Behinderungsbedingter Mehrbedarf eines volljährigen behinderten Kindes

Das Entstehen des behinderungsbedingten Mehrbedarfs eines volljährigen behinderten Kindes ist dem Grunde und der Höhe nach substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen. Steht ein behinderungsbedingter Mehrbedarf dem Grunde nach zur Überzeugung des Gerichts fest, ist er bei fehlendem Nachweis der Höhe nach zu schätzen (Bestätigung der BFH-Urteile vom 9. Februar 2012 III R 53/10, BFHE 236, 417; vom 24. August 2004 VIII R 50/03, BFHE 207, 250, BStBl II 2010, 1052; VIII R 90/03, BFH/NV 2005, 332).

Werden mit einer Behinderung im Zusammenhang stehende Kosten im Wege der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB XII durch einen Sozialleistungsträger übernommen, ist die gewährte Eingliederungshilfe einerseits als Leistung eines Dritten bei den zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln und andererseits als im Einzelnen nachgewiesener behinderungsbedingter Mehrbedarf zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 12.12.2012, VI R 101/10

 

Abzug behinderungsbedingter Aufwendungen

Ein Steuerpflichtiger, der hilflos i.S. von § 33b Abs. 6 EStG ist, kann nicht die tatsächlichen ("speziellen") behinderungsbedingten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG abziehen und daneben noch den Pauschbetrag nach § 33b Abs. 2 Satz 2 EStG i.H. von 1.420 EUR wegen seiner 100%-igen Erwerbsminderung für "allgemeine" behinderungsbedingte Aufwendungen beanspruchen. Der Pauschbetrag des § 33b EStG ist nicht in verschiedene, nach dem Grad der Behinderung gestaffelte "allgemeine" und "spezielle" Pauschbeträge zu unterteilen.

BFH Beschluss 13.07.2011 – VI B 20/11 BFHNV 2011 S. 1863

Begründung:

Nach § 33b Abs. 1 EStG kann ein Behinderter wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihm unmittelbar infolge seiner Behinderung erwachsen, "an Stelle einer Steuerermäßigung nach § 33" einen Pauschbetrag geltend machen. Der insoweit klare Gesetzeswortlaut schließt nach Auffassung des erkennenden Senats aus, dass der Behindertenpauschbetrag nach § 33b EStG und außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG nebeneinander geltend gemacht werden können. Dies entspricht auch dem Sinngehalt des Gesetzes, denn die in § 33b EStG bezeichneten und unterstellten Aufwendungen werden nur in pauschalierter Form zum Abzug zugelassen. § 33b EStG soll als Vereinfachungsregelung laufende und typische, unmittelbar mit der Behinderung zusammenhängende Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Einzelnachweis abgelten. Der Ansatz des Pauschbetrages bedeutet eine Erleichterung für den Steuerpflichtigen, der die entsprechenden Aufwendungen nicht nachzuweisen braucht.

Dem Gesetz lässt sich –entgegen dem Vorbringen des Klägers– nicht entnehmen, dass der Behindertenpauschbetrag des § 33b EStG in verschiedene, nach dem Grad der Behinderung gestaffelte "allgemeine" und "spezielle" Pauschbeträge zu unterteilen ist. Es handelt sich nach dem Wortlaut um einen einheitlichen Pauschbetrag, der allerdings nach dem Grad der Behinderung gestaffelt wird. Nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG erhöht sich (lediglich) der Pauschbetrag nach Satz 2. Würde man, wie vom Kläger sinngemäß vorgetragen, zwischen Pauschbeträgen nach Satz 2 und Satz 3 in § 33b EStG unterscheiden, müsste man dies konsequenterweise auch bei den Aufwendungen nach § 33 Abs. 1 EStG tun. Wenn der allgemeine behinderungsbedingte Bedarf beispielsweise über den Pauschbetrag in § 33b Abs. 3 Satz 2 EStG typisierend berücksichtigt würde, könnte nur noch der spezielle behinderungsbedingte Bedarf tatsächlich über § 33 Abs. 1 EStG geltend gemacht werden. Angewandt auf den Streitfall müsste sich der Kläger insoweit bei seinen tatsächlichen Aufwendungen diejenigen kürzen lassen, die auf eine "allgemeine" Behinderung zurückzuführen sind. Dieses Beispiel allein zeigt, dass ein "künstliches" Aufsplitten des Behindertenpauschbetrages in § 33b EStG dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen würde. Wie das FG zutreffend betont, wird eine Trennung zwischen den Leistungen, die nach § 33b Abs. 3 Satz 2 bzw. Satz 3 EStG abgegolten sind, praktisch kaum möglich sein. Der Zweck eines Pauschbetrages, einen Einzelnachweis überflüssig zu machen, gebietet ebenfalls keine Differenzierung. Das FG hat daher zu Recht entschieden, dass das Wahlrecht des § 33b Abs. 1 EStG den Pauschbetrag insgesamt betrifft.