Keine Steuerfreiheit einer Zulage für Dienst zu wechselnden Zeiten

Die einem Polizeibeamten gezahlte Zulage für Dienst zu wechselnden Zeiten nach § 17a EZulV ist nicht nach § 3b EStG steuerfrei.

BFH Urteil vom 15.02.2017 – VI R 30/16 BFH/NV 2017, 955

Begründung:

Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Nach Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht.

Die Steuerbefreiung tritt allerdings nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge “für” Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit geleistet werden. Die Zahlung des Zuschlags muss folglich entsprechend zweckbestimmt erfolgen.

Der Zahlende entscheidet über den Zweck seiner Leistung und bestimmt bei Bestehen mehrerer Verbindlichkeiten, auf welche er leistet (§ 366 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Die Bezeichnung des Zuschlags allein ist jedoch nicht ausschlaggebend. Es muss sich vielmehr objektiv um ein zusätzliches Entgelt für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit handeln. Begünstigt sind daher nur solche Zuschläge, die ausschließlich eine ungünstig liegende Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit abgelten.
Zulagen für andere Erschwernisse sind nicht steuerfrei. Diese einschränkende Auslegung des § 3b EStG rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass er als Ausnahmevorschrift das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbricht.

Keine Steuerfreiheit von Personalgestellungsleistungen

Entgeltliche Personalgestellungen sind keine im sozialen Bereich erbrachten Gemeinwohldienstleistungen i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL.

BFH Urteil vom 14.01.2016 – V R 56 /14 BFH/NV 2016, 792

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein eingetragener und als gemeinnützig anerkannter Verein, der in den Streitjahren (2008 bis 2010) Mitglied eines anerkannten Verbands der freien Wohlfahrtspflege war. Satzungsmäßiger Zweck des Klägers war, „Drogengefährdeten und -abhängigen bei der Bewältigung ihrer Probleme zu helfen”.

Aufgrund eines Ende 2007 mit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Entleiher) geschlossenen Personalabordnungsvertrags verpflichtete sich der Kläger, dem Entleiher eine seiner Arbeitnehmerinnen zur inhaltlichen und fachlichen Koordinierung eines vom Entleiher initiierten Sozialfürsorgeprojekts (selektive Suchtprävention) für den Streitzeitraum zu überlassen. Dabei blieb das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Arbeitnehmerin –ungeachtet der Überlassung an den Entleiher– bestehen. Der Entleiher war aber berechtigt, der Arbeitnehmerin fachliche Weisungen zu erteilen und deren Arbeitsausführung zu überwachen. Ihr Arbeitslohn wurde weiterhin vom Kläger bezahlt; dieser hatte jedoch für die Personalüberlassung gegenüber dem Entleiher einen vertraglichen Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten.

Das vom Entleiher initiierte Sozialfürsorgeprojekt zielte darauf ab, Jugendlichen, die erstmals mit Suchtmitteln in Berührung gerieten, Maßnahmen der Frühintervention anzubieten. Dabei sollte die entliehene Arbeitnehmerin als Projektleiterin das Projekt des Entleihers umsetzen, weiterentwickeln und interessierten Organisationen vorstellen. Die Arbeitnehmerin hatte vor der Personalüberlassungsmaßnahme bei dem Kläger besondere Kenntnisse zum inhaltlichen Bereich dieses Projekts gesammelt, dieses insbesondere mitentwickelt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) setzte für die entgeltliche Personalgestellung Umsatzsteuer für die Streitjahre fest. Eine Steuerbefreiung komme nicht in Betracht.

Begründung:

Die Revision ist begründet. Das Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zu Unrecht hat das FG entschieden, dass die entgeltliche Personalgestellung des Klägers nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei ist.

Die Personalgestellung gegen Aufwendungsersatz ist ein steuerbarer Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes –UStG–Zu Recht geht das FG davon aus, dass die Personalgestellungsleistung nicht nach § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG steuerfrei ist.

Steuerfrei sind danach die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften […], die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, wenn […] die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung […] begünstigten Personenkreis zugutekommen […]. Ungeachtet dessen, dass der Kläger als Mitglied in einem nach § 23 Nr. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung amtlich anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege zum begünstigten Personenkreis gehört, hat er durch die Personalgestellung keine Leistungen erbracht, die unmittelbar dem nach seiner Satzung begünstigten Personenkreis zugutegekommen sind (§ 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b UStG).

Das Merkmal der Unmittelbarkeit ist leistungsbezogen, d.h. die Leistung selbst muss dem nach der Satzung begünstigten Personenkreis unmittelbar zugutekommen. Nicht ausreichend ist, dass die Leistung lediglich als Vorleistung in eine vom Leistungsempfänger –hier Entleiher– an den begünstigten Personenkreis erst noch zu erbringende Leistung eingeht. Mit der Personalgestellung unterstützte der Kläger nicht unmittelbar die nach der Satzung des Klägers begünstigten Personen (drogengefährdete Jugendliche). Vielmehr erbrachte er im Streitzeitraum sonstige Leistungen an den Entleiher, die den begünstigten Personen allenfalls mittelbar zugutegekommen sind.

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (und der wortlautidentischen Vorgängerbestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG) befreien die Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer: „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden”.

Entgeltliche Personalgestellungen stellen als solche keine im sozialen Bereich erbrachten Gemeinwohldienstleistungen dar und sind somit keine „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Umsätze” i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (EuGH-Urteil Go fair-Zeitarbeit, EU:C:2015:164, Rz 28). Dies gilt auch dann, wenn die aufgrund der Gestellung auszuführende Tätigkeit als Leistung der Sozialfürsorge zu charakterisieren ist und die Gestellung an eine Einrichtung mit sozialem Charakter oder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts erbracht wird (EuGH-Urteil Go fair-Zeitarbeit, EU:C:2015:164, Rz 28). Für den erkennenden Senat bestehen insoweit keine Zweifel an der zutreffenden Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL.

Das FG-Urteil geht von anderen Grundsätzen aus und ist daher aufzuheben. Nachdem Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL auf Personalgestellungsleistungen nicht anzuwenden ist, lässt sich eine Steuerbefreiung auch nicht aus der früheren EuGH-Rechtsprechung zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und g der Richtlinie 77/388/EWG herleiten.

Keine Steuerfreiheit freiwilliger Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretungstätigkeit

Freiwillige Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretungstätigkeit sind keine Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG, sondern steuerpflichtiger Arbeitslohn.

Die rechtliche Ausgestaltung des Notarberufs schließt es aus, freiwillige Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretung als Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG anzusehen. Es liegt insbesondere kein Kunden- oder kundenähnliches Verhältnis vor, wie es der Begriff des Trinkgelds, der auch § 3 Nr. 51 EStG zugrunde liegt, voraussetzt.

Notarassessoren gehören nicht zu der typischen Berufsgruppe, in der Arbeitnehmertrinkgelder traditionell einen flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellen.

BFH Urteil vom 10.3.2015, VI R 6/14

Begründung:

Zum Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dies gilt auch für die Zuwendung eines Dritten, wenn diese ein Entgelt “für” eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht.

Danach waren die von den vertretenen Notaren an die Klägerin geleisteten Zahlungen –wie das FG zutreffend geurteilt hat– Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dieser Arbeitslohn war nicht gemäß § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei.

Nach § 3 Nr. 51 EStG sind ohne betragsmäßige Begrenzung Trinkgelder steuerfrei, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG eine dem dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährte zusätzliche Vergütung, die eine gewisse persönliche Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten voraussetzt. Trinkgeld ist eine freiwillige und typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in Form eines kleineren Geldgeschenkes.. Zum Begriff des Trinkgelds gehört es demnach, dass in einem nicht unbedingt rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne Geldfluss und honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüberstehen, weil die durch die Zuwendung “belohnte” Dienstleistung dem Leistenden unmittelbar zugutekommt. Faktisch steht der Trinkgeldempfänger damit in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält korrespondierend dazu auch doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens seines Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden.

Nach diesen Grundsätzen sind die von den vertretenen Notaren an die Klägerin geleisteten, freiwilligen Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.000 EUR keine steuerfreien Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG, sondern steuerpflichtiger Arbeitslohn. Die rechtliche Ausgestaltung des Notarberufs schließt es aus, die Zahlungen der Notare an die Klägerin als Notarassessorin für die Vertretung als Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG anzusehen. Zu den Notaren besteht insbesondere kein Kunden- oder kundenähnliches Verhältnis, wie es der Typus-Begriff des Trinkgelds, der auch § 3 Nr. 51 EStG zugrunde liegt, voraussetzt.

 

Reiseleistungen in der Umsatzsteuer

Reiseleistungen durch Reisebüros an Schulen und Universitäten sind nicht nach § 4 Nr. 23 UStG (Gewährung von Beherbergung und Beköstigung) steuerfrei.

Der Unternehmer kann sich nach der Rechtsprechung des EuGH-Urteils vom 26. September 2013 C-189/11, Kommission/ Spanien (UR 2013, 835) auf Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG berufen, der entgegen der inländischen Regelung des § 25 UStG über die Margenbesteuerung nicht darauf abstellt, ob die Reiseleistung an einen Endverbraucher und nicht an einen Unternehmer erbracht worden ist.

BFH Urteil vom 21.11.2013, V R 11/11

Begründung:

Wie sind Reiseleistungen, die ein Reisebüro an Schulen, Universitäten und gegenüber Vereinen erbringt, umsatzsteuerlich zu behandeln? Mit diesen Fragestellungen hatte sich der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 21. November 2013 V R 11/11 zu beschäftigen.

Das klagende Reiseunternehmen hatte u.a. Schul- und Studienreisen an Schulen und gegenüber Vereinen durchgeführt. Einen Teil seiner Leistungen unterwarf es dem Regelsteuersatz von 19 %, die Klassenfahrten behandelte es dagegen als nach § 4 Nr. 23 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Soweit es seine Leistungen im Ausland erbrachte, sah es sie als nicht steuerbar an.

Der BFH hat zunächst entschieden, dass Reiseleistungen an Schulen bei Klassenfahrten nicht steuerbefreit sind. Anders als das Gesetz in § 4 Nr. 23 UStG voraussetzt, nimmt der Reiseunternehmer bei der Durchführung der Klassenfahrt Jugendliche nicht zur Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung bei sich auf.

Weiter hat der BFH entschieden, dass auf Reiseleistungen an Schulen und Universitäten die besondere gesetzliche Regelung zur Margenbesteuerung nach § 25 UStG anzuwenden ist. Und dies gilt auch für Reiseleistungen, die an Vereine erbracht werden. Worum geht es? Bei der Margenbesteuerung werden alle Reiseleistungen im In- und Ausland zu einer einheitlichen Dienstleistung zusammengefasst. Dies wirkt sich häufig für den Reiseveranstalter günstiger aus, weil die Steuer nach der Marge bemessen wird, also nach dem Unterschied zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag und den tatsächlichen Kosten des Veranstalters. Allerdings wird ein Reiseunternehmen nach deutschem Recht nur dann nach der Marge besteuert, wenn es an den endverbrauchenden Reisenden selbst leistet. Das Finanzamt und das Finanzgericht hatten deshalb die Margenbesteuerung der Reiseleistungen an Vereine abgelehnt. Anders das Unionsrecht: Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. September 2013 C-189/11, Kommission/Spanien ist die Margenbesteuerung auch auf Umsätze "mit allen Arten von Kunden" anzuwenden. Darunter fallen auch Leistungen an Vereine.

Im weiteren Verfahren muss nun festgestellt werden, ob sich die Margenbesteuerung insgesamt für den klagenden Reiseveranstalter günstiger auswirkt und ob er sich auf das Unionsrecht beruft.