reichen die laufenden, aus den Pachteinnahmen erwirtschafteten Kaufpreisraten der Käuferin zusammen mit ihrer Restzahlung nach den Feststellungen des FG für sich genommen aus, um der Klägerin die Rückzahlung des Darlehens (laufende Annuitäten und Darlehensrestzahlung) vollen Umfangs zu ermöglichen. Darüber hinaus ist die langjährig gestreckte Kaufpreiszahlung durch die aufeinander abgestimmten Regelungen im Darlehensvertrag der Klägerin und im Kaufvertrag sowie im von der Klägerin abgeschlossenen Pachtvertrag auch vertraglich in hinreichender Weise abgesichert gewesen; die Vereinbarungen sind absprachegemäß vollzogen worden. Die Klägerin ist aber nach der Veräußerung des Objekts weiterhin (auf eigene Rechnung) Darlehensnehmerin geblieben. Sie hat eine rechtlich eigenständige Stundungsvereinbarung mit der Käuferin geschlossen und einen gesonderten (für sie zur freien finanziellen Verfügung stehenden und nicht für eine Darlehenstilgung einzusetzenden) Geschäftserfolg erzielt (Agio).

Auf dieser Grundlage hat die Klägerin ab dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2002 die gestundete Restkaufpreis-Forderung auch unter der Position A. Anlagevermögen im Bereich der Finanzanlagen als Sonstige Ausleihungen (Darlehen Z-KG) erfasst.

Dem Zweck des § 8 Nr. 1 GewStG 2002 a.F., unter dem Gesichtspunkt einer "objektiven Ertragskraft" des Unternehmens eine Gleichstellung von Erträgen aus eigen- und fremdfinanziertem Kapital herbeizuführen widerspräche es, diese Auflösung des ursprünglichen Finanzierungszusammenhangs durch den Verkauf des Objekts und die gesonderte Stundungsvereinbarung unberücksichtigt zu lassen. Seit 2002 ist der ursprünglich bestehende Zusammenhang zum laufenden Geschäftsverkehr (Umlaufvermögen) gelöst; die Schuld dient seitdem der allgemeinen Verstärkung des Betriebskapitals. Es ist dabei auch anerkannt, dass eine bestehende Schuld während ihrer Laufzeit zur Dauerschuld werden kann.