Feststellung der Vermietung und Verpachtungsabsicht

Die wegen fehlender Anknüpfungstatsachen bestehende Ungewissheit hinsichtlich der behaupteten Vermietungsabsicht ist nicht i.S. von § 171 Abs. 8 AO beseitigt, solange eine zukünftige Vermietung nicht ausgeschlossen ist und der Steuerpflichtige Maßnahmen ergreift, die darauf gerichtet sind, die Vermietung zu ermöglichen oder zu fördern.

Das FA ist bei ungewisser Vermietungsabsicht zur Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO auch dann befugt, wenn sich eine neue Tatsachenlage allein durch Zeitablauf ergeben hat. Kommt es über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren nicht zu der angeblich beabsichtigten Vermietung, ist es regelmäßig nicht zu beanstanden, wenn die Vermietungsabsicht verneint wird.

BFH Urteil vom 16.6.2015, IX R 27/14

 

“Teilweise” Aufgabe der Vermietungsabsicht bei langjährigem Leerstand einer Wohnung

Aufwendungen für eine Wohnung, die nach vorheriger, auf Dauer angelegter Vermietung leersteht, sind auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. Diese Grundsätze sind auch auf den Leerstand einzelner Räume innerhalb einer Wohnung, die vom Steuerpflichtigen im Übrigen anderweitig genutzt wird, anzuwenden.

Aufwendungen für eine leerstehende Wohnung sind nicht (mehr) in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, wenn der Steuerpflichtige den Entschluss zu vermieten hinsichtlich einzelner Teile der Wohnung aufgegeben hat. Von einer ("teilweisen") Aufgabe der Vermietungsabsicht ist auch dann auszugehen, wenn der Steuerpflichtige einzelne Räume der Wohnung nicht mehr zur Vermietung bereithält, sondern in einen neuen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stellt, selbst wenn es sich dabei um einen steuerrechtlich bedeutsamen Zusammenhang handelt.

BFH Urteil vom 12.6.2013, IX R 38/12

Begründung:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der beabsichtigten Vermietung eines (leerstehenden) Wohngrundstücks an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht aufgegeben hat.

Danach sind Aufwendungen für eine Wohnung, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter) Vermietung leersteht, auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. Die Einzelfallumstände, aus denen sich ein fortbestehender Vermietungswille ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen, für die der Steuerpflichtige die Feststellungslast trägt und deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem FG als Tatsacheninstanz obliegt.

Diese Grundsätze sind auch auf den Leerstand einzelner Räume innerhalb einer Wohnung, die vom Steuerpflichtigen im Übrigen anderweitig genutzt wird, anzuwenden; denn Objekt der Vermietung i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nicht zwingend eine (abgeschlossene) Wohnung; es kann sich auch um einen bestimmten Teil eines Grundstücks oder Gebäudes, einzelne (auch möblierte) Zimmer oder Räumlichkeiten handeln. Weder die fehlende räumliche Trennung zum anderweitigen Nutzungsbereich des Steuerpflichtigen noch die fehlende Abgeschlossenheit der zur Vermietung vorgesehenen Räume noch die Selbstnutzungsmöglichkeit steht in diesen Fällen der Annahme einer Einkünfteerzielungsabsicht entgegen.

Andererseits sind Aufwendungen für eine leerstehende Wohnung dann nicht (mehr) in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, wenn der Steuerpflichtige den Entschluss zu vermieten hinsichtlich einzelner Teile der Wohnung aufgegeben hat. Von einer ("teilweisen") Aufgabe der Vermietungsabsicht ist auch dann auszugehen, wenn der Steuerpflichtige einzelne Räume der Wohnung nicht mehr zur Vermietung bereithält, sondern anderweitig nutzt und damit in einen neuen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stellt, selbst wenn es sich dabei um einen steuerrechtlich bedeutsamen Zusammenhang handelt.

Nach diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen der Kläger für die leerstehende, vormals dauerhaft vermietete Obergeschosswohnung während der Zeit des Leerstands allenfalls zum Teil als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Zu Unrecht hat das FG die vorübergehende (anteilige) Nutzung der Wohnung für die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin als unerheblich angesehen; das angefochtene Urteil kann aus diesem Grund keinen Bestand haben. Im Streitfall ist vielmehr davon auszugehen, dass die Klägerin mit der Einrichtung eines Raumes innerhalb der Obergeschosswohnung für ihren Gewerbebetrieb einen anderweitigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang begründet hat und die Kläger jedenfalls insoweit ihre Absicht, durch Vermietung der gesamten Wohnung Einkünfte zu erzielen, aufgegeben haben.