Die Berücksichtigung von Verlustanteilen eines stillen Gesellschafters als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen setzt voraus, dass die Verlustanteile im Jahresabschluss des Geschäftsinhabers des Handelsgewerbes festgestellt und im Streitjahr von der Einlage des stillen Gesellschafters abgebucht werden.
Bei der Bestimmung des nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ausgleichsfähigen Verlustes ist nicht nur die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte feste Einlage des stillen Gesellschafters zu berücksichtigten, sondern auch der Verlust eines Guthabens auf einem Gesellschafter-Darlehenskonto, das bei der Beendigung der Gesellschaft mit dem Verlustkonto des Gesellschafters zu saldieren ist.
BFH Urteil vom 28.01.2014 – VIII R 5/11 (BFHNV 2014 S. 1193) (veröffentlicht am 25.06.2014)
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde in dem Streitjahr 2001 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er war stiller Gesellschafter der X-GmbH & Co. Kommanditgesellschaft (KG). Die KG hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Februar bis 31. Januar. Nach dem Vertrag über die stille Gesellschaft vom 27. Januar 1992 hatte der Kläger eine Einlage in Höhe von 100.000 DM zu leisten, die aufgrund der Vereinbarung vom 14. Januar 1994 auf 200.000 DM erhöht wurde. Er war an den stillen Reserven der KG nicht beteiligt und hatte nur die Informations- und Kontrollrechte nach § 233 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Die Einlage des stillen Gesellschafters sollte auf einem Einlagekonto, Verlustanteile sollten auf einem Verlustkonto verbucht werden. Alle sonstigen sein Verhältnis zur stillen Gesellschaft betreffenden Buchungen, insbesondere Gewinngutschriften und Auszahlungen, sollten auf einem Privatkonto verbucht werden. An einem Gewinn und Verlust der Gesellschaft nahm der stille Gesellschafter mit 50 % teil, an einem Verlust jedoch nur bis zur Höhe seiner Einlage. Bei Beendigung der Gesellschaft hatte der stille Gesellschafter einen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben. Zu dessen Berechnung waren das Einlage-, das Privat- und das Verlustkonto zu saldieren. Der stille Gesellschafter war verpflichtet, einen negativen Saldo des Privatkontos bei Beendigung der Gesellschaft auszugleichen.
Die vom Kläger geleistete Einlage wurde durch Verluste zum 31. Januar 1997 vollständig aufgezehrt und bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen in Höhe von 200.000 DM als Werbungskosten berücksichtigt.
Die stille Gesellschaft wurde zum 31. Januar 2001 beendet. Für den Kläger wurde in der Bilanz der KG ein “Darlehenskonto” geführt, das zum 31. Januar 2001, dem Stichtag der Beendigung der stillen Gesellschaft, folgende Positionen auswies:
Darlehenskonto | |
Vortrag | 87.428,56 DM |
Einlage | 1.366,05 DM |
Entnahme | 679,44 DM |
Verlust | ./. 343.913,65 DM |
./. 255.798,48 DM |
Der negative Saldo in Höhe von 255.798,48 DM wurde von dem Kläger nicht ausgeglichen.
Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 machte der Kläger bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zunächst Werbungskosten aus der stillen Beteiligung in Höhe von 343.914 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) lehnte nach der Durchführung einer Außenprüfung die Berücksichtigung der geltend gemachten Werbungskosten in dem Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2001 ab. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. Januar 2011 7 K 1025/10 F (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1316) als unbegründet abgewiesen und die Revision zugelassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des FG vom 28. Januar 2011 7 K 1025/10 F aufzuheben und den Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2001 vom 17. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. März 2010 dahingehend zu ändern, dass in Höhe des Verlustes seines Privatkontos bei Beendigung der stillen Gesellschaft Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 455.997,41 DM berücksichtigt werden.
Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Entscheidung des FG, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Das FG ist im Streitfall zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Verlust des Privatkontos des Klägers bei der stillen Gesellschaft steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen sei, weil es sich um einen Verlust in der privaten Vermögenssphäre handele (dazu unter II.1.). Eine Berücksichtigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen setzt gemäß § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, § 15a Abs. 1 EStG, § 11 Abs. 2 EStG jedoch voraus, dass der Verlust in der Bilanz der KG von dem Einlagekonto des Klägers im Streitjahr 2001 abgebucht worden ist (dazu unter II.2.) und dass der Kläger über seine feste Einlage in Höhe von 200.000 DM hinaus eine Einlage in das Vermögen der KG geleistet hat (dazu unter II.3.). Die Sache ist insoweit nicht spruchreif, weil das FG –aus seiner Sicht zu Recht– hierzu keine Feststellungen getroffen hat (dazu unter II.4.).
Der bei der Beendigung der stillen Gesellschaft durch die Saldierung des Privat- und Verlustkontos entstandene Einlageverlust des Klägers ist gemäß § 9 EStG, § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 15a Abs. 1 EStG als Werbungskosten bei der Ermittlung der Kapitaleinkünfte zu berücksichtigen.
Der Kläger war als typisch stiller Gesellschafter an der KG beteiligt. Anteile des typisch stillen Gesellschafters an dem Verlust des Unternehmens des Geschäftsinhabers sind nach der gesetzlichen Regelung des Streitjahres als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Die Verrechenbarkeit des Verlustes mit anderen Einkünften wird jedoch aufgrund der Verweisung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auf § 15a EStG eingeschränkt. Danach darf der einem stillen Gesellschafter zuzurechnende Anteil am Verlust nicht mit anderen Einkünften ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Das ist der Fall, wenn der Verlustanteil die geleistete Einlage übersteigt.
Entgegen der Auffassung des FG war bei der Bestimmung des nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ausgleichsfähigen Verlustes nicht nur die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte und erbrachte feste Einlage in Höhe von 200.000 DM zu berücksichtigen. Auch das in der Bilanz der KG auf den 31. Januar 2001 auf dem Darlehenskonto des Klägers als Vortrag ausgewiesene Guthaben erhöhte das Kapitalkonto des Klägers i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG, da es nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs mit dem Verlustkonto zu saldieren war. Dies hatte zur Folge, dass der Kläger nicht nur seine feste Einlage in Höhe von 200.000 DM, sondern auch sein auf dem Darlehenskonto verbuchtes Guthaben verlor, sodass der Verlust auch insoweit nach § 9 EStG, § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Werbungskosten bei der Ermittlung der Kapitaleinkünfte zu berücksichtigen ist.
Diese Verlustbeteiligung ist von dem Ausfall der Forderung des stillen Gesellschafters auf Rückzahlung der Einlage wegen Insolvenz des Geschäftsinhabers zu unterscheiden,bei dem es sich lediglich um einen Verlust in der einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Vermögenssphäre handelt.
Die Vorentscheidung, die auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist danach aufzuheben.
Der in der Bilanz nach der Verrechnung mit dem Guthaben ausgewiesene verbleibende Verlust in Höhe von ./. 255.798,48 DM wurde von dem Kläger nicht ausgeglichen. Es bestand auch gesellschaftsvertraglich keine Ausgleichspflicht, da nach dem Gesellschaftsvertrag nur ein negativer Saldo des Privatkontos auszugleichen war, sodass dem Kläger insoweit keine Werbungskosten entstanden sind.
Die in Form des Einlageverlustes entstandenen Werbungskosten sind im Streitjahr (2001) nur abziehbar, soweit sie i.S. des § 11 Abs. 2 EStG abgeflossen sind. Dies setzt voraus, dass in dem Jahresabschluss für 2001 der KG der Verlustanteil von dem Darlehenskonto des Klägers abgebucht und der Jahresabschluss im Veranlagungszeitraum 2001 aufgestellt worden ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH dürfen nach § 11 Abs. 2 EStG Verlustanteile eines typisch stillen Gesellschafters steuerrechtlich erst dann als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn der Geschäftsinhaber den Jahresabschluss festgestellt hat und der Verlustanteil des stillen Gesellschafters auf der Ebene der Gesellschaft berechnet und von seiner Einlage abgebucht worden ist. Entscheidend ist dabei nicht der Zeitpunkt, für den der Jahresabschluss erstellt wird, sondern der Zeitpunkt, in welchem dies tatsächlich geschieht. Erst dann verliert der stille Gesellschafter seine wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Einlage
In der Bilanz der KG zum 31. Januar 2001 wurden auf dem Darlehenskonto des Klägers ein positiver Vortrag in Höhe von 87.428,56 DM, Einlagen in Höhe von 1.366,05 DM und Entnahmen in Höhe von 679,44 DM ausgewiesen und mit dem auf den Kläger entfallenden Verlust in Höhe von 343.913,65 DM verrechnet. Zwar macht der Kläger geltend, dass sich aus der von ihm vorgelegten Aufstellung über die Kontenentwicklung zum 31. Januar 2001 ein Guthaben in Höhe von 455.997,41 DM ergebe. Da es für den Abfluss auf die Abbuchung im Jahresabschluss des Geschäftsinhabers ankommt, kann jedoch lediglich ein steuerlich ausgleichsfähiger Verlust in Höhe von 88.115,17 DM (87.428,56 DM + 1.366,05 DM Einlagen ./. 679,44 DM Entnahmen) anerkannt werden, sofern der Jahresabschluss der KG für den 1. Februar 2000 bis 31. Januar 2001 im Veranlagungszeitraum 2001 erstellt worden ist. Das FG hat zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses der KG keine Feststellungen getroffen und dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Die steuerliche Berücksichtigung des Verlustes in Höhe von 88.115,17 DM setzt weiter voraus, dass vom Kläger im Jahr 1998 eine Vermögenseinlage in Höhe von 980.474 DM geleistet worden.
Unstreitig war die feste Kapitaleinlage des Klägers in Höhe von 200.000 DM bereits durch die Verlustverrechnung zum 31. Januar 1997 aufgebraucht. Ein neues Verlustausgleichsvolumen konnte sich somit nur ergeben, wenn der Kläger eine weitere Einlage i.S. von § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG “geleistet”, d.h. tatsächlich erbracht und diese bei Beendigung der Gesellschaft endgültig verloren hat.
Nach der von dem Kläger vorgelegten Aufstellung seiner bei der stillen Gesellschaft geführten Konten vom 31. Januar 1997 bis 31. Januar 2001 konnte ein positives Kapitalkonto bei Beendigung der Gesellschaft nur dann bestehen, wenn sich der Kläger zum 31. Januar 1998 mit einer weiteren Vermögenseinlage in Höhe von 980.474,53 DM an dem Handelsgewerbe der KG beteiligt hat. Das FG hat –aus seiner Sicht zu Recht– hierzu keine Feststellungen getroffen.
Das FG hat danach im zweiten Rechtsgang festzustellen, ob der Jahresabschluss der KG zum 31. Januar 2001 im Veranlagungszeitraum 2001 aufgestellt worden ist und ob die nach den Aufzeichnungen des Klägers zum Bilanzstichtag 31. Januar 1998 erbrachte Einlage in Höhe von 980.474,53 DM tatsächlich geleistet worden ist. Nur in diesem Fall wären dem Kläger im Streitjahr 2001 durch die Abbuchung des Verlustes in dem Jahresabschluss der KG Werbungskosten in Höhe von 88.115,17 DM entstanden. Es hat dabei Folgendes zu beachten:
Sollte der Kläger eine Geldzahlung oder eine Sacheinlage in Höhe von 980.474,53 DM in das Gesellschaftsvermögen der KG geleistet haben, hat er eine Vermögenseinlage i.S. des § 230 HGB erbracht und der KG nicht lediglich ein Darlehen gewährt, da eine Verrechnung mit Verlusten dem Wesen des Darlehens fremd ist.
Soweit die Einlage nicht als Geld- oder Sachleistung in das Gesellschaftsvermögen der KG gelangt ist, sondern durch die Übernahme von Verbindlichkeiten, ist eine Erfüllungsübernahme, die lediglich im Innenverhältnis erfolgt ist, für einen Zufluss i.S. des § 11 Abs. 1 EStG nicht ausreichend. Schuldübernahmen führen auch nicht zu einem “erweiterten Verlustausgleich”, da § 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG eine derartige Erweiterung ausdrücklich nur für Kommanditisten und nicht für einen stillen Gesellschafter vorsehen.
Der Kläger ist im Besteuerungsverfahren der Aufforderung des FA, nachzuweisen, dass er tatsächlich eine Einlage in Höhe von 980.474,53 DM geleistet hat, unter Hinweis auf eine vom FA durchgeführte Außenprüfung nicht nachgekommen. Das FA ist jedoch auch nach einer Außenprüfung an seine tatsächliche und rechtliche Würdigung in früheren Veranlagungszeiträumen nicht gebunden. Danach trifft den Kläger die Feststellungslast (objektive Beweislast) hinsichtlich der tatsächlichen Umstände der Einlage, da sich diese steuermindernd auswirken.