Ein Testamentsvollstrecker ist nach § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung für einen Erwerber nur verpflichtet, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf den Gegenstand des Erwerbs bezieht und das FA die Abgabe der Erklärung vom Testamentsvollstrecker verlangt.
BFH Urteil vom 11.6.2013, II R 10/11
Begründung:
Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) ist ein Steuerbescheid demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist. Der Steuerbescheid ist für den Steuerschuldner bestimmt, gegen den sich die Steuerfestsetzung richtet. Er wird in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er dem Steuerschuldner bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO). Steuerschuldner der Erbschaftsteuer ist grundsätzlich der Erwerber (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Ein Erbschaftsteuerbescheid wird daher regelmäßig mit der Bekanntgabe an den Erwerber (Steuerschuldner) wirksam.
Abweichend von § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist in den Fällen des § 31 Abs. 5 ErbStG der Steuerbescheid dem Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bekanntzugeben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Mit dieser Bekanntgabe wird der Steuerbescheid gegenüber dem Steuerschuldner i.S. von § 124 Abs. 1 Satz 1 AO wirksam.
Die Bekanntgabe eines Erbschaftsteuerbescheids an den Testamentsvollstrecker setzt einen Fall des § 31 Abs. 5 ErbStG voraus. Nach § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG ist, wenn ein Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter vorhanden ist, die Steuererklärung von diesem abzugeben. Das Finanzamt kann verlangen, dass die Steuererklärung auch von einem oder mehreren Erben unterschrieben wird.
§ 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG regelt die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers zur Abgabe der Erklärung, ohne die Erklärungspflicht von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Die Vorschrift ist jedoch nicht dahin zu verstehen, dass sie im Falle einer Testamentsvollstreckung eine uneingeschränkte Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers anordnet. Vielmehr ist wegen der zivilrechtlichen Stellung und der Aufgaben des Testamentsvollstreckers sowie im Zusammenhang mit § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, der die Erklärungspflicht des an einem Erbfall Beteiligten regelt, davon auszugehen, dass der Testamentsvollstrecker nach § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG nur zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung für einen Erwerber verpflichtet ist, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf den Gegenstand des Erwerbs bezieht und das Finanzamt die Abgabe der Erklärung vom Testamentsvollstrecker verlangt.
Zivilrechtlich ist der Testamentsvollstrecker weder Vertreter des Erblassers oder des Nachlasses noch Vertreter des oder der Erben; er hat die Stellung eines Treuhänders und ist Inhaber eines privaten Amtes (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 7. Juli 1982 IVa ZR 36/81, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 40, m.w.N.). Seine Aufgabe ist es, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers auszuführen (vgl. § 2203 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–) und den Nachlass zu verwalten (§§ 2205, 2216 BGB). Das Verwaltungsrecht besteht während der Dauer der Vollstreckung und erstreckt sich grundsätzlich auf den gesamten Nachlass, also auf das durch Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) übergegangene Vermögen des Erblassers.
Die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung (§ 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG) knüpft an seine zivilrechtliche Stellung an. Aufgrund seiner bürgerlich-rechtlichen Befugnisse ist der Testamentsvollstrecker in der Lage, die gemäß § 31 Abs. 2 ErbStG erforderlichen Angaben zum Gegenstand und zum Wert des Erwerbs zu machen sowie ein Verzeichnis über die zum Nachlass gehörenden Gegenstände (vgl. auch § 2215 BGB) zu erstellen. Die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung erstreckt sich auf Erwerbe von Todes wegen durch Erben bzw. Vermächtnisnehmer, wenn die Testamentsvollstreckung hinsichtlich des Nachlasses bzw. des Vermächtnisses angeordnet wurde.
In Bezug auf einen Vermächtnisnehmer tritt eine Steuererklärungspflicht des Testamentsvollstreckers jedoch nur ein, wenn der Testamentsvollstrecker über die bloße Erfüllung des Vermächtnisses hinaus weitere Befugnisse hinsichtlich des vermachten Gegenstands hat. Das betrifft vor allem Fälle, in denen für das Vermächtnis eine Dauervollstreckung entsprechend den §§ 2209, 2210 BGB angeordnet wurde. Der Aufgabenkreis des Testamentsvollstreckers ist zivilrechtlich und damit auch erbschaftsteuerrechtlich begrenzt.
Er umfasst grundsätzlich nicht die Regelung von (weiteren) Angelegenheiten der Personen, denen –wie einem Vermächtnisnehmer (vgl. § 2174 BGB)– infolge des Erbfalls lediglich schuldrechtliche Ansprüche erbrechtlicher Natur gegenüber den Erben zustehen. Erstreckt sich jedoch der Aufgabenkreis des Testamentsvollstreckers auf die Verwaltung des vermachten Gegenstands nach Erfüllung des Vermächtnisses, kann der Testamentsvollstrecker auch zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung für den Vermächtnisnehmer aufgefordert werden.
Die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Abgabe der Steuererklärung entsteht –wie bei einem an einem Erbfall Beteiligten– erst mit der Aufforderung des Finanzamts, eine Steuererklärung abzugeben.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG kann das Finanzamt von jedem an einem Erbfall Beteiligten die Abgabe einer Erklärung ohne Rücksicht darauf verlangen, ob er selbst steuerpflichtig ist. Für den am Erbfall Beteiligten entsteht die Verpflichtung zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung, wenn das Finanzamt ihn zur Abgabe einer Erklärung auffordert.