Berechnung des Veräußerungsgewinns bei Immobilienveräußerung nach mehr als zwei Jahren und weniger als zehn Jahren Besitzzeit

Es bestehen ernstliche Zweifel an der gleichmäßigen Verteilung von Sonderabschreibungen und AfA-Beträgen auf Immobilien bei der berechnung des steuerbaren Wertzuwachses, wenn die Immobilien nach Ablauf der ursprünglichen Spekulationsfrist von zwei Jahren und vor Ablauf der neuen Spekulationsfrist von zehn Jahren veräußert wurden, die Sonderabschreibungen und AfA-Beträge aber im Wesentlichen in der Zeit bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 zum 01.04.1999 in Anspruch genommen wurden.

FG Brandenburg Urteil vom 05.03.2012, 7 V 7191/11

Begründung:

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2010 (2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BStBl. II 2011, 76) ist die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre wegen des Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes insoweit verfassungswidrig und daher nichtig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zu Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31.03.1999 entstanden sind und nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können, weil die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen war. Insoweit war bereits eine konkret verfestigte Vermögensposition entstanden, die durch die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist nachträglich entwertet wird.

Zutreffend gehen daher die Beteiligten davon aus, dass der Veräußerungsgewinn aufzuteilen ist in einen Anteil für den bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 entstandenen Wertzuwachs und in einen Anteil für den nach Verkündung dieses Gesetzes entstandenen steuerbaren Wertzuwachs.

Es ist aber ernstlich zweifelhaft, ob die in Anspruch genommenen Absetzungen für Abnutzungen (AfA) und Sonderabschreibungen nicht den einzelnen Besitzzeiträumen, in denen sie sich steuerlich ausgewirkt haben, zuzuordnen seien, wie dies der Antragsgegner in Übereinstimmung mit der Oberfinanzdirektion Magdeburg (S 2256-61-St 222, zitiert nach juris) meint. Der Senat hält die Auffassung der Antragsteller für vertretbar, wonach die Absetzungen für Abnutzungen, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen den Zeiträumen zuzuordnen sind, in denen sie tatsächlich gewährt wurden und sich steuerlich ausgewirkt haben. Das bedeutet, dass die AfA, die sich bis zum 31.03.1999 steuerlich im Rahmen einer Einkunftsart im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG ausgewirkt hat (hier: Vermietung und Verpachtung), sich auch bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Anteils des Veräußerungsgewinns auswirken würde. Als Kontrollüberlegung dafür, dass diese Berechnungsmethode zutreffend sein kann, gilt Folgendes: Hätte der Antragsteller nach Ablauf der alten Spekulationsfrist von zwei Jahren das Grundstück bis zum 31.03.1999 veräußert, so hätten die bis dahin gewährten Sonderabschreibungen und Absetzungen für Abnutzung gemäß § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG die Anschaffungskosten/Herstellungskosten gemindert und damit den entsprechenden Veräußerungsgewinn erhöht. Dieser wäre aber vollständig steuerfrei gewesen. Da ab 31.03.1999 bis zum Verkauf des Grundstückes nur noch AfA in sehr geringer Höhe gewährt worden ist und sich steuerlich im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ausgewirkt hat, wird deutlich, dass der weitaus höhere Anteil des nach der Vorschrift des § 23 Abs. 3 EStG ermittelten Veräußerungsgewinns in den Zeitraum 20.12.1996 – 31.03.1999  und damit in den nicht steuerbaren Bereich fallen kann.

 

Einbeziehung von Sonderabschreibungen in Totalüberschussprognose bei befristeter Vermietungstätigkeit

Geltend gemachte Sonderabschreibungen nach den §§ 1, 3 und 4 FördG sind nicht in eine befristete Totalüberschussprognose (hier: zehn Jahre) einzubeziehen, wenn die nachträglichen Herstellungskosten innerhalb der voraussichtlichen Dauer der Vermietungstätigkeit gemäß § 4 Abs. 3 FördG vollständig abgeschrieben werden

BFH Urteil vom 25. Juni 2009 IX R 24/07

Begründung:

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen.

Nach dem Regelungszweck dieser Norm ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben.

Dagegen kann sich ein Beweisanzeichen für das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht daraus ergeben, dass der Steuerpflichtige in der Zeit seiner nicht auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit kein positives Gesamtergebnis erreichen kann..

Ob ein Gesamtüberschuss zu erzielen ist, ergibt sich aus einer den Zeitraum der tatsächlichen Vermögensnutzung umfassenden Totalüberschussprognose. Bei der Ermittlung des "Totalüberschusses" ist von den Ergebnissen auszugehen, die sich nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften voraussichtlich ergeben werden..

Geltend gemachte Sonderabschreibungen nach den §§ 1, 3, 4 FördG sind dann nicht in eine befristete Prognose einzubeziehen, wenn die nachträglichen Herstellungskosten innerhalb der voraussichtlichen Dauer der Vermietungstätigkeit gemäß § 4 Abs. 3 FördG vollständig abgeschrieben werden.

Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung

Die Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass für das betreffende Wirtschaftsgut in früheren Jahren eine AfA in fallenden Jahresbeträgen vorgenommen wurde.

Eine Bilanz kann auch dann gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG berichtigt werden, wenn ein darin enthaltener Ansatz nicht gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, sondern nur gegen steuerrechtliche Vorschriften verstößt.

Kann eine Bilanz auf verschiedenen Wegen berichtigt werden, so obliegt die Auswahl des Korrekturwegs dem Unternehmer.

BFH Urteil vom 14. März 2006 I R 83/05

Die Klägerin hat zulässigerweise die streitige Sonderabschreibung in Anspruch genommen. Dem steht nicht entgegen, dass sie in ihrer ursprünglichen Bilanz für das Streitjahr die Anlage nach Maßgabe einer degressiven AfA bewertet hat.

Die Klägerin durfte die Anlage in ihrer Bilanz des Streitjahres in der Weise bewerten, dass sie eine lineare AfA i.S. des § 7 Abs. 1 EStG und daneben eine Sonderabschreibung nach § 1 i.V.m. § 4 FördG berücksichtigte. Dass im Streitfall die gesetzlichen Voraussetzungen für die Sonderabschreibung vorliegen, zieht das FA nicht in Zweifel.

§ 7 Abs. 3 EStG lässt den Übergang von der degressiven zur linearen AfA ausdrücklich zu. Nach dieser Vorschrift kann mithin ein Wirtschaftsgut, das im Jahr der Anschaffung –und ggf. auch in Folgejahren– nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 EStG abgeschrieben wurde, im weiteren Verlauf der AfA in gleichen Jahresbeträgen (§ 7 Abs. 1 EStG) unterworfen werden. Die Entscheidung darüber obliegt allein dem Steuerpflichtigen.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darf der Steuerpflichtige seine Bilanz auch nach der Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht entspricht.

Die hierdurch eröffnete Möglichkeit der Bilanzkorrektur (“Bilanzberichtigung”) knüpft ausschließlich an die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit der ursprünglichen Bilanz an; weiterer Voraussetzungen bedarf es in diesem Zusammenhang nicht. Insbesondere ist § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG, der die Korrektur einer nicht fehlerhaften Bilanz (“Bilanzänderung”) in bestimmter Weise begrenzt, insoweit nicht anwendbar.

Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Bilanzberichtigung vor. Die ursprünglich von der Klägerin eingereichte Bilanz war i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG fehlerhaft. In ihr wurde die in Rede stehende Anlage in der Weise bewertet, dass für das Streitjahr sowohl degressive AfA als auch die Sonderabschreibung nach § 4 FördG berücksichtigt waren. Es mag dahingestellt bleiben, ob diese Bewertung gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verstieß. Jedenfalls verstieß sie gegen § 7a Abs. 4 EStG. Angesichts der klaren Gesetzeslage war dieser Verstoß zudem für die Klägerin erkennbar. Das reicht für das Vorliegen eines fehlerhaften Bilanzansatzes und damit für die Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG aus.

Vor diesem Hintergrund durfte die Klägerin ihre ursprüngliche Bilanz gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG dahin berichtigen, dass sie von der kumulativen Inanspruchnahme von degressiver AfA und Sonderabschreibung Abstand nahm. Das FA war nicht berechtigt, die Klägerin auf die Fortführung der degressiven AfA zu verweisen und ihr die Sonderabschreibung zu versagen. Denn selbst wenn man annimmt, dass eine dahin gehende Bilanzberichtigung ebenfalls rechtlich zulässig war, standen der Klägerin zwei Berichtigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Auswahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten muss dann ihr überlassen bleiben. Nachdem sich die Klägerin für die Sonderabschreibung und gegen eine Fortsetzung der degressiven AfA entschieden hat, besteht keine Rechtsgrundlage dafür, die Besteuerung an einer hiervon abweichenden Bilanzierung auszurichten.