Kindergeldanspruch bei dualer Ausbildung

Setzt sich ein Kind nach dem erfolgreichen Abschluss einer in das Grundstudium an einer Hochschule integrierten Berufsausbildung, die für den seit Beginn des Studiums angestrebten Abschluss zum „Bachelor” notwendig ist, sein parallel zur Ausbildung betriebenes Bachelorstudium planmäßig nahtlos fort, ist auch das Studium bis zum „Bachelor” noch Teil der Erstausbildung des Kindes.

BFH Urteil vom 16.06.2015 – XI R 1/14

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) für seine am …. August 1990 geborene Tochter A im Streitzeitraum (Januar bis März 2012) noch Kindergeld zusteht, obwohl A bereits im Mai 2011 eine Berufsausbildung zur Fachinformatikerin erfolgreich beendet hat.

Begründung:

Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass A im Streitzeitraum Januar bis März 2012 als Kind des Klägers nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen ist, weil sie das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hatte und für einen Beruf ausgebildet wurde.

Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG, der rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist und den das FG seinem Urteil zugrunde gelegt hat, wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.

Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führen soll oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach der systematischen Stellung, dem Zweck der Vorschrift und der Funktion des Familienleistungsausgleichs darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs. Auch im Rahmen der durch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG erfolgten Abgrenzung zwischen der steuerrechtlich zu berücksichtigenden Unterhaltsverantwortung der Eltern für „eine” Ausbildung des Kindes und der Verantwortung des Kindes für die eigene Unterhaltssicherung darf bei mehraktigen Ausbildungen das von den Eltern und dem Kind bestimmte Berufsziel nicht außer Betracht gelassen werden.

Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein. Abzustellen ist dabei darauf, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.