Vorsteuerabzugsrecht einer GmbH aus den Bauerrichtungskosten eines ihren Gesellschafter-Geschäftsführern für private Wohnzwecke überlassenen Gebäudes

Hat eine GmbH in den Jahren 1998 bis 2000 auf ihrem Betriebsgrundstück ein Gebäude errichtet, das sie teilweise unternehmerisch nutzt und teilweise ihren Gesellschafter-Geschäftsführern unentgeltlich für deren private Wohnzwecke überlässt, kann der GmbH ein Vorsteuerabzugsrecht aus den Bauerrichtungskosten zustehen.

Die Vereinbarung einer Nutzungsüberlassung von Wohnraum im Rahmen eines Mietvertrages oder eines Anstellungsvertrages gilt dagegen umsatzsteuerrechtlich regelmäßig als steuerfreie Vermietung und schließt den Vorsteuerabzug aus den entsprechenden Bauerrichtungskosten aus.

BFH Urteil vom 12.1.2011, XI R 9/08

Begründung:

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug u.a. ausgeschlossen für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

Errichtet ein Unternehmer ein Gebäude, das zu Zwecken seines Unternehmens und zu seinen privaten Wohnzwecken genutzt werden soll, hat er die Wahl, ob der privat genutzte Teil "für die Anwendung der Sechsten Richtlinie zu seinem Unternehmen gehören soll oder nicht" (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-4101, BStBl II 2004, 378, Rz 40, m.w.N.). Entscheidet er sich für die Zuordnung des Gegenstandes zum Unternehmen, sind die Vorsteuerbeträge aus den Herstellungskosten grundsätzlich sofort und vollständig abziehbar (Rz 41 des Urteils). Dieses Recht auf den sofortigen Abzug der vollständigen Vorsteuerbeträge korrespondiert mit der Verpflichtung, die Mehrwertsteuer auf den Betrag der Ausgaben für die Verwendung des Gegenstandes gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG zu zahlen (Rz 43 des Urteils).

In dem Urteil "Seeling" (Slg. 2003, I-4101, BStBl II 2004, 378) hat der EuGH entschieden, dass entgegen der Auffassung der deutschen Regierung die Nutzung der Wohnräume durch den Unternehmer keine steuerfreie Vermietung i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ist. Bei der privaten Nutzung der Wohnung durch den Steuerpflichtigen liege keine Vermietung vor, weil es nicht nur an der Zahlung eines Mietzinses, sondern auch an wirklichen Vereinbarungen über die Dauer des Nutzungsrechts und über das Recht, die Wohnung in Besitz zu nehmen und andere von ihr auszuschließen, fehle.

Die bei einer natürlichen Person als Unternehmer bestehende Rechtslage bezüglich der Nutzung von Wohnräumen in einem Gebäude des Unternehmers unterscheidet sich von derjenigen im Fall der Nutzung von Wohnräumen durch die Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH in einem Gebäude, das der GmbH gehört. Denn während der Einzelunternehmer mit sich selbst keine Verträge schließen kann, ist dies bei einer GmbH und ihren Gesellschafter-Geschäftsführern anders.

Dies gilt auch bei der im Anstellungsvertrag vereinbarten Überlassung einer Wohnung durch eine GmbH an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer. Insoweit kann für die Nutzungsüberlassung einer Wohnung grundsätzlich nichts Anderes gelten als für die Überlassung eines PKW zur privaten Nutzung. Hier entspricht es sowohl der Rechtsprechung des I. Senats des BFH (vgl. Urteil vom 17. Juli 2008 I R 83/07, BFH/NV 2009, 417) als auch derjenigen des VI. Senats (vgl. Urteil vom 23. April 2009 VI R 81/06, BFHE 225, 33, BFH/NV 2009, 1313, unter II.3.), dass bei einer Regelung der Nutzung im Anstellungsvertrag in der Regel Sachlohn anzusetzen und damit keine unentgeltliche Leistung anzunehmen ist. Im Einklang damit ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in der Überlassung von Fahrzeugen zur privaten Nutzung an Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses eine entgeltliche unternehmerische Nutzung zu sehen.

Die unentgeltliche Nutzung eines einer GmbH gehörenden Wohnhauses durch ihre Gesellschafter in deren Eigenschaft als Anteilseigner betrifft den nichtunternehmerischen Bereich der GmbH, da sie damit nicht eine auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete Tätigkeit ausübt. Wird ein der GmbH gehörendes Wohnhaus ausschließlich unentgeltlich durch die Gesellschafter zu deren privaten Wohnzwecken genutzt, ist es nicht für Zwecke der besteuerten Umsätze der GmbH angeschafft worden. Da in diesem Fall auch keine sog. gemischte Nutzung vorliegt, kann auch kein Zuordnungswahlrecht bestehen. Ein Vorsteuerabzug ist von vornherein ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind.

 Soll hingegen das Wohngebäude teilweise auch für unternehmerische Zwecke genutzt werden, ist damit eine gemischte Nutzung beabsichtigt. Denn die privaten Wohnzwecke der Gesellschafter einer GmbH sind unternehmensfremde Zwecke i.S. des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. oben unter II.2.). Der GmbH steht das Wahlrecht zu, das gesamte Gebäude ihrem unternehmerischen Bereich zuzuordnen und einen vollständigen Vorsteuerabzug geltend zu machen.

Vorsteuerabzug aus Aufwendungen für die Errichtung eines Gebäudes z.B Vermietung an Ärzte

Zwischen den Aufwendungen für die Errichtung eines Gebäudes, das an Arztpraxen vermietet wird, und Zahlungen eines Apothekers an den Vermieter, damit dieser das Gebäude an Ärzte vermietet, besteht kein zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG 1999 berechtigender direkter und unmittelbarer Zusammenhang. Diese Zahlungen sind deshalb bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach Maßgabe eines Umsatzschlüssels nicht zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 15. Oktober 2009 XI R 82/07

Begründung:

Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug u.a. ausgeschlossen für die Lieferungen von Gegenständen sowie für sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Da der Anbau zur Ausführung teils steuerpflichtiger und teils steuerfreier Vermietungsumsätze verwendet wird, ist der nicht abziehbare Teil der Vorsteuerbeträge zu ermitteln, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG). Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG).

Die Zahlungen des Apothekers stehen im Streitfall in keinem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den Aufwendungen zur Errichtung des Anbaus. Die Aufwendungen für die Errichtung des Anbaus stehen vielmehr in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang nur mit den Entgelten, die aus der Vermietung von Räumen des Anbaus an das Ingenieurbüro bzw. an die Ärzte erzielt wurden. Dass die von der Klägerin gegenüber dem Apotheker erbrachte Leistung einer dauerhaften Ansiedlung einer Arztpraxis nicht ohne die vorherige Errichtung des Anbaus möglich war, begründet einen lediglich mittelbaren Zusammenhang.

 

Die Zahlungen des Apothekers sind daher bei der Aufteilung der bei den Eingangsumsätzen angefallenen Vorsteuerbeträge nach einem Umsatzschlüssel nicht zu berücksichtigen.