Ablaufhemmung bei Antrag auf unbefristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung

Ist ein Antrag auf (befristetes) Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung ursächlich für das Hinausschieben des Prüfungsbeginns, entfällt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO nur, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung beginnt.

Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn der Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns keine zeitlichen Vorgaben enthält. Ist die Finanzbehörde faktisch daran gehindert, den Prüfungsfall bereits im Zeitpunkt der Antragstellung neu in die Prüfungspläne aufzunehmen, endet die Festsetzungsfrist erst zwei Jahre nach Wegfall des Hinderungsgrundes.

BFH Urteil vom 1.2.2012, I R 18/11

Begründung:

Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern (Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen), auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO u.a. nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide (Feststellungsbescheide) unanfechtbar geworden sind.

Soweit § 171 Abs. 4 Satz 1 AO in seiner 2. Alternative dem Antrag des Steuerpflichtigen auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung (vgl. § 197 Abs. 2 AO) die gleiche Rechtsfolge (Hemmung des Ablaufs der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist) wie dem Beginn der Außenprüfung zuordnet, gilt dies nur, soweit ein entsprechender Antrag auch ursächlich für das Hinausschieben des Prüfungsbeginns. Dabei ist ohne Bedeutung, ob der Steuerpflichtige gewichtige Gründe für die Verlegung glaubhaft gemacht hat.

Hinsichtlich der erforderlichen Kausalität eines Antrags nach § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative AO ist auf den Tag des Antragseingangs abzustellen, welcher der maßgebliche Zeitpunkt für den Eintritt der Ablaufhemmung ist. Da es für den Eintritt der Ablaufhemmung nicht darauf ankommt, ob bzw. inwieweit zu einem dem Tag der Antragstellung nachfolgenden Zeitpunkt in der Sphäre der Finanzverwaltung liegende Gründe nunmehr gleichfalls ursächlich für das Hinausschieben des Beginns einer Außenprüfung sein könnten, ist es ohne Belang, ob ein Antrag auf Prüfungsaufschub befristet oder unbefristet gestellt wird. Entscheidend ist allein, ob bereits im Zeitpunkt der Antragstellung Gründe für den Prüfungsaufschub gegeben sind, die in der Sphäre der Finanzverwaltung liegen und den Eintritt der Ablaufhemmung ausschließen.

Wird der Beginn der Außenprüfung nicht maßgeblich aufgrund des Antrags des Steuerpflichtigen, sondern aufgrund der eigenen Belange der Finanzbehörde bzw. aus innerhalb deren Sphäre liegenden Gründen hinausgeschoben, so läuft die Frist ungeachtet des Antrags ab.

Nach Eingang eines Antrags des Steuerpflichtigen, der zum Eintritt der Ablaufhemmung i.S. von § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative AO führt, verbleibt der Finanzbehörde allerdings nach Auffassung des IV. Senats des BFH (im Urteil in BFHE 229, 20, BStBl II 2011, 7) nicht unbegrenzte Zeit, mit der Außenprüfung zu beginnen. Dies lasse sich einem allgemeinen Rechtsgedanken entnehmen, der in § 171 Abs. 8 Satz 2 AO und auch in § 171 Abs. 10 AO Ausdruck finde. Beide Vorschriften räumten der Finanzbehörde in den Fällen des Wegfalls eines außerhalb ihrer Sphäre eingetretenen Hindernisses eine Zweijahresfrist für ein weiteres Tätigwerden ein. Ab diesem Zeitpunkt könne und dürfe die Finanzbehörde wieder selbst die Initiative zur Bearbeitung des Falles ergreifen und dementsprechend sei die Behörde auch im Hinblick auf § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative AO gehalten, mit der Prüfung vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns zu beginnen, wolle sie den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern.

Dies gilt jedenfalls, wenn ein befristeter Aufschub des Prüfungsbeginns beantragt worden ist. In diesem Fall kommt es nicht in Betracht, die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) erst nach Ablauf von zwei Jahren seit Ablauf der beantragten Aufschubfrist enden zu lassen. Denn die Finanzbehörde hat bei einem zeitlich befristeten Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns die Möglichkeit, auf die zeitliche Dauer ihrer Untätigkeit Einfluss zu nehmen. Sie kann bereits bei Eingang des Antrags dafür Sorge tragen, dass die erforderliche (neue) Integration des Prüfungsfalles in die Prüfungspläne erfolgen kann. Der Zeitraum von zwei Jahren ab Antragseingang erscheint hierfür ausreichend bemessen.

Anders kann es sich indessen verhalten, wenn der Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns keine zeitlichen Vorgaben enthält (so im Ergebnis Nr. 3 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu § 171 AO i.d.F. des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 21. Dezember 2010, BStBl I 2011, 2). In diesem Fall kann die Finanzbehörde faktisch daran gehindert sein, den Prüfungsfall bereits im Zeitpunkt der Antragstellung neu in die Prüfungspläne zu integrieren. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn beispielsweise Rechtsbehelfsverfahren betrieben werden und diese Rechtsbehelfsverfahren Prüfungsmaßnahmen betreffen, die mit der gegen den Steuerpflichtigen gerichteten Außenprüfung in hinreichendem sachlichem Zusammenhang stehen. Entsprechend dem Rechtsgedanken, der in § 171 Abs. 8 Satz 2 AO und auch in § 171 Abs. 10 AO seinen Ausdruck gefunden hat, erscheint es in diesem Fall als sachgerecht, die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) enden zu lassen, nachdem der Hinderungsgrund beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis hat.