Einlagekonto bei Regiebetrieb

Bei einem als Regiebetrieb geführten Betrieb gewerblicher Art führt ein nach handelsrechtlichen Grundsätzen ermittelter Jahresverlust auch dann unmittelbar zu einem entsprechenden Zugang im Einlagekonto, wenn der Betrieb seinen Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt und soweit der Verlust auf sog. Buchverlusten (z.B. Abschreibungen) beruht.

BFH Urteil vom 11.9.2013, I R 77/11

Begründung:

Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat zwar zu Recht angenommen, dass das steuerliche Einlagekonto des BgA gemäß § 27 Abs. 2 KStG 2002 zum 31. Dezember der Jahre 2002 und 2003 um die Verluste zu erhöhen war, die der BgA in diesen Wirtschaftsjahren erwirtschaftet hatte. Maßgeblich für die Höhe der Zuführungen zum steuerlichen Einlagekonto ist indes nicht das steuerbilanzielle, sondern das nach handelsrechtlichen Grundsätzen ermittelte Jahresergebnis, dessen Höhe sich aus den tatrichterlichen Feststellungen nicht ergibt. Es bedarf deswegen weiterer Sachaufklärung. Hiernach bestimmt sich dann auch, in welchem Umfang die Klägerin für nicht abgeführte Kapitalertragsteuer betreffend die vom FA im Folgejahr 2005 angesetzte vGA als Haftende in Anspruch genommen werden kann.

Unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften haben die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto ist ausgehend von dem Bestand des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben und zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahrs gesondert festzustellen (§ 27 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 KStG 2002). Dieser Bescheid ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt (§ 27 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002).

Die Regelungen in § 27 Abs. 1 bis 6 KStG 2002 gelten gemäß § 27 Abs. 7 KStG 2002 sinngemäß für andere Körperschaften und Personenvereinigungen, die Leistungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 9 und 10 EStG 2002 gewähren können. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG 2002 gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn und vGA eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA i.S. des § 4 KStG 2002 ohne eigene Rechtspersönlichkeit, der den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt oder Umsätze erzielt, die bestimmte Grenzbeträge überschreiten. Die Klägerin unterhielt mit dem Bäderbetrieb einen BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit und ermittelte den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.

Das steuerliche Einlagekonto ist u.a. um die in den Wirtschaftsjahren 2002 und 2003 vom BgA erzielten Verluste zu erhöhen. In den Jahren 2002 und 2003 führte die Klägerin den BgA noch als Regiebetrieb. Regiebetriebe sind rechtlich unselbständige Einheiten der Trägerkörperschaft, die finanzwirtschaftlich nicht Sondervermögen der Gemeinde darstellen. Demgemäß fließen Einnahmen der Regiebetriebe, anders als bei Eigenbetrieben unmittelbar in den Haushalt und Ausgaben werden unmittelbar aus dem Haushalt der Trägerkörperschaft bestritten. Der erkennende Senat hat entschieden, dass aufgrund dieser spezifischen Umstände beim Regiebetrieb ein bilanzieller Verlustvortrag nicht möglich ist, sondern der Verlust im Entstehungsjahr als durch Einlagen der Gemeinde ausgeglichen gilt und deshalb zu einem entsprechenden Zugang im Einlagekonto führt.

Dieser Grundsatz ist auf den Streitfall anwendbar. Er gilt entgegen der Annahme des FA nicht nur für Regiebetriebe, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 2002 ermitteln. Denn die das Senatsurteil tragenden Erwägungen bezüglich der haushaltsrechtlichen Besonderheiten bei Regiebetrieben sind unabhängig von der im Einzelfall gewählten Methode der Gewinnermittlung. Die Frage, ob der in einem Wirtschaftsjahr entstandene Verlust eines BgA für Zwecke der Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos mit Gewinnen des Folgejahrs verrechnet werden kann oder ob er wegen der einheitlichen Vermögenssphäre im Jahr der Entstehung unmittelbar als von der Trägerkörperschaft ausgeglichen zu gelten hat, stellt sich ebenso bei bilanzierenden BgA und ist für diese in gleicher Weise zu beantworten.

Die Zuschreibung der Verluste zum steuerlichen Einlagekonto des Regiebetriebs verstößt entgegen der Sichtweise der Revision nicht gegen § 27 Abs. 1 Satz 4 KStG 2002, wonach als ausschüttbarer Gewinn das in der Steuerbilanz ausgewiesene (um das gezeichnete Kapital geminderte) Eigenkapital abzgl. des Bestands des steuerlichen Einlagekontos gilt. Aus dieser  Regelung kann kein Verbot abgeleitet werden, im Rahmen der "sinngemäßen" Anwendung der Bestimmung auf in Form von Regiebetrieben geführte BgA gemäß § 27 Abs. 7 KStG 2002 einen erwirtschafteten Verlust als unmittelbar durch die Trägerkörperschaft ausgeglichen anzusehen.

Die unterschiedliche Behandlung der Verluste von einerseits Regiebetrieben und andererseits Eigenbetrieben führt weder zu unbilligen noch zu systemwidrigen Ergebnissen. Zwar sind die Verluste der als Eigenbetriebe geführten BgA, die über ein finanzwirtschaftliches Sondervermögen verfügen,wie auch die Verluste von Kapitalgesellschaften, nicht deren steuerlichem Einlagekonto zuzuschreiben. Jedoch dient die Führung des Einlagekontos keinem Selbstzweck, sondern ist Hilfsmittel für die Bemessung der Steuern auf Kapitalerträge; sie soll verhindern, dass Rückzahlungen von Einlagen durch Körperschaften als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert werden.

Dementsprechend bestimmt § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 5 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 EStG 2002, dass die Leistungen eines § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG 2002 unterfallenden BgA nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören, soweit sie aus Ausschüttungen stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto als verwendet gelten.

Verluste wirken sich indes auch bei Kapitalgesellschaften und bei Eigenbetrieben -wenn auch auf andere Weise- schmälernd auf die künftigen Einkünfte der Trägerkörperschaft aus Kapitalvermögen aus: Die Anteilseigner einer GmbH können die Ausschüttung des Jahresgewinns nicht verlangen, wenn handelsrechtlich ein Verlustvortrag besteht; denn nach § 29 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung haben die Gesellschafter einer GmbH Anspruch auf den Jahresüberschuss zzgl. eines Gewinnvortrags abzgl. eines Verlustvortrags. Auf ähnliche Weise können Eigenbetriebe nach den Eigenbetriebsverordnungen der Länder einen Jahresverlust, wenn er nicht von der Trägerkörperschaft ausgeglichen wird, grundsätzlich auf neue Rechnung vortragen (z.B. § 10 Abs. 6 der Eigenbetriebsverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004, Gesetz- und Verordnungsblatt 2004, 644). Da die künftigen Gewinne in diesen Fällen zunächst zur Verlustdeckung zu verwenden sind und den Anteilseignern bzw. der Trägerkörperschaft nicht für Zwecke außerhalb der Gesellschaft bzw. des BgA zur Verfügung stehen, führen sie, soweit sie zum Ausgleich eines handelsrechtlichen Verlustvortrags erforderlich sind, nicht zu Einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG 2002.

Allerdings besteht der Unterschied, dass die Zuschreibung des Verlusts zum steuerlichen Einlagekonto beim Regiebetrieb unmittelbar wirkt, während der Verlustvortrag beim Eigenbetrieb sich erst dann auf die Bemessungsgrundlage der Steuer auf Kapitalerträge auswirkt, wenn der BgA wieder Gewinne erwirtschaftet. Diese unterschiedliche Wirkung ist indes hinzunehmen. Sie ist dem Umstand geschuldet, dass der Regiebetrieb kassenmäßig Teil der Trägerkörperschaft ist und keine separate Vermögensmasse des BgA existiert. Dies wirkt sich nicht nur auf die Behandlung von Verlusten, sondern spiegelbildlich auch auf der Gewinnebene aus: Gewinne eines Regiebetriebs sind bei der Trägerkörperschaft unmittelbar und zeitgleich als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern , während beim Eigenbetrieb Gewinne erst dann zu Einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG 2002 führen, wenn deren Überführung in den allgemeinen Haushalt beschlossen worden ist oder wenn sie ohne einen entsprechenden Beschluss tatsächlich an die Trägerkörperschaft zur allgemeinen Verwendung geleistet worden sind (Senatsurteil in BFHE 236, 48, BStBl II 2013, 328). Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, die unterschiedliche haushaltsrechtliche Lage auch auf der Verlustebene zu berücksichtigen.