Fahrten eines Lehrers zu Orchesterproben keine Fortbildungskosten

Aufwendungen für Fahrten eines Lehrers zu Orchesterproben keine Fortbildungskosten und deshalb auch keine Werbungskosten.

 Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz Urteil vom 23. April 2012 (Az.: 5 K 2514/10)

Begründung:

Der Kläger ist Schullehrer und u.a. Fachlehrer für Musik. Für Fahrten zu Musikproben verschiedener Sinfonieorchester machte er in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2005 und 2006 Beträge von rd. 2.600.-€ bzw. rd. 2.400.-€ als Werbungskosten mit der Erläuterung geltend, es handele sich dabei um Fortbildungsaufwendungen. Auf Nachfrage des Finanzamts (FA) gab er unter Vorlage verschiedener Bescheinigungen von Orchesterleitern über seine Tätigkeit im Orchester (z.B. Satzproben in bestimmten Instrumentengruppen) u.a. an, er habe Musik studiert und sein Arbeitgeber – das Land Rheinland-Pfalz – fordere eine stetige Weiterbildung. Eine künstlerische Weiterbildung könne nur im Zusammenspiel mit gleichermaßen hoch ausgebildeten Musikern in (semi-) professionellen Ensembles erfolgen. Für die Mitwirkung in dem Orchester habe er kein Honorar bezogen.

Das FA sah die geltend gemachten Aufwendungen hingegen als nicht abzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung an und lehnte den Ansatz entsprechender WK ab. Die Tatsache, dass er über mehrere Jahre „in großem Umfang Fahrtkosten zu Proben“ und auch „zu Konzerten“ geltend gemacht habe, zeige, dass ein nicht unwesentlicher privater Aspekt vorhan-den sei.

Die dagegen angestrengte Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, Aufwendungen zum Erwerb bestimmter Kenntnisse könnten als WK abziehbar sein, wenn ein konkreter Zusammenhang dieser Kenntnisse mit der Berufstätigkeit bestehe. Ob dies zutreffe, sei durch Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Für die Frage einer privaten oder beruflichen Veranlassung könnten äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien)  herangezogen werden. Für die berufliche Veranlassung eines Lehrers, der an einem Kurs teilnehme, würde u.a. sprechen,

dass er tatsächlich entsprechenden Unterricht erteilt habe,

dass Veranstalter des Lehrgangs ein anerkannter Verband oder die Schulverwaltung sei,

dass Sonderurlaub erteilt sei,

dass das dienstliche Interesse an der Lehrgangsteilnahme bescheinigt sei,

dass der Lehrgang mit einer Prüfung oder einem Zertifikat abgeschlossen werde und

dass die erworbenen Fähigkeiten anschließend im Lehrberuf verwendet werden können bzw. sollen.

Im vorliegenden Fall würden nahezu alle Indizien gegen eine berufliche Veranlassung sprechen. Der Kläger habe beispielsweise an keiner Schule, an der er tätig gewesen sei, Satzproben in bestimmten Instrumentengruppen durchgeführt, Sonderurlaub sei nicht gewährt, Prüfungen seien nicht abgelegt worden. Soweit das Pädagogische Landesinstitut Rheinland-Pfalz ausführe, dass Proben und Konzerte als „dienstlichen Interessen dienend“ anerkannt würden, sei das nicht ausreichend, weil das auch für Lehrkräfte gelte, die keinen Musikunterricht erteilen würden; so unterscheide das Institut auch zwischen (lediglich) „dienstlichen Interessen dienend“ „ und „für die dienstliche Tätigkeit von Nutzen sein“, und nur im zuletzt genannten Fall werde u.U. Sonderurlaub gewährt. Im vorliegenden Falle habe das die betreffenden Aufwendungen „auslösende Moment“ auf privaten Umständen beruht, denn der Kläger sei nach Abschluss seines Studiums weiterhin im Orchester geblieben. Einer (etwaigen) Verwertbarkeit seiner Kenntnisse und Fertigkeiten im schulischen Bereich komme demgegenüber allenfalls eine völlig untergeordnete Bedeutung zu.

Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Bücher als Arbeitsmittel eines Lehrers

Arbeitsmittel sind Wirtschaftsgüter, die unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen. Hierzu können auch Zeitschriften und Bücher zählen, wenn die Literatur ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend beruflich genutzt wird.

Die allgemeinen Grundsätze zur steuerlichen Behandlung von Arbeitsmitteln gelten auch, wenn zu entscheiden ist, ob Bücher als Arbeitsmittel eines Lehrers zu würdigen sind. Dabei ist die Eigenschaft eines Buchs als Arbeitsmittel nicht ausschließlich danach zu bestimmen, in welchem Umfang der Inhalt eines Schriftwerks in welcher Häufigkeit Eingang in den abgehaltenen Unterricht gefunden hat. Auch die Verwendung der Literatur zur Unterrichtsvorbereitung und Unterrichtsnachbereitung oder die Anschaffung von Büchern und Zeitschriften für eine Unterrichtseinheit, die nicht abgehalten worden ist, kann eine ausschließliche oder zumindest weitaus überwiegende berufliche Nutzung der Literatur begründen.

BFH Urteil vom 20.5.2010, VI R 53/09

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 20. Mai 2010 VI R 53/09 entschieden, dass Aufwendungen eines Lehrers für Bücher und Zeitschriften als Werbungskosten abgezogen werden können, wenn die Literatur unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dient und ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend beruflich verwendet wird.

Der Kläger unterrichtet an einer Realschule die Fächer Deutsch, Geschichte, Sozialkunde und Ethik. In seiner Einkommensteuererklärung machte er zunächst erfolglos Aufwendungen für Bücher und Zeitschriften geltend. Auf den Einspruch des Klägers ließ das FA pauschal 50 % der Ausgaben zum Werbungskostenabzug zu.

Die auf die Anerkennung sämtlicher Kosten gerichtete Klage wurde vom FG abgewiesen. Über die bereits anerkannten Aufwendungen hinaus könnten keine weiteren Bücherkosten steuermindernd berücksichtigt werden. Denn der Kläger habe es versäumt für jedes einzelne Buch konkret darzulegen, wann, in welcher Klasse, in welchem Fach, zu welchem Thema und in welchem Umfang, welcher konkrete Teil des jeweiligen Schriftwerks Eingang in den Unterricht gefunden habe. Außerdem handele es sich um Schriftwerke gesellschaftspolitischer und allgemeinbildender Art, so dass sich nicht ausschließen lasse, dass der Kläger die Bücher und Zeitschriften auch aus privaten Gründen erworben habe.

Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen. Das FG habe allein auf die Verwendung der Schriftwerke im Unterricht abgestellt und damit den beruflichen Veranlassungszusammenhag unzulässig verengt. Denn auch der Gebrauch der Literatur zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung oder die Anschaffung von Büchern und Zeitschriften für eine Unterrichtseinheit, die nicht abgehalten worden ist, könne eine ausschließliche oder zumindest weitaus überwiegende berufliche Nutzung der Literatur bei einem Pädagogen und damit den Werbungskostenabzug begründen. Das außerschulische Interesse des Klägers an anthropologischen und gesellschaftspolitischen Themen stehe dann der steuerlichen Berücksichtigung nicht entgegen.

Das FG hat nun für jedes einzelne Buch erneut zu untersuchen, ob es sich um einen Gegenstand der Lebensführung, um ein Arbeitsmittel oder um einen gemischt genutzten Gegenstand handelt. Hierzu sind die "Verwendungsanteile" genau zu bestimmen. Dies kann wie der Streitfall zeigt, sehr mühselig sein.

Die steuerliche Neuregelung zum häuslichen Arbeitszimmer soll zumindest teilweise verfassungswidrig sein







Es soll eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt werden, ob durch die im Steueränderungsgesetz 2007 eine Regelung getroffen worden ist, die insoweit gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, als der Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann nicht mehr möglich ist, wenn für die betriebliche oder

berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Finanzgericht Münster Beschluß vom 08.05.2009,  1 K 2872/08 E

Begründung:

Die Neuregelung zum häuslichen Arbeitszimmer gilt seit 2007 und besagt, dass ein häusliches Arbeitszimmer nur abzugsfähig ist, wenn es den Mittelpunkt des Berufslebens darstellt. Dadurch werden eine Reihe von Arbeitnehmern nach Auffassung des Gerichts benachteiligt. Sie konnten bis 2006 ihr Arbeitszimmer von der Steuer absetzen, weil ihnen ihr Arbeitgeber keinen eigenen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat. Dieses Arbeitszimmer  war bis zu 1250 Euro als Werbungskosten abzugsfähig.

Im aktuellen Fall hatte ein Lehrer am Finanzgericht in Münster geklagt (Az.: 1 K 2872/08 E) und einen Teilerfolg erzielt, denn der zuständige Senat setzte das Verfahren aus und gab die Frage an das Bundesverfassungsgericht weiter. Die Münsteraner Richter beurteilten die Neuregelung als teilweise verfassungswidrig, weil sie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstößt. Es entspreche nicht der Verfassung, dass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht berücksichtigt werden, obwohl im Falle des Lehrers für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dadurch entstehe ein Nachteil gegenüber anderen Arbeitnehmern, die ein Arbeitszimmer außerhalb des Hauses nutzen oder gegenüber Arbeitnehmern, die ihren beruflichen Mittelpunkt zu Hause haben.

Entgegen der Entscheidung der Finanzgerichte in Rheinland-Pfalz und Berlin-Brandenburg hatten die Richter in Münster die Verfassungsmäßigkeit bezweifelt.