Keine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Leistungen, die eine gemeinnützige GmbH im Rahmen eines Zweckbetriebs erbringt

Zu den Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung bei § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG.

Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen, die ein gemeinnütziger Verein im Zusammenhang mit steuerfreien Seminaren erbringt, unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG nicht dem ermäßigten Steuersatz.

BFH Urteil vom 8.3.2012, V R 14/11

Begründung:

Mit Urteil vom 8. März 2012 V R 14/11 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass eine gemeinnützige Körperschaft, die Seminare steuerfrei veranstaltet, für die Beherbergung und Beköstigung von Seminarteilnehmern nicht den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % in Anspruch nehmen kann.

Gemeinnützige Seminarveranstalter waren bereits bisher gezwungen, eine einheitliche Teilnahmegebühr, die z.B. Mittagessen oder Übernachtung mit Frühstück beim Seminar umfasst, aufzuteilen und den auf die Beköstigung und Beherbergung entfallenen Preisanteil zu versteuern. Während gemeinnützige Seminarveranstalter davon ausgingen, dass sie nach der für sie geltenden Sondervorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) den ermäßigten Steuersatz anwenden können, entschied der BFH nunmehr, dass Beherbergung und Beköstigung dem Regelsteuersatz unterliegen.

Das Urteil ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen verdeutlicht es die bei der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bestehenden Schwierigkeiten. So dürfen gemeinnützige Seminaranbieter nach dem für das Streitjahr 2007 ergangenen Urteil den ermäßigten Steuersatz weder für die Beherbergung noch für die Beköstigung anwenden. Dies ändert sich allerdings für spätere Besteuerungszeiträume ab 2010, ab denen die Neuregelung für den ermäßigten Steuersatz im Hotelgewerbe (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG) gilt. Gemeinnützige Seminaranbieter erbringen dann Leistungen, die drei gesonderten Regelungen unterliegen. Die Seminarveranstaltung selbst ist steuerfrei, die Beherbergung ist mit 7 % und das Mittagessen beim Seminar ist mit 19 % zu versteuern.

Zum anderen betont der BFH, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG nicht dem Unionsrecht entspricht. Danach sind nur die Leistungen der gemeinnützigen Körperschaften ermäßigt zu besteuern, die für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind. Dies führt zu einer engen Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG, nach der gemeinnützige Körperschaften für die Leistungen ihrer sog. wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe den ermäßigten Steuersatz selbst dann nicht in Anspruch nehmen können, wenn zugleich ein – ansonsten steuerrechtlich privilegierter – Zweckbetrieb vorliegt. Anders ist es nach dem BFH-Urteil, dem insoweit Grundsatzcharakter zukommt, nur, wenn es sich um Leistungen handelt, die für die Verwirklichung des Satzungszwecks unerlässlich sind oder die den Satzungszweck selbst verwirklichen. Dies führt gegenüber der bisherigen Besteuerungspraxis zu erheblichen Einschränkungen.

 

 

 

 

Übernachtungskosten und regelmäßige Arbeitsstätte bei LKW-Fahrern

Übernachtet ein Kraftfahrer in der Schlafkabine seines LKW, sind die Pauschalen für Übernachtungen bei Auslandsdienstreisen nicht anzuwenden. Liegen Einzelnachweise nicht vor, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu schätzen.

Bei Kraftfahrern im Fernverkehr erfüllen weder der LKW-Wechselplatz noch das Fahrzeug die Merkmale einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.

BFH Urteil vom 28.3.2012, VI R 48/11

Begründung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 28. März 2012 VI R 48/11 entschieden, dass ein im Ausland tätiger Fernfahrer, der in der Schlafkabine seines LKW übernachtet, nicht die Übernachtungspauschalen der Finanzverwaltung für Auslandsdienstreisen als Werbungskosten geltend machen kann, denn diese Pauschalen überschreiten die tatsächlich angefallenen Aufwendungen beträchtlich, so dass ihre Anwendung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Abziehbar sind jedoch die tatsächlich angefallenen Aufwendungen. Liegen Einzelnachweise nicht vor, so ist ihre Höhe zu schätzen. Im Streitfall hatte der Kläger arbeitstäglich Übernachtungskosten in Höhe von 5 € angesetzt. Dieser Betrag war nach Auffassung des BFH nicht zu beanstanden.

Der BFH hat in demselben Fall ferner entschieden, dass ein Fernfahrer die Kosten für die Fahrten von der Wohnung zum LKW (LKW-Wechselplatz) in der tatsächlich angefallenen Höhe als Werbungskosten abziehen darf. Das Finanzamt hatte nur die Entfernungspauschale anerkannt, weil es davon ausging, es handle sich um Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Der BFH hat dies anders beurteilt. Der LKW-Wechselplatz ist keine regelmäßige Arbeitsstätte, weil es sich nicht um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt und auch der LKW selbst ist keine regelmäßige Arbeitsstätte, weil das dafür erforderliche Merkmal einer ortsfesten Einrichtung nicht gegeben ist.