Behandlung der durch einen Rechtsanwalt veruntreuten Fremdgelder in der Einnahmenüberschussrechnung

Verwendet ein Rechtsanwalt Fremdgelder, die er in fremdem Namen und für fremde Rechnung beigetrieben hat, für eigene Zwecke, verlieren diese nicht die Eigenschaft als durchlaufende Posten und sind im Rahmen der Einnahmenüberschussrechnung nicht in die Gewinnermittlung einzubeziehen

Veruntreute Fremdgelder stellen auch dann keine steuerbaren Einnahmen für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder der Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar, wenn der Rechtsanwalt diese kontinuierlich und planmäßig über mehrere Jahre hinweg einsetzt, um Betriebsausgaben oder Kosten der privaten Lebensführung zu bestreiten.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 16.12.2014, VIII R 19/1

Begründung:

Der Kläger hat die im Namen von P und die im Streitjahr 2005 zugunsten anderer Mandanten vereinnahmten Fremdgelder im Zeitpunkt des Zuflusses zu Recht als durchlaufende Posten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG behandelt. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG scheiden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung im Wege der Einnahmenüberschussrechnung aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden.

Fremdgelder, die als durchlaufende Posten in das Eigentum des Steuerpflichtigen –hier durch Vereinnahmung auf einem allgemeinen Kanzleikonto des Klägers– gelangen und zu deren Weitergabe dieser schuldrechtlich verpflichtet ist, sind Betriebseinnahmen und werden auch bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung Bestandteil des Betriebsvermögens des Steuerpflichtigen. Fremdgelder, die der Steuerpflichtige in fremdem Namen und für fremde Rechnung auf Grundlage einer Inkassovollmacht –wie der Kläger– vereinnahmt hat, sind auch dann als durchlaufende Posten zu behandeln, die den Gewinn nicht beeinflussen, wenn der Steuerpflichtige diese Gelder bewusst nicht auf einem Anderkonto, sondern auf seinem betrieblichen Geschäftskonto vereinnahmt, um dessen Minussalden auszugleichen, oder wenn er bereits bei der Vereinnahmung beabsichtigt, diese Beträge für eigene Zwecke zu verbrauchen. Auch wenn die aufgrund der Inkassovollmacht für fremde Rechnung vereinnahmten Gelder abredewidrig oder mit Erlaubnis des Berechtigten dem Kassenbestand hinzugefügt oder auf Konten des Steuerpflichtigen überwiesen werden, wird der Steuerpflichtige zwar verfügungsbefugt, bleibt aber schuldrechtlich verpflichtet, den Gegenwert herauszugeben. Die Weitergabeverpflichtung entfällt im Hinblick auf das Fremdgeld nicht dadurch, dass der Steuerpflichtige von vornherein beabsichtigt, das Fremdgeld nicht auszukehren oder nach dessen Zufluss den Entschluss fasst, dieses für eigene Zwecke zu verwenden, sodass auch in diesen Fällen das Fremdgeld nicht als steuerpflichtige Betriebseinnahme zu behandeln ist.

Entgegen der Auffassung des FG und des FA führt auch die widerrechtliche Verwendung der Fremdgelder durch den Kläger für eigene Zwecke für sich betrachtet nicht zu steuerbaren Einkünften in Höhe der veruntreuten Beträge.

 

Keine Pflicht zur Gewinnermittlung auf amtlichem Vordruck

Ein Unternehmer, der seinen Gewinn nicht durch Bilanzierung sondern durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, ist nicht verpflichtet, hierfür den amtlich vorgeschriebenen Vordruck „Anlage EÜR“ zu verwenden.

FG Münster Urteil vom 17.12.2008, 6 K 2187/08

Erläuterung:

Im Streitfall erklärte der Kläger gewerbliche Einkünfte und reichte beim Finanzamt hierzu eine nach dem herkömmlichen elektronischen DATEV-System verfasste Einnahmenüberschussrechnung ein. Das Finanzamt beanstandete zwar die Höhe der erklärten Einkünfte nicht, forderte den Kläger unter Hinweis auf die nunmehr bestehende gesetzliche Verpflichtung aber dazu auf, die Gewinnermittlung auf amtlichem Vordruck – Anlage EÜR – vorzunehmen und diesen nachzureichen.

Das Gericht sprach den Kläger von einer solchen Verpflichtung frei. Für die Gewinnermittlung auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck fehle es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Finanzverwaltung könne sich hierfür nicht auf § 60 Abs. 4 EStDV, eine Rechtsverordnung der Bundesregierung ,stützen, da bereits die Voraussetzungen der gesetzlichen Ermächtigung im Einkommensteuergesetz (EStG) nicht vorlägen. Zum einen werde mit der Verpflichtung zur Abgabe einer Gewinnermittlung nach amtlichem Vordruckmuster das Besteuerungsverfahren nicht vereinfacht, sondern jedenfalls für diejenigen Unternehmer erschwert, die ihre Gewinne bislang mittels elektronischer Standard-Systeme (im Streitfall DATEV) ermittelt haben. Zum anderen führe der mit der Einführung der Anlage EÜR verfolgte Zweck einer Kontroll- und Plausibilitätsprüfung durch die Finanzverwaltung nicht zu einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung, sondern – im Gegenteil – zu Ungleichbehandlungen im Gesetzesvollzug. Denn für Unternehmer, die ihren Gewinn durch Bilanzierung ermitteln, stehe den Finanzbehörden derzeit kein der Anlage EÜR entsprechendes Plausibilitätsprüfunginstrument zur Verfügung, so dass vergleichbare Besteuerungssachverhalte dort möglicherweise nicht aufgegriffen würden.

 Auch könne die Verpflichtung zur Ermittlung des Gewinns nicht auf eine bloße Rechtsverordnung der Bundesregierung gestützt werden, sondern hätte durch den Gesetzgeber selbst entschieden werden müssen.

 Die vom Finanzgericht zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. X R 18/09 anhängig.