Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Grundstücksbewertung

Die Zuziehung eines Sachverständigen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Ist die Bewertung eines Grundstücks streitig, so ist das FG in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen einzuholen. Hiervon kann es nur dann absehen, wenn es ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt.

Ein Gutachten, das das FA im Verwaltungsverfahren eingeholt hat, ist im finanzgerichtlichen Verfahren als Privatgutachten zu behandeln.

BFH Beschluss vom 07.01.2015 – IB 42/13, BFH/NV 2015,1093

Sachverhalt:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine 1979 gegründete GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung und Montage von … ist. Gesellschafter sind die Eheleute A (zu 75 %) und B (zu 25 %). Beide waren zugleich Geschäftsführer.

Im Jahr 2003 erwarb die Klägerin von B ein von ihr als Werksgrundstück genutztes Grundstück zum Preis von … EUR. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) gelangte im Anschluss an eine im Rahmen der Betriebsprüfung am 8. November 2007 erstellte (geänderte) Bewertung durch den Bausachverständigen der Finanzverwaltung zu der Annahme, dass der Ertragswert des Grundstückes 557.000 EUR betragen habe und daher in Höhe der Differenz von … EUR eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) anzunehmen sei. Er erließ entsprechend geänderte Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide, die die Klägerin unter Hinweis auf ein Gutachten des Gutachters C vom 29. Oktober 2007 (Ertragswert von 767.000 EUR) erfolglos mit dem Einspruch anfocht.

Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz ging im Urteil vom 16. Januar 2013 1 K 2537/09 von einem maßgebenden Grundstückswert in Höhe von 625.000 EUR und einer vGA in Höhe von … EUR aus und gab der Klage teilweise statt, ohne die Revision zuzulassen.

Begründung.

Das FG hat ermessensfehlerhaft davon abgesehen, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das FG hätte wegen der zwischen den Beteiligten umstrittenen Bewertung –insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen (Rest-)Nutzungsdauer nach Lage der Dinge ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

Während das FG die von den Verfahrensbeteiligten angebotenen Beweise grundsätzlich erheben muss, steht die Zuziehung eines Sachverständigen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Hat es die nötige Sachkunde selbst, braucht es einen Sachverständigen nicht hinzuziehen. Das dem Tatsachengericht bei der Bestimmung von Art und Zahl einzuholende Sachverständigengutachten nach § 82 FGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO zustehende Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung gutachtlicher Stellungnahmen absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Das ist gemäß § 81 Abs. 1 FGO regelmäßig der Fall, wenn die Bewertung eines Grundstückes streitig ist. Hiervon absehen kann das FG nur dann, wenn es ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen.

Vor diesem Hintergrund beruht die Ablehnung eines Sachverständigenbeweises im Streitfall auf einem Ermessensfehler. Ein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordert gemäß § 82 FGO i.V.m. § 403 ZPO eine hinreichende Konkretisierung sowohl des Beweisthemas als auch der zu beweisenden Tatsachen. Dies ist im Rahmen der vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Finanzgerichtsordnung dahin zu verstehen, dass eine summarische Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte ausreicht, aber auch erforderlich ist.

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin, die vor dem FG insbesondere im Einzelnen dargelegt hat, warum aus ihrer Sicht in der in Rede stehenden Spanne einer wirtschaftlichen Nutzungsdauer von 40 bis 60 Jahren der obere „Rand” angemessen erscheine, und sich hierbei auch mit der entgegenstehenden Auffassung des FA und dessen Wertermittlung auseinandergesetzt hat. Auch hat sie „Beweisanträge” formuliert, die bereits aus sich heraus, aber umso mehr vor dem Hintergrund des bisherigen Verfahrensverlaufes, ersichtlich darauf hinausliefen, dass die Klägerin unter anderem, aber insbesondere aufgrund einer 60-jährigen Nutzungsdauer einen höheren Ertragswert für zutreffend erachtete.

Das FG hätte dem Beweisantrag entsprechen müssen, da es nicht selbst ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und offenbar nicht über eine notwendig eigene Sachkunde zur Wertermittlung eines gewerblichen Grundstücks verfügte.

Zum einen verkennt das FG, indem es die „Beweisanträge” jeweils isoliert ablehnt, offenkundig den zwischen den „Anträgen” bestehenden Zusammenhang und deren dargelegte Zielrichtung. Zum anderen trifft es im Zusammenhang mit der Grundstücksbewertung nicht zu, dass die mit dem ersten Beweisantrag vorgetragene Behauptung, die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer der aufstehenden Gebäude betrage 60 Jahre, als Schlussfolgerung dem (Sachverständigen-)Beweis nicht zugänglich sei. Das FG lässt auch nicht erkennen, aus welchen Gründen es davon ausgeht, die als wahr unterstellten Ausstattungsmerkmale könnten im Streitfall keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer und auf seine vorherige Einschätzung, es handele sich um eine gewerblich genutzte „Standardhalle”, haben.

Das FG konnte auch nicht deshalb von einer Beweiserhebung absehen, weil ihm im Klageverfahren hierzu „Parteigutachten” vorgelegt wurden –namentlich das von Klägerseite beigebrachte Gutachten C und vom Bausachverständigen der Finanzverwaltung aus dem Verwaltungsverfahren–. Ein „Parteigutachten” kann das FG seiner Entscheidung nur dann zugrunde legen, wenn keiner der Beteiligten substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit erhebt. Dies hatte die Klägerin indessen seit dem Einspruchsverfahren getan. Es war dem FG daher nicht ermessensfehlerfrei möglich, die für streitentscheidend erachteten Abweichungen zwischen den Beteiligtenpositionen hinsichtlich der wirtschaftlichen Nutzungsdauer ohne Weiteres zugunsten der Annahme des Bausachverständigen der Finanzverwaltung aufzulösen, ohne nähere Ausführungen zur eigenen Sachkunde zu machen.

Hieran ändert es nichts, wenn –wie das FG ausführt– das klägerische Gutachten nichts zur wirtschaftlichen Nutzungsdauer ausgeführt, sondern lediglich Tabellen über die technische Nutzungsdauer zugrunde gelegt hätte. Denn ungeachtet dessen bliebe die Frage der zutreffenden wirtschaftlichen Restnutzungsdauer, zumal angesichts des Beweisantritts der Klägerin, aufklärungsbedürftig. Die Notwendigkeit zur Feststellung eines Grundstückswertes entfällt auch nicht dadurch, dass die Klägerin zu der bei Vertragsschluss erfolgten Bemessung des Kaufpreises in Höhe von … EUR keine für das FG nachvollziehbaren Angaben machen konnte.

Das FG konnte auch nicht aufgrund seiner weiteren Erwägungen von einer Beweiserhebung absehen. Es führt nichts dazu aus, auf der Grundlage welcher eigenen (Er-)Kenntnisse und Erwägungen es das streitbefangene Gebäude als „gewerblich genutzte Standardhalle” eingeordnet und sich die wirtschaftliche Nutzungsdauer von 40 Jahren zwingend aus den zugrunde gelegten und für maßgeblich erachteten „NHK 2000” ergab; letztlich folgt das FG auch damit lediglich der Einschätzung des Bausachverständigen der Finanzverwaltung. Immerhin bestand zwischen den Beteiligten auch in Bezug auf die Beurteilung der Ausstattungsmerkmale Streit.

Die Vorinstanz legt ferner nicht näher dar, aus welchen Gründen „ständig wechselnde Produktionsmechanismen”, „gestiegene betriebstechnische Anforderungen” und „emissionsschutzrechtliche Bedingungen” in Bezug auf den konkreten Betrieb der Klägerin im Streitfall von Bedeutung sind und woraus sich diesbezügliche Erkenntnisse speisen. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass es sich –ungeachtet mangelnder Einschlägigkeit für die Streitfrage– bei den vom FG herangezogenen sog. „AfA-Tabellen” lediglich um Vermutungssätze handelt  aufgrund derer im Streitfall jedenfalls nicht von einer Beweiserhebung abgesehen werden konnte.

Ermittlung des Teilwerts eines Handelsschiffes

In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass der Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) nicht nach einer Bandbreite zu bestimmen ist.

Auch bei der Ermittlung des Teilwerts eines Handelsschiffes i.S. von § 5a Abs. 4 EStG im Wege von Sachverständigengutachten ist nicht zwingend der für den Steuerpflichtigen günstigere Wert anzunehmen.

BFH Beschluss vom 09.01.2013 – IV B 8/12 BFHNV 2013 S.551

Begründung:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) misst der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) bei, ob bei der Ermittlung des Teilwerts eines Handelsschiffes i.S. von § 5a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Wege von Sachverständigengutachten der für den Steuerpflichtigen günstigere Wert anzunehmen sei, nachdem das Finanzgericht (FG) nicht dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten, sondern dem von ihm selbst eingeholten Sachverständigengutachten gefolgt ist.

Soweit die Klägerin der auf das vom FG eingeholte Sachverständigengutachten gestützten Schätzung des FG nicht zu folgen vermag, rügt sie im Kern eine (vermeintlich) unzutreffende Tatsachenwürdigung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler.

 

Unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens

Unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens

 BFH  Beschluss vom 10.6.2010, I B 194/09

 

Begründung:

 Das FG hat ermessensfehlerhaft von der Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Teilwert der zum 1. Januar 1994 in den BgA eingelegten Leitungen und Hausanschlüsse abgesehen und damit seine Aufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO verletzt.

 Während das FG die von den Verfahrensbeteiligten angebotenen Beweise grundsätzlich erheben muss, steht die Zuziehung eines Sachverständigen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Hat es die nötige Sachkunde selbst, braucht es einen Sachverständigen nicht hinzuziehen.

 Das dem Tatsachengericht bei der Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Sachverständigengutachten nach § 82 FGO i.V.m. §§ 404, 412 der Zivilprozessordnung zustehende Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung gutachtlicher Stellungnahmen absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Dies ist hier der Fall.

 Da der Wert und die Nutzungsdauer der Wasserversorgungsanlagen entscheidungserheblich, aber unter den Beteiligten streitig waren und anzunehmen ist, dass das FG nicht über die notwendige Sachkunde verfügt, hätte das FG Wert und Nutzungsdauer unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen ermitteln müssen. Dem konnte es sich nicht durch den Hinweis entziehen, dass die Klägerin Steuerbescheide vorangegangener Jahre, in denen die AfA mit 0 DM angesetzt worden waren, bestandskräftig hat werden lassen und die frühere Kämmerin der Klägerin bei einer vorangegangenen Betriebsprüfung angegeben haben soll, den Anlagen komme kein Wert zu. Abgesehen davon, dass die Klägerin Letzteres bestreitet, sind beide Umstände nicht geeignet, die Wertlosigkeit der Anlagen zum Einlagezeitpunkt zu belegen. Die Klägerin war nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung auch nicht an ihre frühere Einschätzung gebunden, zumal dies nach ihrem Vorbringen darauf zurückzuführen sein soll, dass sie ursprünglich davon ausgegangen sei, hieraus ergäben sich keine relevanten steuerrechtlichen Auswirkungen.

 Das FG konnte auch nicht ermessensfehlerfrei von der Einholung eines Sachverständigengutachtens mit der Begründung absehen, die Klägerin habe den mit der Klage geltend gemachten AfA-Betrag nicht hinreichend belegt. Zwar kann ein Sachverständigengutachten nicht dazu dienen, eine ausreichend substantiierte Klagebegründung zu ersetzen. Macht der Kläger daher nur unzureichende Angaben, so dass keine hinreichenden tatsächlichen Grundlagen vorhanden sind, anhand derer ein Sachverständiger ein Gutachten erstellen könnte, kommt die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht.

 Im Streitfall ist indessen nicht ersichtlich, weshalb ein Sachverständiger anhand der Angaben der Klägerin und ggf. weiteren Materialuntersuchungen nicht in der Lage sein sollte, den Teilwert der eingelegten Wirtschaftsgüter zum 1. Januar 1994 und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer dieser Wirtschaftsgüter ab dem Zeitpunkt der Einlage zu ermitteln.

 

Nachweis eines niedrigeren gemeinen Grundstückswert

Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Grundstückswerts kann nicht dadurch geführt werden, dass der Steuerpflichtige beim FG die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Das FG hat nicht selbst zu ermitteln, welcher Wert dem Grundstück zukommt.

BFH Beschluss vom 25.03.2009 II B 62/08 BFH NV 2009 S. 1091

Begründung:

Gemäß § 146 Abs. 7 BewG ist für bebaute Grundstücke ein niedrigerer Grundstückswert festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger ist als der nach den Absätzen 2 bis 6 der Vorschrift ermittelte Wert. Der Nachweis kann u.a. durch Vorlage des Gutachtens eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden. Ob das Gutachten den erforderlichen Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des FA und ggf. der Gerichte erbracht, wenn das FA und ggf. das Gericht dem Gutachten ohne Einschalten bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger folgen können.

Einem Sachverständigengutachten, das bei Fehlen bewertungsrechtlicher Sonderregelungen den Vorgaben der Wertermittlungsverordnung vom 6. Dezember 1988 (BGBl I 1988, 2209) entspricht und plausibel ist, wird regelmäßig zu folgen sein. Vom Gutachter vorgenommene Wertabschläge müssen ausreichend begründet werden . Der Steuerpflichtige kann den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts demgegenüber nicht dadurch führen, dass er beim FG die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Ein solcher Antrag ist mit der dem Steuerpflichtigen obliegenden Nachweislast nicht vereinbar. Das FG hat den angefochtenen Bescheid nur daraufhin zu überprüfen, ob dem Steuerpflichtigen entgegen der Annahme des FA der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gelungen ist. Es hat nicht selbst zu ermitteln, welcher Wert dem Grundstück zukommt.