Finanzierung betrieblicher Investitionen ist auch bei Zahlung über ein Kontokorrentkonto begünstigt

Ob Schuldzinsen i.S. des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorliegen, bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel.

Es wird unwiderlegbar vermutet, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Anschaffungskosten oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, muss der Steuerpflichtige den erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel und Bezahlung der Wirtschaftsgüter nachweisen.

Die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens durch Belastung des Kontokorrentkontos reicht aus, um die dadurch veranlassten Schuldzinsen von der Überentnahmeregelung auszunehmen (entgegen Tz. 27 des BMF-Schreibens vom 17. November 2005, BStBl I 2005, 1019).

BFH Urteil vom 23.2.2012, IV R 19/08

Erläuterung (BFH):

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 23. Februar 2012 IV R 19/08 entschieden, unter welchen Voraussetzungen Schuldzinsen für ein Investitionsdarlehen, das auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlt wurde, sowie Schuldzinsen für das Kontokorrentkonto selbst als Betriebsausgaben abgezogen werden können, wenn der Unternehmer Überentnahmen getätigt hat.

Der Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben wird durch § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes eingeschränkt, wenn der Unternehmer mehr aus dem Betriebsvermögen entnommen hat, als dem Betrieb zuvor durch Einlagen und Gewinne zugeführt worden ist (sog. Überentnahmen). Ausgenommen von dieser Abzugsbeschränkung sind nur Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (Investitionsdarlehen). Werden Darlehensmittel auf ein betriebliches Kontokorrentkonto überwiesen, von dem in der Folgezeit nicht nur die Anlagegüter, sondern auch sonstige (betriebliche und private) Aufwendungen bezahlt werden, stellt sich die Frage, inwieweit die Darlehensmittel tatsächlich gerade zur Anschaffung der Anlagegüter verwendet wurden. Denn nur die dafür entstandenen Schuldzinsen sind unbeschränkt abziehbar. Der BFH unterstellt nun in Anlehnung an eine Handhabung der Finanzverwaltung, dass die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto bezahlten Investitionen mit den aufgenommenen Darlehen finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, kann der Unternehmer den Zusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel und Bezahlung der Wirtschaftsgüter im Einzelfall nachweisen.

Darüber hinaus entschied der BFH, dass auch Kontokorrentzinsen, die durch die Finanzierung von Anlagevermögen entstehen, unbegrenzt abziehbar sind. Die Aufnahme eines gesonderten Darlehens ist nach Meinung des BFH – abweichend von der Handhabung der Finanzverwaltung – nicht erforderlich.

 

Schuldzinsenabzug nach teilweiser Veräußerung einer Immobilie

Veräußert ein Steuerpflichtiger (ideelle) Anteile an einer zu Wohnzwecken vermieteten, darlehensfinanzierten Immobilie und verwendet er unter Aufrechterhaltung des Darlehens den Verkaufserlös für private Zwecke, so kann er aus dem fortgeführten Darlehen nicht mehr an Schuldzinsen als Werbungskosten abziehen, als dem bei ihm verbliebenen Anteil an der Immobilie entspricht.

Begründung:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, und das bedeutet, für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst ist.

Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn und soweit das Darlehen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften –im vorliegenden Fall von solchen aus Vermietung und Verpachtung– verwendet worden ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn mit dem den Schuldzinsen zugrunde liegenden Darlehen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes oder Gebäudeteils finanziert werden. Ein allein rechtlicher Zusammenhang –etwa aufgrund einer Besicherung des Grundstücks– reicht hierzu ebenso wenig aus wie eine bloße gedankliche Zuweisung des Steuerpflichtigen. Die Darlehensmittel müssen vielmehr –tatsächlich– einem bestimmten Wirtschaftsgut zugeordnet werden können.

Ein dahin gehender Zusammenhang kann andererseits auch dann anzunehmen sein, wenn ein mit Darlehensmitteln angeschafftes Grundstück veräußert und der Veräußerungserlös seinerseits zum Zwecke der Einkünfteerzielung eingesetzt wird.

Im Streitfall ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die aus dem Ablösungsdarlehen vom März 2002 geleisteten Schuldzinsen nach der Veräußerung des hälftigen Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung nur noch hälftig als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend machen kann.

Finanzierung von V+V im Rahmen von Cash Pools

Wer einen als Darlehen empfangenen Geldbetrag nicht dazu nutzt, Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner Vermietungstätigkeit zu begleichen, sondern ihn in einen Cash-Pool einbringt, aus dem heraus er später seine Kosten bestreitet, kann Schuldzinsen aus diesem Darlehen nicht als Werbungskosten von seinen Einnahmen aus Vermietung abziehen.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 29.3.2007, IX R 10/06

Wer einen als Darlehen empfangenen Geldbetrag nicht dazu nutzt, Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner Vermietungstätigkeit zu begleichen, sondern ihn in einen Cash-Pool einbringt, aus dem heraus er später seine Kosten bestreitet, kann nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. März 2007 IX R 10/06 Schuldzinsen aus diesem Darlehen nicht als Werbungskosten von seinen Einnahmen aus Vermietung abziehen.

Im Streitfall gehörte die klagende GbR zu einer Firmengruppe, in der – zur Verringerung von Finanzierungskosten – ein Cash-Pool-Verfahren praktiziert wurde. Auf der Grundlage eines Generaldarlehensvertrags wurden alle Salden der Bankkonten der Gruppe täglich auf einem Konto einer konzernangehörigen Gesellschaft zusammengeführt, indem Guthaben abgezogen und Schulden ausgeglichen wurden. Nahm ein Gruppenmitglied – wie die GbR – extern ein Darlehen auf, wurde die Darlehensvaluta am Ende des Auszahlungstags automatisch vom Konto des Mitglieds der Firmengruppe abgezogen und dem Pool gutgeschrieben. Fiel eine Ausgabe bei demselben Gruppenmitglied an, überwies der Pool Geld zurück. Zivilrechtlich werden die Geldbewegungen innerhalb des Cash-Pools als Darlehen qualifiziert. Im Streitfall musste die GbR aber nach dem Generaldarlehensvertrag für aus dem Pool erhaltene Mittel keine Zinsen zahlen; umgekehrt bekam sie auch keine Zinsen für den von ihr in den Pool (als Darlehen) eingebrachten Geldbetrag, den sie ihrerseits als Darlehen empfangen hatte.
Hieraus ergab sich für den BFH auch die steuerrechtliche Lösung des Falles. Da die GbR keine Zinsen vereinnahmte, konnte sie deshalb auch keine Schuldzinsen aus dem extern aufgenommenen Darlehen als Werbungskosten absetzen. Ein Zusammenhang mit ihrer Vermietungstätigkeit bestand nicht, denn die GbR hatte keine Mittel aus dem extern aufgenommenen Darlehen dazu eingesetzt, ihre mit der Einkünfteerzielung zusammenhängenden Aufwendungen zu begleichen, sondern Mittel aus dem Cash-Pool.

Zuordnung von Finanzierungen in einem gemischt genutzten Gebäude

Finanziert der Steuerpflichtige die Anschaffung eines Gebäudes, das nicht nur dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch der (nichtsteuerbaren) Selbstnutzung dient, mit Eigenmitteln und Darlehen, kann er die Darlehenszinsen insoweit als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen, als er das Darlehen tatsächlich zur Anschaffung des der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteils verwendet (Anschluss an BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676; gegen BMF-Schreiben vom 10. Dezember 1999, BStBl I 1999, 1130).

Der Werbungskostenabzug setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten im Rahmen seiner Finanzierungsentscheidung dem ein eigenständiges Wirtschaftsgut bildenden Gebäudeteil gesondert zuordnet und die so zugeordneten Anschaffungskosten mit Geldbeträgen aus dem dafür aufgenommenen Darlehen zahlt.
(BFH Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 65/00).