Erziehungsrenten sind mit dem Besteuerungsanteil zu besteuern

Erziehungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung sind mit dem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG der Besteuerung zu unterwerfen. Sie unterscheiden sich von den nicht steuerbaren Schadensersatzrenten oder Unterhaltsrenten gemäß § 844 Abs. 2 BGB, weil sie auf steuerlich abziehbaren Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung beruhen.

Die Einbeziehung der Erziehungsrenten in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG durch das AltEinkG ist verfassungsgemäß.

BFH Urteil vom 19.8.2013, X R 35/11

Begründung:

Erziehungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung gehören zu den Leibrenten und sonstigen Leistungen, die gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern sind (unten 1.). Sie sind keine nicht steuerbaren Schadensersatz- oder Unterhaltsrenten gemäß § 844 Abs. 2 BGB (unten 2.). Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der Erziehungsrenten in die Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bestehen nicht (unten 3.).

Zu den sonstigen Einkünften des § 22 EStG gehören Leibrenten und andere Leistungen, die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, den landwirtschaftlichen Alterskassen, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus Rentenversicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erbracht werden, soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG). Bemessungsgrundlage ist der Besteuerungsanteil, der nach den Vorgaben des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 bis 8 EStG errechnet wird.

Bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs zum Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Regelungsgehalt des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG sämtliche Rentenarten, insbesondere auch Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinterbliebenenrenten umfasse, die bisher als abgekürzte Leibrenten nach der Ertragsanteilstabelle in § 55 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) besteuert worden seien. Begründet wird diese Entscheidung mit der steuerlichen Entlastung der zugrunde liegenden Beiträge (vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, BTDrucks 15/2150, S. 40).

Bei der Erziehungsrente handelt es sich trotz ihrer Einordnung unter die Renten wegen Todes nicht um eine Rente aus abgeleitetem Recht (der Versicherung des geschiedenen Ehegatten), sondern um eine Rente aus eigener Versicherung. Dies ergibt sich bereits aus § 47 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, in dem der Bezug einer Erziehungsrente davon abhängig gemacht wird, dass die Wartezeiten durch den Berechtigten selbst erfüllt sein müssen. Auch sind Grundlage für die Ermittlung der –für die Höhe des individuellen Rentenbetrags entscheidenden– persönlichen Entgeltpunkte die Entgeltpunkte des Versicherten selbst (vgl. § 66 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI), während bei Witwen- und Witwerrenten die Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten maßgebend sind (§ 66 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI). Zudem wird in § 89 SGB VI die Erziehungsrente als "Rente aus eigener Versicherung" bezeichnet (§ 89 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 9 SGB VI), die Witwen- und Waisenrenten.

Die Erziehungsrente der Klägerin beruht auf den Beiträgen, die sie in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat. Ihr Vorbringen, sie habe die Beiträge ausschließlich für ihre spätere Altersversorgung geleistet, steht nicht nur im Gegensatz zu den Regelungen des SGB VI, sondern widerspricht auch den tatsächlichen Gegebenheiten.

Die Erziehungsrente soll ebenfalls einen Ausgleich für den durch den Tod des geschiedenen Ehegatten weggefallenen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB gewähren. Nach § 1570 Abs. 1 BGB in der im Streitjahr gültigen Fassung kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Aufgrund von § 1570 Abs. 2 BGB verlängert sich die Dauer des Unterhaltsanspruchs darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

Durch die Gewährung der Erziehungsrente soll vermieden werden, dass der geschiedene Ehegatte zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gezwungen wird, die nicht im Interesse seiner Kinder liegt. Der Rentenanspruch nach § 47 SGB VI setzt tatbestandlich trotz dieser Zielsetzung weder voraus, dass der Versicherte gegen seinen geschiedenen Ehegatten vor dessen Tod einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB hatte, noch dass er wegen der Kindererziehung tatsächlich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.

Im Gegensatz zu den Schadensersatz- und Unterhaltsrenten gemäß § 844 Abs. 2 BGB beruht der Anspruch auf Zahlung der Erziehungsrente nicht auf einem schädigenden Ereignis, das zu einer Ersatzpflicht des dafür Verantwortlichen führt, sondern auf der Mitgliedschaft des Berechtigten, hier der Klägerin, in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Besteuerung der Erziehungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung hat ihren Rechtsgrund in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Durch diesen eigenständigen Steuertatbestand hat der Gesetzgeber –wie bereits erläutert– ausdrücklich sämtliche Leibrenten und andere Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Besteuerung unterworfen.