Teilwertbestimmung und voraussichtlich dauernde Wertminderung bei unbebauten Grundstücken

Gewährt eine Gemeinde Grundstückserwerbern ansiedlungspolitisch bedingte Vorzugspreise, beeinflussen diese den Teilwert vergleichbarer Grundstücke nur dann, wenn die Gemeinde mit den Vorzugspreisen den örtlichen Grundstücksmarkt so stark bestimmt, dass auch andere Eigentümer ihre Grundstücke nicht teurer verkaufen können.

Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung ist in Bezug auf ein unbebautes Grundstück anzunehmen, wenn aus Sicht des Bilanzstichtags mehr Gründe für als gegen ein Andauern der Wertminderung sprechen. Eine allgemeingültige Frist für die erforderliche Dauer der Wertminderung gibt es hier nicht

BFH Urteil vom 21.09.2016 – X R 58/14 BFHNV 2017 S. 275

Begründung:

Der zu einem Betriebsvermögen gehörende Grund und Boden ist grundsätzlich mit seinen Anschaffungskosten anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–). Ist der Teilwert aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, so kann dieser angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).

Gemäß § 194 des Baugesetzbuchs (BauGB) wird der Verkehrswert eines Grundstücks durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.

Dabei kommt der Ableitung aus Verkaufspreisen für benachbarte Vergleichsgrundstücke grundsätzlich der Vorrang vor den anderen Wertermittlungsmethoden zu. Voraussetzung ist jedoch eine ausreichende Zahl repräsentativer und stichtagsnaher Verkaufsfälle in der näheren Umgebung. Grundstücksverkäufe, die einen zeitlichen Abstand zum Bewertungsstichtag aufweisen, der wesentlich länger als ein Jahr ist, bilden im Allgemeinen keine geeignete Grundlage zur unmittelbaren Ableitung des Verkehrswerts. Darüber hinaus bedarf es normaler Preisbildungsverhältnisse. Zwar sind alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussen, nicht aber ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, wie z.B. ein außergewöhnliches Interesse des Veräußerers oder des Erwerbers am Verkauf oder Erwerb des Grundstücks oder spekulative Erwägungen.

Aus Gründen der gleichmäßigen Besteuerung ist in der Praxis jedoch die Ableitung aus den Bodenrichtwerten (§ 196 BauGB), die die Gutachterausschüsse auf der Grundlage der Kaufpreissammlungen ermitteln, die Regel. Da es sich aber nur um durchschnittliche Lagewerte handelt, die sich auf Grundstücke in einem gebietstypischen Zustand beziehen, der mit dem des zu bewertenden Grundstücks nicht in allen Belangen identisch sein muss, können erhebliche Abweichungen durch Zu- und Abschläge zu berücksichtigen sein. Demgegenüber ist die Ermittlung des Verkehrswerts anhand eines Einzelgutachtens vom BFH nur für Ausnahmefälle zugelassen worden.

Ansiedlungspolitisch bedingte Vorzugspreise, die eine Gemeinde gewährt, können sich nur dann mit dem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis decken, wenn die Gemeinde mit den Vorzugspreisen den Grundstücksmarkt zum Stichtag so stark bestimmt, dass auch andere Eigentümer ihre Grundstücke nicht teurer verkaufen können. Andernfalls sind derartige Vorzugspreise als “ungewöhnliche Verhältnisse” anzusehen, die nach den vorstehenden Ausführungen unter a aa nicht zu repräsentativen Vergleichswerten führen.

Das FG hat –ohne diese Frage abschließend entschieden zu haben– “Zweifel” am Eintritt einer Wertminderung des Grundstücks geäußert und ist letztlich wohl von einer “Wertbeständigkeit” des Grundstücks ausgegangen. Die entsprechenden Erwägungen sind damit zwar nicht tragend für das angefochtene Urteil geworden. Da der Senat aber der Auffassung des FG zur Verneinung einer voraussichtlich dauernden Wertminderung nicht folgen kann (dazu unten 3.), wird im zweiten Rechtsgang die Höhe des Teilwerts mutmaßlich erneut von Bedeutung sein.

Auch der Umstand, dass der amtliche Bodenrichtwert für das gesamte Gebiet der Gemeinde G (7,00 EUR/qm) sehr nahe an dem Vorzugspreis liegt, der im Gewerbe- und Industriegebiet zu zahlen ist (6,50 EUR/qm), könnte ein Indiz dafür darstellen, dass die Gemeinde G mit ihren Vorzugspreisen den örtlichen Markt für Gewerbeflächen durchaus beeinflusst.

Der Ansatz des Privatgutachtens, für die Wertermittlung von den Preisen im Gewerbe- und Industriegebiet auszugehen, ist dem Grunde nach sachgerecht. Ein Unterschied zwischen den Grundstücken im Gewerbe- und Industriegebiet einerseits und im Sondergebiet andererseits ist auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht erkennbar. Die Grundstücke in beiden Gebieten sind gleich weit von der Autobahnausfahrt entfernt. Die Kläger weisen zudem zu Recht darauf hin, dass die Grundstücke im Gewerbe- und Industriegebiet deutlich näher am Ortskern der Gemeinde G liegen, was –jedenfalls bei einem die Wohnbevölkerung nicht durch Emissionen störenden Gewerbebetrieb– eher für einen etwas höheren Wert sprechen könnte.