Zum Ansatz der Marktrendite bei Einkünften aus Kapitalvermögen

Die Marktrendite gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2  1. Halbsatz EStG a.F. ist nicht anzusetzen, wenn der sicher zugesagte Zinsertrag einer Inhaberschuldverschreibung zweifelsfrei von der ungewissen Höhe des Rückzahlungsbetrags getrennt werden kann.

Kosten des Erwerbs einer Kaufoption (Call) führen zu Werbungskosten beim Verkauf der durch Ausübung des Calls erworbenen Inhaberschuldverschreibung i.S. von § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG.

BFH Urteil vom 20.8.2013, IX R 38/11

 Begründung:

Der streitige Verlust aus der Veräußerung der ISV II führt nicht zu negativen Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG (Marktrendite).

 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung nur dann als negativer Kapitalertrag in Gestalt der Marktrendite anzusetzen, wenn die fraglichen Schuldverschreibungen nach der Art ihrer Gestaltung eine typische Verbindung von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals aufweisen, nicht aber wenn Kapitalnutzungsentgelt und Wertentwicklung des Kapitals rechnerisch eindeutig abgrenzbar und bestimmbar sind. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 2001 auf Vertragsgestaltungen reagiert, die auf eine Kombination von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals gerichtet waren, um statt steuerpflichtiger Zinserträge steuerfreie private Veräußerungsgewinne zu erzielen. Er hat damit indes die grundsätzlich im System des Einkommensteuergesetzes hinsichtlich der Überschusseinkünfte angelegte Differenzierung zwischen Quellenausnutzung und Quellenverwertung nicht aufgegeben.

Bei den vorliegend zu beurteilenden ISV II geht es angesichts der festen Verzinsung in Höhe von 1 % nicht darum, Nutzungsentgelt und Kursentwicklung untrennbar zu verbinden, so dass auf die Marktrendite abzustellen wäre. Der streitige Veräußerungsverlust ist vielmehr ein negativer Erlös, bei dem feststeht, dass es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht um ein negatives Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung handelt.

ISV II haben eine Emissionsrendite, d.h. eine vom Emittenten bei der Begebung einer Anleihe als von vornherein zugesagte Rendite, die bis zur Einlösung eines Papiers bzw. der Endfälligkeit einer Kapitalforderung mit Sicherheit mindestens erzielt werden kann. Inwieweit die zugesagte Mindestrendite dem Kapitalmarkt im Zeitpunkt der Emission entspricht, ist insoweit unerheblich. Vor diesem Hintergrund geht auch der Vortrag der Kläger in der Klageschrift, es sei nicht marktgerecht zu unterstellen, dass ein Kupon von 1 % p.a. die gesamte zugesagte Rendite eines Papiers sein solle, ins Leere.

 Es kommt dann auch nicht darauf an, ob der Kläger hinsichtlich etwaiger Einkünfte aus Kapitalvermögen mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat. Zutreffend hat das FG einen Veräußerungsverlust i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angenommen. Auch dessen Höhe ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG liegen vor. Die ISV II wurden innerhalb der Jahresfrist angeschafft und veräußert. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist nicht zu prüfen (vgl. die ständige Rechtsprechung,

 Der Höhe nach bestimmt sich der Veräußerungsverlust gemäß § 23 Abs. 3 EStG als Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- und Werbungskosten andererseits. Die Differenz zwischen den Anschaffungskosten für die Calls II von 27.128.286 EUR zuzüglich des Basispreises von 3.660.000 EUR einerseits und dem Veräußerungspreis von 4.827.317 EUR andererseits beträgt 25.960.969 EUR. Geltend gemacht wurden lediglich 25.903.176 EUR. Insoweit ist das Urteil des FG im Hinblick auf § 96 Abs. 2 FGO nicht zu beanstanden.