Kein Lohnsteuer-Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber bei Festsetzungsverjährung des Arbeitnehmers

Kein Lohnsteuer-Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber bei Festsetzungsverjährung der Lohnsteuerschuld gegenüber dem Arbeitnehmer

BFH Beschluss vom 17.3.2016, VI R 3/15

Begründung:

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.

Da die Klägerin unstreitig keine Lohnsteuer auf die den Arbeitnehmern gewährten geldwerten Vorteile (Incentivereisen und -veranstaltungen, Privatanteile bei gemischt veranlassten Veranstaltungen wie Geschäftsführertreffen und Tagungen, Eintrittskarten für VIP-Logen, Belohnungsessen und sonstige Geschenke) einbehalten und abgeführt hat, ist der Haftungstatbestand des § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG hinsichtlich dieser im Dienstverhältnis gründenden Zuwendungen der Klägerin an ihre Arbeitnehmer erfüllt.

Gleichwohl durfte die Klägerin vorliegend nicht für die sich aus der haftungsbegründenden Pflichtverletzung ergebende Lohnsteuer der Arbeitnehmer mit Bescheid vom 27. Dezember 2012 als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen werden.

Wer kraft Gesetzes für eine Steuerschuld haftet, kann zwar durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung). Ein solcher darf nach § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO allerdings nicht mehr ergehen, soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der (steuerlichen) Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann. Bei der Berechnung der steuerlichen Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO ist auf die Steuer abzustellen, für die der Arbeitgeber in Haftung genommen wird, und damit im Streitfall die pflichtwidrig nicht erhobene und abgeführte Lohnsteuer des Jahres 2006.

Werden Lohnsteuer-Anmeldungen entsprechend § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG am zehnten Tag des Folgemonats abgegeben, beginnt hinsichtlich der Lohnsteuer die Festsetzungsfrist für Lohnzuflüsse der Monate Januar bis November mit Ablauf des Zuflussjahres und für Dezember mit Ablauf des Folgejahres. Insoweit deckt sich dann der Beginn der Festsetzungsfrist für die Steuer mit dem Beginn der Festsetzungsfrist für die Haftungsschuld. In diesem Fall gilt –wie grundsätzlich für den Haftungsbescheid (§ 191 Abs. 3 Satz 2 AO)– eine steuerliche Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO).

Durch den Beginn der Lohnsteuer-Außenprüfung beim Haftungsschuldner wird der Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist gegenüber den Arbeitnehmern als Steuerschuldner (bis zur Einführung des § 171 Abs. 15 AO durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz –AmtshilfeRLUmsG–) nicht gehemmt. Die Außenprüfung richtet sich unmittelbar und allein gegen den Arbeitgeber. Nur ihm gegenüber ergeht die Prüfungsanordnung (§§ 196 ff. AO), die neben den tatsächlichen Prüfungshandlungen den sachlichen Umfang der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO bestimmt. Die Lohnsteuer-Außenprüfung erstreckt sich auf die zutreffende Einbehaltung oder Übernahme und die richtige Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber (§ 42f Abs. 1 EStG). Sie dient der Überwachung der dem Arbeitgeber im Rahmen der Lohnbesteuerung gesetzlich auferlegten Pflichten. Werden bei einer solchen Prüfung –ihrer Natur nach zwangsläufig– auch die steuerlichen Verhältnisse der Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer (mit) überprüft, so geschieht dies nur insoweit, als die Entrichtungs-, Einbehaltungs- und Abführungspflicht des Arbeitgebers reicht.

Das Verfahren der Lohnsteuer-Außenprüfung beim Arbeitgeber und das Einkommensteuerveranlagungs- ebenso wie das Lohnsteuernachforderungsverfahren beim Steuerschuldner verfolgen unterschiedliche Ziele und betreffen jeweils andere Steuerrechtsverhältnisse. Ebenso wie das Veranlagungsverfahren hat auch das Lohnsteuer-Nachforderungsverfahren gegenüber dem Arbeitnehmer grundsätzlich von der materiell zutreffenden Steuer auszugehen. So kann der Arbeitnehmer gegen die Nachforderung einwenden, die Steuerschuld bestehe nicht oder nicht in der vom FA angenommenen Höhe. Er kann dazu alle bisher nicht berücksichtigten Ermäßigungsgründe, insbesondere Verluste aus anderen Einkunftsquellen, geltend machen.

 

Demgegenüber erstreckt sich die Lohnsteuer-Außenprüfung nur auf die zutreffende Einbehaltung oder Übernahme und richtige Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber (§ 42f Abs. 1 EStG). Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer entsprechend den Lohnsteuerabzugsmerkmalen und nach den für das Streitjahr gültigen Lohnsteuertabellen zutreffend berechnet, hat er seinen steuerlichen Pflichten genügt und die Lohnsteuer vorschriftsmäßig einbehalten. Umstände, die die individuelle Steuerschuld des einzelnen Arbeitnehmers beeinflussen, hat er unberücksichtigt zu lassen, soweit diese auf der Lohnsteuerkarte oder bei der maschinellen Eingabe der Lohnsteuerabzugsmerkmale nicht erfasst worden sind. Dies gilt sowohl für Umstände, die zu Gunsten, wie für solche, die zu Lasten des Arbeitnehmers wirken. Aus den unterschiedlichen Zielen und verschiedenen Steuerrechtsverhältnissen des Lohnsteueranmeldungs- und Lohnsteuernachforderungsverfahrens folgt, dass die allein das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Finanzamt betreffende Lohnsteuer-Außenprüfung nur die Verjährung der aus diesem Rechtsverhältnis begründeten Haftungsansprüche gegen den Arbeitgeber hemmt, nicht hingegen die Verjährung des individuellen (Lohn)Steueranspruchs gegen den Arbeitnehmer.

Den von der Revision geforderten Gleichlauf der Festsetzungsfristen beim Steuerschuldner und dem Steuerentrichtungspflichtigen kennt die AO erst seit der Einführung des § 171 Abs. 15 AO durch das AmtshilfeRLUmsG. Die Vorschrift ist die rechtsprechungsbrechende Antwort des Gesetzgebers auf die (bis dahin unumstrittene) Rechtslage, dass der Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht durch den Beginn einer Außenprüfung beim Entrichtungspflichtigen gehemmt wird (Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Rz 107). Danach führen nunmehr auch Außenprüfungen beim Arbeitgeber zu einer Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist beim Steuerschuldner. Die Neuregelung geht auf einen Vorschlag des Finanzausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 (BTDrucks 17/11190, 3) zurück. Sie gilt gemäß Art. 97 § 10 Abs. 11 des Einführungsgesetzes zur AO für alle am 30. Juni 2013 noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen.

Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin gemäß § 191 Abs. 5 AO nicht mehr mit Bescheid vom 27. Dezember 2012 für Lohnsteuer des Jahres 2006 als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen werden konnte. Im Streitfall hat die Klägerin die Lohnsteuer-Anmeldungen für das Jahr 2006 –wenn auch ohne die geldwerten Vorteile für die Arbeitnehmer zu erfassen– fristgerecht am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums abgegeben. Die Festsetzungsfrist für die Lohnsteuer begann daher gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO für die Monate Januar bis November 2006 am 31. Dezember 2006 und für den Monat Dezember 2006 am 31. Dezember 2007 zu laufen. Sie endete nach Ablauf von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und damit am 31. Dezember 2010 bzw. 2011.

Übernahme von Bußgeldern durch den Arbeitgeber stellt kein eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers dar

Übernimmt der eine Spedition betreibende Arbeitgeber die Bußgelder, die gegen bei ihm angestellte Fahrer wegen Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten verhängt worden sind, handelt es sich dabei um Arbeitslohn.

Vorteile haben keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Das ist der Fall, wenn sie aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Ein rechtswidriges Tun ist keine beachtliche Grundlage einer solchen betriebsfunktionalen Zielsetzung.

BFH Urteil vom 14.11.2013, VI R 36/12

Begründung:

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal "für" ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind u.a. solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen.

Der erkennende Senat bejaht in ständiger Rechtsprechung ein solches ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse, wenn im Rahmen einer im Wesentlichen den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegenden Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen der Zuwendung zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz überwiegend" eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber –neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers– ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung.

Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; dies gilt insbesondere für die Würdigung der Vorinstanz, dass die Übernahme der Bußgeldzahlungen durch die Klägerin als Arbeitgeberin nicht in deren ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse erfolgte.

Zu solchen notwendigen Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen zählen gegen die Rechtsordnung verstoßende, mit Bußgeldern belegte rechtswidrige Weisungen des Arbeitgebers nicht. Der Senat hält an seiner im Urteil vom 7. Juli 2004 VI R 29/00 (BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367) vertretenen Auffassung, dass die Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Verletzung des Halteverbots im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen kann, nicht weiter fest.

Dementsprechend hat das FG das eigenbetriebliche Interesse der Klägerin zu Recht im Wesentlichen damit verneint, dass es nicht darauf gerichtet sein könne, generell die Fahrer anzuweisen, Lenk- und Ruhezeiten zu überschreiten, so dass dementsprechende Weisungen des Arbeitgebers unbeachtlich seien. Weiter hat es im Rahmen der Gesamtwürdigung zu Recht ebenfalls berücksichtigt, dass es angesichts der gegen einzelne Fahrer verhängten Bußgeldbescheide über rund 2.950 EUR und 3.640 EUR nicht nur gelegentliche und geringfügige Verstöße waren.

 

Verfassungswidrigkeit der pauschalen Lohnsteuerpflicht des Arbeitgebers für Sonderleistungen an Pensionskassen

Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob. § 40 Abs. 3 Satz 1 EStG, insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, als danach der Arbeitgeber auf Sonderzahlungen i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2007 zwangsweise pauschale Lohnsteuer zu zahlen hat, durch die er selbst definitiv belastet wird.

BFH Entscheidung vom 14.11.2013, VI R 50/12

Begründung (BFH):

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -GG-) vereinbar ist, dass der Arbeitgeber für bestimmte Lohneinkünfte seiner Arbeitnehmer zwangsweise pauschale Lohnsteuer zu zahlen hat, durch die er selbst definitiv belastet wird.

Zahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse führen regelmäßig bei den begünstigten Arbeitnehmern zu Arbeitslohn. Dies gilt seit dem Jahressteuergesetz 2007 nicht nur für laufende Zahlungen, sondern auch für Sonderzahlungen, die der Arbeitgeber leisten muss, wenn er eine Versorgungseinrichtung – im Streitfall handelte es sich um die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) – verlässt. Diese sog. Gegenwertzahlungen werden erhoben, weil der aus der Pensionskasse ausscheidende Arbeitgeber künftig keine Umlagezahlungen mehr an die Pensionskasse leistet, diese jedoch die Betriebsrenten fortzuzahlen hat.

Gegenwertzahlungen unterliegen gemäß § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG) einer pauschalen Lohnsteuer von 15 %. Obwohl es sich um Lohneinkünfte der Arbeitnehmer handelt, bestimmt das Gesetz (§ 40b Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 EStG), dass der Arbeitgeber diese Steuer zu erbringen und endgültig zu tragen hat.

Dies verstößt nach Auffassung des BFH gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil damit der Arbeitgeber im Gegensatz zu allen anderen Einkommensteuerpflichtigen verpflichtet wird, die Einkommensteuer für eine andere Person zu tragen. Zwar sieht das EStG auch für andere Fälle eine pauschale Lohnsteuer vor, etwa wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern verbilligt Mahlzeiten gewährt. In allen diesen Fällen hat der Arbeitgeber jedoch die Wahl, ob er die hierauf geschuldete Lohnsteuer – so der Regelfall – vom Arbeitslohn des Arbeitnehmers abzieht und an das Finanzamt abführt oder ob er die (meist günstigere) pauschale Lohnsteuer selbst zahlt.

Der BFH hat sich in seiner Vorlage allerdings nicht der Auffassung des Arbeitgebers angeschlossen, bereits die Qualifizierung dieser Zahlungen als Lohneinkünfte der Arbeitnehmer sei verfassungswidrig. Ebenso wenig hat er die Bedenken des Arbeitgebers geteilt, es sei mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, dass Gegenwertzahlungen steuerpflichtig, Sanierungsgelder dagegen steuerfrei seien. Sanierungsgelder erhebt die VBL von ihren Mitgliedern über die gewöhnlichen Umlagen hinaus zur Deckung eines zusätzlichen Finanzierungsbedarfs, z. B. wegen gestiegener Lebenserwartung der Rentner, für die vor dem 1. Januar 2002 begründeten Anwartschaften und Ansprüche. Die Privilegierung der Gegenwertzahlung gegenüber den Sanierungsgeldern sei – so der BFH – durch hinreichende Gründe gerechtfertigt, weil ohne die Steuerfreiheit der Sanierungsgelder der Systemwechsel der VBL zum sog. Punktemodell gefährdet gewesen, das bisherige Gesamtversorgungssystemen auf Dauer aber nicht mehr finanzierbar gewesen wäre.

 

Zur Vermietung eines häuslichen Arbeitszimmers durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber

Die an sich wohl klärungsbedürftige Frage, welcher Aufteilungsmaßstab bei der Vermietung eines Büroraumes an den Arbeitgeber des Vermieters im Rahmen eines sogenannten "home office" für die auf die mitbenutzten Gemeinschaftsflächen entfallenden Werbungskosten heranzuziehen sei, stellt sich nicht, wenn die Gemeinschaftsflächen nicht tatsächlich mitvermietet worden waren.

BFH Beschluss vom 05.12.2011 – IX B 131/11 BFHNV 2011 S. 415 f

Begründung:

Wenn der BFH bei einer sozialpädagogischen Lebensgemeinschaft die Aufwendungen für Gemeinschaftsräume, die sowohl der eigenen Wohnungsnutzung wie auch der (entgeltlichen) Betreuung der in der Familie integrierten fremden Kinder dienen, nach der Zahl der der Haushaltsgemeinschaft zugehörigen Personen aufteilt und sie –soweit sie auf die betreuten fremden Kinder entfallen– als abziehbare Werbungskosten beurteilt, so beruht dies darauf, dass die Gemeinschaftsräume mitvermietet waren. Davon ist jedoch bei dem hier vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) an seinen Arbeitgeber im Rahmen einer Betriebsvereinbarung (Telearbeit) vermieteten Arbeitszimmer in der Wohnung des Klägers (sog. "home office") nicht auszugehen. Nach der Auslegung des Mietvertrags durch das Finanzgericht waren die Gemeinschaftsflächen nicht mitvermietet worden.

Wenn der Kläger hierzu die Rechtsfrage hervorhebt, welcher Aufteilungsmaßstab bei der Vermietung eines Büroraumes an den Arbeitgeber des Vermieters im Rahmen eines sog. "home office" für die auf die mitbenutzten Gemeinschaftsflächen entfallenden Werbungskosten heranzuziehen sei, so mag diese Frage für sich betrachtet zwar klärungsbedürftig sein, ist im Streitfall aber nicht klärbar. Denn zu einer Aufteilung kommt man nur, wenn die Gemeinschaftsflächen,was hier nicht der Fall war, tatsächlich mitvermietet worden waren. Sind Werbungskosten als Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes), so sind sie durch die Vermietung nur veranlasst, wenn sie im Zusammenhang mit Räumlichkeiten stehen, auf die sich die Vermietungstätigkeit bezieht.

 

Anfechtbarkeit einer dem Arbeitgeber erteilten Anrufungsauskunft

Eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) stellt nicht nur eine Wissenserklärung (unverbindliche Rechtsauskunft) des Betriebsstätten-FA darüber dar, wie im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Sie ist vielmehr feststellender Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO, mit dem sich das FA selbst bindet.

Die Vorschrift des § 42e EStG gibt dem Arbeitgeber nicht nur ein Recht auf förmliche Bescheidung seines Antrags. Sie berechtigt ihn auch, eine ihm erteilte Anrufungsauskunft erforderlichenfalls im Klagewege inhaltlich überprüfen zu lassen.

Leitsätze 1 und 2: Änderung der Rechtsprechung

BFH Urteil  vom 30. April 2009 VI R 54/07

Erläuterung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil mit 30. April 2009 VI R 54/07 seine Rechtsprechung zur Rechtsnatur einer Anrufungsauskunft (§ 42e des Einkommensteuergesetzes – EStG -) geändert. Der Arbeitgeber kann danach eine ihm erteilte Anrufungsauskunft jetzt auch durch das Finanzgericht inhaltlich überprüfen lassen. Eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft stellt nicht nur eine Wissenserklärung des Finanzamts (FA) darüber dar, wie im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Sie ist vielmehr ein feststellender Verwaltungsakt.

In dem vom BFH entschiedenen Streitfall hatte die Klägerin, ein Unternehmen, vom FA Auskunft darüber verlangt, ob ihre Mitarbeiter als Arbeitnehmer oder als Selbständige zu beurteilen seien. Das FA hatte nach Prüfung einschlägiger Unterlagen mehrfach die Auskunft erteilt, es handele sich um selbständig Tätige. Unter Änderung seiner Rechtsauffassung widerrief das FA diese Anrufungsauskunft; die Mitarbeiter seien Arbeitnehmer. Im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des BFH vertraten sowohl das FA als auch die Vorinstanz die Auffassung, gegen den Widerruf sei kein Rechtsbehelf gegeben. Eine gerichtliche Entscheidung in der Sache könne nur im Steuerfestsetzungs- oder im Haftungsverfahren herbeigeführt werden.

Diese Rechtsprechung hat der BFH aufgegeben. Er vertritt nunmehr die Auffassung, die Anrufungsauskunft stelle – ebenso wie die neu geregelte verbindliche Auskunft (Zusage) nach § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung – einen Verwaltungsakt dar, gegen den Einspruch und Klage gegeben sei. § 42e EStG ziele darauf ab, präventiv Konflikte zwischen dem Arbeitgeber und dem FA zu vermeiden und auftretende lohnsteuerliche Fragen, die häufig auch die wirtschaftliche Dispositionen des Arbeitgebers berühren, in einem besonderen Verfahren zeitnah einer Klärung zuzuführen. Es sei mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens nicht vereinbar, dem vom Fiskus in die Pflicht genommenen Arbeitgeber, der mit einer Anrufungsauskunft nicht einverstanden sei, anheim zu stellen, die Lohnsteuer zunächst (ggf. rechtswidrig) einzuhalten und abzuführen, Rechtsschutz jedoch erst durch Anfechtung der Lohnsteuer- bzw. Haftungsbescheide zu gewähren.

Anerkennung von Mietverträgen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber

Mietet der Arbeitgeber einen Raum als Außendienstmitarbeiterbüro von seinem Arbeitnehmer an, sind die Mietzahlungen dann nicht dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen, wenn der Arbeitgeber gleichlautende Mietverträge auch mit fremden Dritten abschließt und die Anmietung des Raumes im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgt.

Dieses ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer über keinen weiteren Arbeitsplatz in einer Betriebsstätte des Arbeitgebers verfügt.

(BFH Urteil vom 19.10.2001, VI R 131/00 DStRE 2002 S. 11, DStR 2001, 2196ff

Der Bundesfinanzhof führt in seiner Urteilsentscheidung weiter aus, dass im Streitfall die an den Arbeitnehmer gezahlten Mieten nicht in Arbeitslohn umzuqualifizieren sind. Die Mietzahlungen erfolgten allein aufgrund der bestehenden Mietverträge. Ein auch nur mittelbarer Zusammenhang mit den jeweiligen Arbeitsverhältnissen bestand nicht da der Arbeitgeber über vergleichbare Räume gleichlautende Mietverträge auch mit fremden, den Arbeitnehmern nicht nahestehenden dritten Personen abgeschlossen hatte.

In dem Abschluss der Mietverträge zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer liegt kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO vor . Der Arbeitgeber hat diese Räume auch von dem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb angemietet, um diesen für die Ausübung ihrer Tätigkeit einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen zu können, da dieser sonst keinen hat..

Die zur Verfügungstellung eines geeigneten Arbeitsplatzes fällt in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers.

Darin unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von den Fällen, in denen der Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer einen Raum anmietet, in dem sich das häusliche Arbeitszimmer befindet, und dieses nachfolgend dem Arbeitnehmer, der bereits über einen Arbeitsplatz in einer Betriebsstätte des Arbeitgebers verfügt, zusätzlich zur Verfügung stellt.

Im Streitfall erfolgte die Anmietung der fraglichen Räume zudem erkennbar im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers (vgl. dazu OFD Kiel v. 13. 12. 1999, DStR 2000, 632). Durch den Abschluss von Mietverträgen erhielt der Arbeitgeber die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, welchen Raum als Außendienstmitarbeiterbüro genutzt werden soll. Daneben erhielt der Arbeitgeber das Recht, den fraglichen Raum betreten zu dürfen. Entsprechende Befugnisse hätten dem Arbeitgeber nicht zugestanden, wenn mit dem Arbeitnehmern kein Mietvertrag abgeschlossen worden wäre.

Anmerkungen:

Diese Entscheidung bildet die Abgrenzung zu den bisher gesprochenen negativen Urteilen des Bundesfinanzhofs.

Ein Mietvertrag zwischen Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber wird anerkannt wenn

· ein Mietvertrag zwischen AG und AN vorliegt und keine Koppelung an den Arbeitsvertrag,

· der AN sonst keinen Arbeitsplatz hat,

· der AG auch mit Fremden solche Mietverträge schließt,

· der AG die Räume aussuchen kann und

· ein Zutrittsrecht zu den Räumen hat.

Vorbeugung berufsbedingter Gesundheitsbeeinträchtigungen

Beugt eine Maßnahme des Arbeitgebers eine spezifisch berufliche Beeinträchtigung der Gesundheit des Arbeitnehmers vor und er wirkt ihr entgegen, kann der dem Arbeitnehmer aus der Maßnahme erwachsenen Vorteile in Einzelfall nicht als Arbeitslohn zu erfassen sein.

( BFH Urteil vom 30.05.2001. VI R 177/99, DStRE 2001, Seite 1076 ff.).

Die höchstrichterliche Entscheidung beendet eine Rechtsunsicherheit über die Leistungen des Arbeitgebers für gesundheitliche Maßnahmen an seine Arbeitnehmer. Allgemein gilt dass Maßnahmen die die Gesundheit der Arbeitnehmer erhalten im überwiegend betrieblichen Interesse des Arbeitgebers erbracht werden und daher kein Arbeitslohn darstellen können.

Geldwerter Vorteil bei Überlassung von Wertpapieren

Überlässt der Arbeitgeber Wertpapiere an seine Arbeitnehmer gegen einen fest und unabänderlich bezifferten Preisnachlass, so bemisst sich der geldwerte Vorteil nach diesem im Überlassungsangebot bezifferten Preisnachlass. § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG findet in diesem Fall keine Anwendung.

Der § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG greift nach dem Regelungszweck nur dann ein, wenn der aus der verbilligten oder unentgeltlichen Überlassung von Wertpapieren dem Arbeitnehmer erwachsende geldwerte Vorteile zwischen dem Tag des Überlassungsbeschlusses und dem Tag der Überlassung an den Arbeitnehmer Veränderungen unterliegt.

Die Voraussetzung für die Anwendung des § 19 a Abs. 8 EStG ist dann gegeben, wenn dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Überlassungsbeschlusses der dem Arbeitnehmer aus der verbilligten oder unentgeltlichen Überlassung von Wertpapieren der tatsächliche Vorteil im Zeitpunkt der Überlassung noch nicht bekannt ist. In diesem Fall ist auf den Kurswert des Wertpapiers im Zeitpunkt des Überlassungsbeschlusses des Arbeitgebers abzustellen ist.

Gibt der Arbeitgeber in seinem an den Arbeitnehmer gerichteten Überlassungsangebot einen festen Betrag an, zu dem der Arbeitnehmer das Wertpapier verbilligt erwerben kann, so wird der geldwerte Vorteil entsprechend dem Überlassungsangebot bezifferten Preisvorteil bewertet.

(BFH Urteil vom 4. April 2001-VI R 96/00 BFHNV 2001 S.1639).

Insbesondere bei der Bewertung von Wertpapieren an Arbeitnehmer greift die Finanzverwaltung gerne auf die Vorschrift des § 19 a Abs.8 Satz 2 EStG zurück, da diese auf den Kurs im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Gesellschaft und nicht auf den tatsächlichen Börsenkursus abstellt. Wenn man nunmehr bedenkt, dass viele Firmen mit Ihren Kursen an der Börse eingebrochen sind ist das Verhalten der Finanzverwaltung verständlich.