Abzugsfähigkeit von Fahrtkostenersatz als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten

Abzugsfähigkeit von Fahrtkostenersatz als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten, wenn der Fahrtkostenersatz bei ansonsten unentgeltlicher Kinderbetreuung an die Mütter der Kläger gezahlt wird

FG Baden-Württemberg Urteil vom 9.5.2012, 4 K 3278/11

Begründung:

Gemäß § 4f EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1, die wegen einer Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen anfallen, bei Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, in Höhe von zwei Dritteln der Aufwendungen, höchstens 4.000 EUR je Kind, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit wie Betriebsausgaben abgezogen werden (Satz 1). Im Falle des Zusammenlebens der Elternteile gilt Satz 1 nur, wenn beide Elternteile erwerbstätig sind.

Der Begriff der „Dienstleistung“ im Sinne des § 4f EStG umfasst jede Tätigkeit, die aufgrund eines Schuldverhältnisses erfolgt, aufgrund dessen der Steuerpflichtige berechtigt ist, die Betreuung des Kindes zu fordern (§ 241 Satz 1 BGB) und die Betreuungsperson die vereinbarte Vergütung oder aber auch nur einen Aufwendungsersatzanspruch (z.B. nach §§ 662, 670 BGB) geltend machen kann. § 4f EStG umfasst neben gegenseitigen Verträgen im Sinne des BGB auch Vereinbarungen über unentgeltliche Geschäftsbesorgungen im Sinne des § 675 BGB. Nicht von § 4f EStG erfasst werden dagegen Aufwendungen für Betreuungsleistungen, die lediglich auf familiärer Grundlage oder aufgrund eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses erfolgen. Die somit erforderliche Abgrenzung zwischen Betreuungsleistungen, die vom Regelungsgehalt des § 4f EStG umfasst werden und den von § 4f EStG nicht erfassten Betreuungsleistungen, die lediglich auf familiärer Grundlage oder auf der Basis eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses erbracht werden, hat danach zu erfolgen, ob zwischen den Steuerpflichtigen und der Betreuungsperson ein ernstgemeintes, gegenseitig berechtigendes und verpflichtendes Schuldverhältnisses bestand, das wie unter fremden Dritten üblich vereinbart und durchgeführt wurde.

Im Streitfall sind die Voraussetzungen für das Vorliegen von „Dienstleistungen“ im Sinne des § 4f EStG erfüllt. Durch den Abschluss der „Vereinbarungen zur Kinderbetreuung“ vom 22. Dezember 2007, vom 12. Mai 2008 und vom 14. Mai 2008 haben die Kl und die Mutter des Kl bzw. die Mutter der Klin schuldrechtliche (vertragliche) Vereinbarungen geschaffen und die Betreuung des Kindes der Kl nicht im Wege bloßer familiärer Hilfeleistung oder Gefälligkeit, sondern – darüber hinausgehend – auf der Ebene rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeit geregelt. Diese Vereinbarungen wurden auch im Vorhinein, d.h. vor Erbringung der Betreuungsleistungen, abgeschlossen und entsprechen in Inhalt und Durchführung dem zwischen fremden Dritten Üblichen. So wurden die Betreuungsleistungen durch die Mütter der Kl unstreitig erbracht und der von den Kl aufgrund der Vereinbarungen mit den Betreuungspersonen geschuldete Fahrtkostenersatz jeweils im Wege der Überweisung geleistet. Unschädlich ist, dass die konkreten Tage, an denen die Betreuungsleistungen zu erbringen waren, nicht bereits in den Vereinbarungen selbst festgelegt wurden, sondern bloße Rahmenvereinbarungen abschlossen wurden, die noch der Konkretisierung hinsichtlich der genauen Zeiten, an denen Betreuungsleistungen erforderlich wurden, bedurften. In diesem Zusammenhang hat der Kl im Erörterungstermin nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass jeweils an den Wochenenden im Hinblick auf die zeitliche Situation der folgenden Woche die konkreten Zeiten, in denen die Betreuung des Sohnes der Kl durch deren Mütter erforderlich wurde, festgelegt wurde. Diese Handhabung führt indes nicht dazu, dass die Vereinbarung nicht als wie unter fremden Dritten üblich anzusehen wäre. Denn sie ergibt sich ersichtlich aus den äußeren Umständen, nämlich insbesondere aus den terminlichen Verpflichtungen der Kl in der Folgewoche, weshalb eine entsprechende Handhabung auch bei einem Vertragsabschluss mit fremden Betreuungspersonen erforderlich gewesen wäre.

Ebenfalls unschädlich ist der Umstand, dass die Mütter der Kl die eigentlichen Betreuungsleistungen unentgeltlich erbracht haben und mit den Kl lediglich Vereinbarungen über den Ersatz der Fahrtkosten getroffen haben, die ihnen im Zusammenhang mit der Betreuung des Sohnes der Kl entstanden. Denn bei nur teilweise gegebener Entgeltlichkeit erfolgt die Betreuung nur insoweit auf der Grundlage familiärer Gefälligkeit, als sie unentgeltlich erbracht wird. Soweit aber eine Entgeltlichkeit vereinbart ist und diese Vereinbarung auch vollzogen wird, ist die Betreuung in Erfüllung der Vereinbarung über die Erbringung einer Dienstleistung erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 1992 III R 184/90, BStBl II 1992, 814). Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, hat der erforderliche Vergleich mit einer Vertragsgestaltung, wie sie unter fremden Dritten üblich wäre, nicht dergestalt zu erfolgen, dass darauf abzustellen ist, dass eine fremde Betreuungsperson auch für die Betreuungsleistung selbst ein Honorar gefordert hätte. Es kommt vielmehr darauf an, ob die getroffene Vereinbarung über die Verpflichtung der Kl zum Ersatz der Fahrtkosten auch zwischen fremden Dritten so üblich wäre. Diese Frage ist ohne Weiteres zu bejahen. Denn ein fremder Dritter hätte – neben dem Honorar für die Betreuungsleistung selbst – auf den Ersatz der ihm entstehenden Fahrtkosten bestanden.