Werbungskostenabzug für Reisen

Begleitet ein Pfarrer Angehörige einer Pfarrei auf ihrer Pilgerwallfahrt nach Rom und übernimmt er dabei deren seelsorgerische Betreuung, sind die entsprechenden Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar  .

Nimmt ein Pfarrer an einer sog. Tertiatskursfahrt von Geistlichen nach Jordanien teil, kann der Umstand, dass er zur Teilnahme dienstlich verpflichtet ist, die berufliche Veranlassung maßgeblich indizieren.

BFH Urteil vom 9.12.2010, VI R 42/09

Begründung:

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehören hierzu auch Bildungsaufwendungen, sofern sie beruflich veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden.

Auch Aufwendungen für Reisen, die der beruflichen Fortbildung dienen, sind demnach dann als Werbungskosten abziehbar, wenn sie durch den Beruf bzw. den Betrieb veranlasst sind. Ob dies zutrifft, ist durch die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Der uneingeschränkte Abzug der Reisekosten setzt voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist zum einen der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet. Gleiches gilt, wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen, wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist. Ist eine Bildungsreise gemischt veranlasst, ist nach den Grundsätzen, die der Große Senat des BFH aufgestellt hat, (nur) der beruflich veranlasste Teil der Reisekosten zum Abzug als Werbungskosten zuzulassen.

Sollte sich im zweiten Rechtsgang der Vortrag des Klägers bestätigen, wird das FG von einer ausschließlich beruflich veranlassten Reise ausgehen können. Denn wie dargestellt führen Aufwendungen für eine Reise u.a. dann in voller Höhe zu Werbungskosten, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt. Der Senat hat einen unmittelbaren beruflichen Anlass der Teilnahme an einer Gruppenreise beispielsweise angenommen, wenn die Organisation und Durchführung dieser Reise Dienstaufgabe des damit betrauten Arbeitnehmers ist. Gehört zum Aufgabenbereich eines Pfarrers auch die geistliche Betreuung von pfarrangehörigen Pilgern auf ihrer Reise und begleitet er diese nach Einholung einer entsprechenden dienstrechtlichen Genehmigung, ist die Situation mit der eines Lehrers vergleichbar. Die seelsorgerische Tätigkeit des Geistlichen auf einer Pilgerwallfahrt ist nicht anders zu bewerten als seine sonstige geistliche Tätigkeit vor Ort in der Pfarrei.

Für eine Auslandsgruppenreise gelten auch nach der Entscheidung des Großen Senats entwickelten Abgrenzungsmerkmale grundsätzlich fort. Für eine berufliche Veranlassung ist daher neben einer fachlichen Organisation vor allem maßgebend, dass das Programm auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten und der Teilnehmerkreis im Wesentlichen gleichartig (homogen) ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist auch, ob die Teilnahme freiwillig oder verpflichtend ist. Kommt der Steuerpflichtige mit seiner Teilnahme einer Dienstpflicht nach, indiziert dies in besonderer Weise den beruflichen Veranlassungszusammenhang. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Steuerpflichtige die rechtliche oder praktische Möglichkeit gehabt hätte, sich der Teilnahme an der konkreten Reise zu entziehen. Im Streitfall hat der Kläger die Jordanienreise zwar als eine Pflichtveranstaltung bezeichnet, das FG hat jedoch auch insoweit von einer Feststellung abgesehen.

Einer (ausschließlich) beruflichen Veranlassung steht im Übrigen nicht schon entgegen, dass die im beruflichen Interesse gewonnenen Erkenntnisse auch im privaten Bereich angewendet werden können. Die berufliche Veranlassung kann auch nicht mit der Begründung abgesprochen werden, der Beruf erfordere Aufwendungen, die für andere Steuerpflichtige Privataufwendungen sind.

 

 

 

Aufteilung gemischt genutzter Reisen

Dem Großen Senat wird folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Können Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Reisen in abziehbare Werbungskosten (Betriebsausgaben) und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich (betrieblich) veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind?

BFH Beschluss vom 20. Juli 2006 VI R 94/01

Aufwendungen für Reisen sind demnach dann als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abziehbar, wenn sie durch den Beruf bzw. den Betrieb veranlasst sind. Ob dies zutrifft, ist durch die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen

Der Abzug der Reisekosten setzt nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen/betrieblichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist zum einen der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher bzw. betrieblicher Anlass zugrunde liegt (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem Fachkongress, die Durchführung eines Forschungsauftrages) und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet. Gleiches gilt, wenn die berufliche bzw. betriebliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen, wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist.

Nach der Auslegung, die § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG durch die Rechtsprechung des Großen Senats erfahren hat, verbietet diese Vorschrift zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der privaten Lebensführung dienen als auch den Beruf/Betrieb fördern. Es soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen Aufwendungen für ihre Lebensführung nur deshalb zum Teil in einen einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen entsprechenden Beruf haben, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuertem Einkommen decken müssen (BFH-Beschluss in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17).

Die Rechtsprechung des BFH hat das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG allerdings seit jeher einschränkend dahin ausgelegt, dass es nicht anzuwenden ist, wenn und soweit sich der dem Beruf dienende Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit und leicht –gegebenenfalls im Wege der Schätzung– abgrenzen lässt.

Für die Kosten der An- und Abreise bei gemischt veranlassten Reisen ist die bisherige Rechtsprechung des BFH allerdings davon ausgegangen, dass sie nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden können. Es handele sich bei diesen Kosten nicht um eindeutig abgrenzbare, beruflich bzw. betrieblich veranlasste Aufwendungen

Der vorlegende Senat ist nach erneuter Überprüfung der Rechtsfrage der Auffassung, dass bei gemischt veranlassten Reisen auch die Kosten der An- und Abreise grundsätzlich eindeutig abgrenzbare, beruflich/betrieblich (mit-)veranlasste Aufwendungen sind, bei denen eine der Sachlage entsprechende Aufteilung nach objektiven und leicht nachprüfbaren Maßstäben in der Regel möglich ist. Er hält an seiner insbesondere in den Urteilen in BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10, und in BFH/NV 1998, 449 vertretenen, entgegenstehenden Auffassung nicht mehr fest.