BFH erweitert Aufteilung von Aufwendungen für gemischt veranlasste Reisen

Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Reisen können grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind.

Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen.

BFH Beschluss vom 21.09.09  GrS 1/06

Erläuterungen

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06 seine Rechtsprechung zur Beurteilung gemischt (beruflich und privat) veranlasster Aufwendungen geändert und deshalb Aufwendungen für gemischt veranlasste Reisen in größerem Umfang als bisher zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zugelassen.

Im Streitfall hatte der Kläger, der im Bereich der Informationstechnologie beschäftigt und anschließend als "EDV-Controller" tätig war, eine Computer-Messe in Las Vegas besucht. Finanzamt (FA) und Finanzgericht (FG) waren der Auffassung, von den sieben Tagen des USA-Aufenthalts seien nur vier Tage einem eindeutigen beruflichen Anlass zuzuordnen. Deshalb seien nur die Kongressgebühren, Kosten für vier Übernachtungen und Verpflegungsmehraufwendungen für fünf Tage zu berücksichtigen. Das FG erkannte darüber hinaus auch die Kosten des Hin- und Rückflugs zu 4/7 als Werbungskosten an. Dagegen wandte sich das FA mit der Revision und machte geltend, die Aufteilung der Flugkosten weiche von der ständigen Rechtsprechung des BFH ab.

Der für diese Revision (Az. VI R 94/01) zuständige VI. Senat des BFH rief den Großen Senat des BFH an mit dem Ziel, das angefochtene Urteil des FG hinsichtlich der Aufteilung der Flugkosten zu bestätigen.

Der Große Senat ist der Auffassung des vorlegenden Senats gefolgt: Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Reisen können grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile fest stehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen.

Ein Abzug der Aufwendungen kommt nach der Entscheidung des Großen Senats nur dann insgesamt nicht in Betracht, wenn die – für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden – beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z. B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation für eine Reise) so ineinandergreifen, dass eine Trennung nicht möglich ist, wenn es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung fehlt.

Damit hat der Große Senat die bisherige Rechtsprechung aufgegeben, die der Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Aufwendungen entnommen hatte. Ein solches Aufteilungs- und Abzugsverbot, das die Rechtsprechung in der Vergangenheit ohnehin in zahlreichen Fällen durchbrochen hatte, lässt sich nach Auffassung des Großen Senats dem Gesetz nicht entnehmen. Dies kann Auswirkungen auch auf die Beurteilung anderer gemischt veranlasster Aufwendungen haben.

Von der Änderung der Rechtsprechung sind allerdings solche unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung nicht betroffen, die durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums pauschal abgegolten oder als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind (z. B. Aufwendungen für bürgerliche Kleidung oder für eine Brille).

Aufteilung von Sachzuwendungen bei gemischt veranlasster Betriebsveranstaltungen

Sachzuwendungen an Arbeitnehmer anlässlich einer Veranstaltung, die sowohl Elemente einer Betriebsveranstaltung als auch einer sonstigen betrieblichen Veranstaltung enthält, sind grundsätzlich aufzuteilen.

Die Aufwendungen des Arbeitgebers für die Durchführung der gemischt veranlassten Gesamtveranstaltung sind nur dann kein Arbeitslohn, wenn die dem Betriebsveranstaltungsteil zuzurechnenden anteiligen Kosten die für die Zuordnung bei Betriebsveranstaltungen maßgebliche Freigrenze nicht überschreiten.

BFH Urteil vom 30. April 2009 VI R 55/07

Begründung:

Das Gericht hat zwar zu Recht entschieden, dass bei einer gemischt veranlassten Betriebsveranstaltung eine Aufteilung von Sachzuwendungen an Arbeitnehmer in Arbeitslohn und Zuwendungen im betrieblichen Eigeninteresse möglich und erforderlich ist. Bei der Aufteilung hat es jedoch einen nicht sachgerechten Aufteilungsmaßstab herangezogen.

Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. Zweck der Vorschrift ist es, für solche Betriebsveranstaltungen, die nach der Rechtsprechung des Senats zum Zufluss von Arbeitslohn führen, die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung zu eröffnen.

Nach ständiger Rechtsprechung können auch Aufwendungen des Arbeitgebers aus Anlass von Betriebsveranstaltungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen. Betriebsveranstaltungen sind Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offensteht. Das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung solcher Veranstaltungen ist in der Förderung des Kontakts der Arbeitnehmer und in der Verbesserung des Betriebsklimas zu sehen.

Insbesondere zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung hat der BFH jedoch typisierend festgelegt, ab wann den teilnehmenden Arbeitnehmern geldwerte Vorteile von solchem Eigengewicht zugewendet werden, dass von einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers nicht mehr ausgegangen werden kann. Danach sind bei Überschreiten einer Freigrenze 110 € die Zuwendungen des Arbeitgebers in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren.

Eine Betriebsveranstaltung in diesem Sinn kann Elemente einer sonstigen betrieblichen Veranstaltung, die nicht oder nicht insgesamt zur Lohnzuwendung führt, enthalten. Die Gesamtveranstaltung ist dann als gemischt veranlasst zu qualifizieren mit der Folge, dass die Sachzuwendungen an die Arbeitnehmer aufzuteilen sind.

Die gebotene Aufteilung der Sachzuwendungen war vorzunehmen. Danach sind für die Aufteilung zunächst die Kostenbestandteile zu trennen, die sich leicht und eindeutig dem betriebsfunktionalen Bereich und dem Bereich, dessen Zuwendung sich als geldwerter Vorteil darstellt, zuordnen lassen. Die Kosten rein betriebsfunktionaler Bestandteile kommen von vornherein nicht als Arbeitslohn in Betracht. Auf der anderen Seite sind die Kosten solcher Bestandteile vollumfänglich als Arbeitslohn zu erfassen, die sich –isoliert betrachtet– als geldwerter Vorteil erweisen. Hierzu gehören u.a. die Kosten für gemeinsame Feiern und Unterhaltung. Bei den Kosten, die sich den genannten Kosten nicht zuordnen lassen und die deshalb im Wege sachgerechter Schätzung aufzuteilen sind, handelt es sich insbesondere um die Kosten für die Beförderung, Unterbringung und Verpflegung. Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab ist dabei grundsätzlich das Verhältnis der Zeitanteile heranzuziehen, in dem die Veranstaltungs-Bestandteile mit Vorteilscharakter zu den aus betriebsfunktionalen Gründen durchgeführten Bestandteilen stehen.

Nach den Grundsätzen  sind zur Ermittlung eines sachgerechten Aufteilungsmaßstabs (nur) die Veranstaltungsteile mit Vorteilscharakter zu den aus betriebsfunktionalen Gründen durchgeführten Veranstaltungsteilen in ein Verhältnis zu setzen. Die Zeitanteile für die Beförderung zu und von der Gesamtveranstaltung bleiben dabei außer Betracht. Im Streitfall betrug danach die aufteilbare Zeit 12,5 Stunden und nicht, wie vom FG angenommen, 15,5 Stunden. Nach den Feststellungen des FG entfielen davon 5,5 Stunden auf Veranstaltungsteile mit rein betriebsfunktionaler Zielsetzung. Daraus folgt eine Aufteilung der Kosten für den Bustransfer und die Schiffstour von 56 % zu 44 %, d.h. 56 % sind als Arbeitslohn zu erfassen und 44 % führen nicht zu Arbeitslohn.