Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Betriebsstätten bei Selbständigen

Aufwendungen eines Erzielers von Gewinneinkünften für regelmäßige PKW-Fahrten zu seinem einzigen Auftraggeber sind nur in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgaben abziehbar.

Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist –abweichend von § 12 AO– bei einem im Wege eines Dienstvertrags tätigen Unternehmer, der nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt, der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden (Bestätigung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung).

Betrieblich genutzte Räume, die sich in der im Übrigen selbstgenutzten Wohnung des Steuerpflichtigen befinden, können wegen ihrer engen Einbindung in den privaten Lebensbereich nicht als Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG angesehen werden

BFH Urteil vom 22.10.2014, X R 13/13

Begründung:

Zur Abgeltung der Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte ist gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG u.a. die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (Entfernungspauschale) entsprechend anzuwenden. Das FG hat zu Unrecht in bewusster Abkehr von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Betriebsstätte des Klägers bei seinem Auftraggeber verneint. Der Kläger hat bei seinem Auftraggeber eine Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG unterhalten.

Nach ständiger Rechtsprechung der für die Gewinneinkünfte zuständigen Senate des BFH ist als Betriebsstätte bei einem im Wege eines Dienstvertrags tätigen Unternehmer, der nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt, der Ort anzusehen, an dem er die geschuldete Leistung zu erbringen hat, in der Regel also der Betrieb des Auftraggebers.

Die dargestellte, zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG entwickelte Definition der Betriebsstätte weicht zwar vom allgemeinen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO ab, der eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die von ihm genutzte Einrichtung voraussetzt. Diese normspezifische Gesetzesauslegung ist jedoch im Hinblick auf den mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG verfolgten Zweck, die Bezieher von Gewinneinkünften in Bezug auf regelmäßige Fahrten mit Arbeitnehmern gleichzustellen.

Vorliegend hatte der Kläger nach den Feststellungen des FG nur einen einzigen Auftraggeber und hat dessen Betrieb an vier bis fünf Tagen wöchentlich aufgesucht. Damit stellt der Betrieb des Auftraggebers für Zwecke des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG in Anwendung der dargestellten ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zugleich eine Betriebsstätte des Klägers dar. Die für ständig wechselnde Einsatzstellen entwickelte Ausnahme ist im Streitfall nicht einschlägig, da der Kläger nicht an unterschiedlichen Einsatzstellen tätig war

Entfernungspauschale

Maßgebliche Straßenverbindung bei Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren.

BFH  Urteil vom 12.12.2013, VI R 49/13

Begründung:

Das FG hat der Berechnung der Entfernungspauschale zu Recht die Straßenverbindung über den A-Tunnel zugrunde gelegt.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG können Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen. Für die Entfernungspauschale ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG).

Verkehrsgünstiger i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4  2. Halbsatz EStG als die kürzeste Straßenverbindung ist die von dem Arbeitnehmer tatsächlich benutzte Straßenverbindung dann, wenn mit ihrer Benutzung eine Zeitersparnis oder sonstige Vorteile aufgrund von Streckenführung, Schaltung von Ampeln o.Ä. verbunden sind.

Für die Beurteilung der Verkehrsgünstigkeit der anderen Straßenverbindung ist es unerheblich, wenn bei der Benutzung der kürzesten Strecke Straßenbenutzungsgebühren anfallen. Maßgeblich ist lediglich die Vorteilhaftigkeit einer Strecke mit Blick auf den Ablauf des Straßenverkehrs, ohne dass hierbei finanzielle Aspekte zu berücksichtigen sind. Hinzu kommt, dass die Entfernungspauschale unabhängig von den tatsächlich entstandenen Kosten gelten soll, weshalb deren Höhe nicht mittelbar durch die Wahl gebührenfreier Straßenverbindungen beeinflusst werden kann

 

 

Abgeltung einer Leasingsonderzahlung durch Entfernungspauschale und pauschale Kilometersätze

Bei der Benutzung eines Fahrzeugs als Arbeitsmittel zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geht die Nr. 4 des § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG der Nr. 6 dieser Vorschrift vor .

Durch die Entfernungspauschale wird auch eine Leasingsonderzahlung abgegolten .

BFH Urteil vom 15.4.2010, VI R 20/08

Erläuterungen:

Verwendet ein Arbeitnehmer einen geleasten PKW für Auswärtstätigkeiten und macht er dafür die tatsächlichen Kosten geltend, kann nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe der anteiligen beruflichen Nutzung des PKW zu den sofort abziehbaren Werbungskosten gehören.

Soweit allerdings der Arbeitnehmer den PKW auch für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einsetzt, ist die Leasingsonderzahlung durch die Entfernungspauschale abgegolten. Dies hat der BFH mit Urteil vom 15. April 2010 VI R 20/08 entschieden. Mit der Entfernungspauschale seien sämtliche, durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte veranlassten Kosten abgegolten, also auch die anteilige Leasingsonderzahlung.

Der BFH hat zudem klargestellt, dass der sofortige steuerliche Abzug der Leasingsonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeit entfallenden Nutzungsanteils nicht in Betracht kommt, soweit der Arbeitnehmer während der Laufzeit des Leasingvertrags die Kraftfahrzeugkosten nach pauschalen Kilometersätzen geltend macht. Durch die Pauschalbetragsrechnung seien ebenfalls sämtliche mit dem Betrieb des Fahrzeugs verbundenen Kosten abgegolten.

Versagung der Entfernungspauschale für Familienheimflüge ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden

Der Umstand, dass der Gesetzgeber Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 Mit dem Abzug der tatsächlichen Flugkosten wahrt der Gesetzgeber das objektive Nettoprinzip in besonderer Weise und trägt folgerichtig dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit Rechnung.

 Soweit die Entfernungspauschale als entfernungsabhängige Subvention und damit als Lenkungsnorm wirkt, ist es gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber aus verkehrs- und umweltpolitischen Motiven Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat.

BFH Urteil vom 26. März 2009 VI R 42/07

Begründung:

 Das FG hat die Vorschriften über die steuerrechtliche Berücksichtigung von Familienheimfahrten zutreffend angewendet. Auf der Grundlage der einfachgesetzlichen Rechtslage sind Aufwendungen für Flüge zwischen Beschäftigungs- und Wohnort im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung auch dann nur in Höhe der tatsächlichen Kosten dem Werbungskostenabzug zugänglich, wenn sich bei Anwendung der Entfernungspauschale ein höherer Abzugsbetrag ergäbe.

 Der Umstand, dass der Gesetzgeber Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Diesen verfassungs- wie einfachrechtlichen Maßstäben wird die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG gerecht. Schließlich lässt der Gesetzgeber Aufwendungen für Flüge zwischen Beschäftigungs- und Wohnort im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung in Höhe der tatsächlichen Kosten und nicht nur beschränkt durch die Entfernungspauschale zum Werbungskostenabzug zu. Damit wahrt der Gesetzgeber das objektive Nettoprinzip in besonderer Weise und trägt folgerichtig dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit Rechnung.

Finanzamt hat Kosten des Revisionsverfahrens zur Pendlerpauschale zu tragen







Die Kosten eines Verfahrens, das ursprünglich die Eintragung eines höheren Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte zum Gegenstand hatte sind nach der Entscheidung des BVerfG vom 9. Dezember 2008 zur Pendlerpauschale dem Finanzamt aufzuerlegen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG zunächst nur im Wege vorläufiger Steuerfestsetzung ohne die Beschränkung auf "erhöhte" Aufwendungen "ab dem 21. Entfernungskilometer" gilt.

 BFH Beschluss vom 26. Februar 2009 VI R 17/07

Begründung:

In einem der vier vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschiedenen Verfahren zur sog. Pendlerpauschale hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 26. Februar 2009 VI R 17/07 dem beklagten Finanzamt die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt. Der BFH hatte nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, weil die Beteiligten des Revisionsverfahrens nach der Entscheidung des BVerfG vom 9. Dezember 2008, dass die seit 2007 geltende Regelung der Entfernungspauschale verfassungswidrig sei, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten.

Der BFH erlegte die Kosten des gesamten Verfahrens dem Finanzamt auf, obwohl die Pendlerpauschale nach der Entscheidung des BVerfG für 2007 zunächst nur im Wege vorläufiger Steuerfestsetzung vom ersten Entfernungskilometer an gewährt wird. Die Finanzverwaltung setzt deshalb die Entscheidung des BVerfG in den derzeit ergehenden Einkommensteuerbescheiden für 2007 unter einem Vorläufigkeitsvermerk um. Nach Auffassung des BFH hat der Kläger ungeachtet der nun rückwirkend nur vorläufig in voller Höhe zu gewährenden Pendlerpauschale mit seinem ursprünglichen Antrag auf Eintragung eines höheren Freibetrags für die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in vollem Umfang Erfolg gehabt.