Korrektur aufgrund der neuen Erkenntnisse aus einem Benennungsverlangen

Weder ein Benennungsverlangen i.S. des § 160 AO noch die (fehlende) Antwort hierauf begründet die Tatbestandsvoraussetzungen einer selbständigen Änderungsvorschrift.

Nur wenn aufgrund des Benennungsverlangens nachträglich neue Tatsachen i.S. von § 173 AO bekannt werden, ist die Änderung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach dieser Vorschrift möglich.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.3.2016, X R 9/13

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und ihr Ehemann (E) wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. E erzielte gewerbliche Einkünfte aus dem An- und Verkauf von Schrott und Altmetall.

Im Rahmen der für das Streitjahr und die Folgejahre 2007 bis 2009 durchgeführten Außenprüfung verlangte der Prüfer die Benennung der Zahlungsempfänger, bei denen E Schrott eingekauft hatte. Diesem Benennungsverlangen kam E nicht nach. Der Prüfer schätzte deshalb 45 % dieses Wareneinkaufs als von steuerpflichtigen Unternehmen bezogen. Die auf diesen Teil des Wareneinkaufs entfallenden Kosten ließ er nicht zum Betriebsausgabenabzug zu.

Begründung:

Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der Umstand, dass E dem Benennungsverlangen des FA nicht nachgekommen ist, keine Änderung der Steuerfestsetzung des Jahres 2006 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ermöglicht (unten 1.). Eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO könnte indes in Betracht kommen, wenn dem FA das Fehlen eines ordnungsgemäß geführten Wareneingangs erst nachträglich bekannt geworden wäre (unten 2.). Mangels entsprechender Feststellungen des FG ist die Sache zurückzuverweisen.

Voraussetzung für die Änderungsmöglichkeit ist eine nachträglich bekannt gewordene, nicht dagegen eine nachträglich entstandene Tatsache. Eine erst nachträglich entstandene Tatsache ist das Benennungsverlangen des FA –wie das FG zu Recht entschieden hat–. Denn das FA hat die Benennung der Empfänger erst zu einem Zeitpunkt vom Kläger verlangt, als die Bescheide des Jahres 2006 bereits bestandskräftig gewesen sind. Auch die Verweigerung der Auskunft auf ein solches Benennungsverlangen geschieht erst nach Erlass des zu ändernden Bescheides und kann für sich genommen schon deshalb keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 AO darstellen. Die Tatsache, dass der Wareneingang nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden ist, muss nachträglich bekannt geworden sein.

Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie das FA im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens für den Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte  Maßgebend hierfür ist die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle. Bekannt ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist.

Im vorliegenden Fall ist es mangels geeigneter Feststellungen des FG dem Senat nicht möglich zu beurteilen, ob der Veranlagungssachbearbeiter, der an Amtsstelle für die Klägerin und E die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Streitjahres ermittelte, die fehlende Ordnungsmäßigkeit des aufgezeichneten Wareneingangs kannte. Folglich wird das FG im zweiten Rechtszug feststellen müssen, ob bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb an Amtsstelle im Streitjahr bekannt war, dass der Wareneingang von E nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden war. Soweit die Klägerin behauptet, ihr Ehemann habe dies dem FA mitgeteilt, hat sie substantiiert vorzutragen, wann und wie er welchen Veranlagungssachbearbeiter darüber informiert hatte. Zu beachten ist insoweit, dass die Klägerin bereits mehrere Sachbearbeiter in ihrem Schriftsatz vom 4. Oktober 2011 benannt hat.

Allein aus dem Umstand, dass E zum Zwecke der Gewinnermittlung (nur) die Umsatzsteuerhefte im FA vorgelegt hatte, lässt sich jedenfalls noch nicht schließen, dass das FA die unzureichende Erfüllung der Aufzeichnungspflichten kannte. Auch wenn diese Hefte trotz der darin enthaltenen Angaben zu Ausgaben und damit zum Wareneinkauf noch nicht den Vorgaben des § 143 AO entsprechen, bedeutet das nicht, dass E die nach § 143 AO gebotenen Aufzeichnungen nicht daneben in anderer Form geführt haben könnte und der Veranlagungssachbearbeiter deshalb wusste, dass es daran fehlte.

Begriff des “Empfängers” bei Benennungsverlangen nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO

 Es ist bereits geklärt, dass sich der in § 160 Abs. 1 Satz 1 AO verwendete Begriff "Empfänger" auf denjenigen bezieht, dem der in der Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert vom Steuerpflichtigen übertragen wurde und bei dem er sich demzufolge steuerlich auswirkt.

Bei der Zwischenschaltung einer Person, welche die vereinbarten Leistungen nicht selbst erbringt, ist Empfänger nicht die zwischengeschaltete Person, sondern der hinter ihr stehende Dritte, an den die Gelder letztlich gelangt sind. Hat der von dem Steuerpflichtigen bezeichnete Empfänger die erhaltenen Zahlungen an Schwarzarbeiter des Steuerpflichtigen weitergeleitet, sind diese als Empfänger i.S. von § 160 Abs. 1 Satz 1 AO anzusehen.

Empfänger im Sinne des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO können auch die Angestellten des vom Steuerpflichtigen benannten Subunternehmers sein, wenn der benannte Subunternehmer nicht existiert oder dessen Angestellte Schwarzarbeiter des Steuerpflichtigen sind.

BFH Beschluss vom 11.10.2013 – III/B 50/13

Begründung:

Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, wie der in § 160 AO verwendete Begriff "Empfänger" auszulegen ist und ob damit auch die Angestellten eines Subunternehmers oder immer nur der unmittelbare Vertragspartner des Steuerpflichtigen gemeint ist, ist nicht mehr klärungsbedürftig. Sie ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits hinreichend geklärt.

Gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind u.a. Betriebsausgaben steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Gläubiger oder die Empfänger genau zu benennen.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist Empfänger i.S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO derjenige, dem der in der Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert vom Steuerpflichtigen übertragen wurde. 

Zu Recht ist das FG insoweit davon ausgegangen, dass bei der Zwischenschaltung einer Person, welche die vereinbarten Leistungen nicht selbst erbringt –weil sie die vertraglich ausbedungenen Leistungen entweder mangels eigener wirtschaftlicher Betätigung gar nicht erbringen kann oder weil sie aus anderen Gründen die ihr erteilten Aufträge und die empfangenen Gelder an Dritte weiterleitet–, Empfänger nicht die zwischengeschaltete Person ist, sondern der hinter ihr stehende Dritte, an den die Gelder letztlich gelangt. Hat der von dem Steuerpflichtigen bezeichnete Empfänger die erhaltenen Zahlungen an Schwarzarbeiter des Steuerpflichtigen weitergeleitet, sind diese als Empfänger i.S. von § 160 Abs. 1 Satz 1 AO anzusehen.

Mithin können auch die Angestellten des vom Steuerpflichtigen benannten Subunternehmers Empfänger i.S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sein, wenn das Finanzamt bzw. –wie im Streitfall– das FG zur Überzeugung gelangt, dass z.B. der benannte Subunternehmer gar nicht existiert oder dessen Angestellte Schwarzarbeiter des Steuerpflichtigen sind.