Unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens

Unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens

 BFH  Beschluss vom 10.6.2010, I B 194/09

 

Begründung:

 Das FG hat ermessensfehlerhaft von der Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Teilwert der zum 1. Januar 1994 in den BgA eingelegten Leitungen und Hausanschlüsse abgesehen und damit seine Aufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO verletzt.

 Während das FG die von den Verfahrensbeteiligten angebotenen Beweise grundsätzlich erheben muss, steht die Zuziehung eines Sachverständigen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Hat es die nötige Sachkunde selbst, braucht es einen Sachverständigen nicht hinzuziehen.

 Das dem Tatsachengericht bei der Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Sachverständigengutachten nach § 82 FGO i.V.m. §§ 404, 412 der Zivilprozessordnung zustehende Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung gutachtlicher Stellungnahmen absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Dies ist hier der Fall.

 Da der Wert und die Nutzungsdauer der Wasserversorgungsanlagen entscheidungserheblich, aber unter den Beteiligten streitig waren und anzunehmen ist, dass das FG nicht über die notwendige Sachkunde verfügt, hätte das FG Wert und Nutzungsdauer unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen ermitteln müssen. Dem konnte es sich nicht durch den Hinweis entziehen, dass die Klägerin Steuerbescheide vorangegangener Jahre, in denen die AfA mit 0 DM angesetzt worden waren, bestandskräftig hat werden lassen und die frühere Kämmerin der Klägerin bei einer vorangegangenen Betriebsprüfung angegeben haben soll, den Anlagen komme kein Wert zu. Abgesehen davon, dass die Klägerin Letzteres bestreitet, sind beide Umstände nicht geeignet, die Wertlosigkeit der Anlagen zum Einlagezeitpunkt zu belegen. Die Klägerin war nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung auch nicht an ihre frühere Einschätzung gebunden, zumal dies nach ihrem Vorbringen darauf zurückzuführen sein soll, dass sie ursprünglich davon ausgegangen sei, hieraus ergäben sich keine relevanten steuerrechtlichen Auswirkungen.

 Das FG konnte auch nicht ermessensfehlerfrei von der Einholung eines Sachverständigengutachtens mit der Begründung absehen, die Klägerin habe den mit der Klage geltend gemachten AfA-Betrag nicht hinreichend belegt. Zwar kann ein Sachverständigengutachten nicht dazu dienen, eine ausreichend substantiierte Klagebegründung zu ersetzen. Macht der Kläger daher nur unzureichende Angaben, so dass keine hinreichenden tatsächlichen Grundlagen vorhanden sind, anhand derer ein Sachverständiger ein Gutachten erstellen könnte, kommt die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht.

 Im Streitfall ist indessen nicht ersichtlich, weshalb ein Sachverständiger anhand der Angaben der Klägerin und ggf. weiteren Materialuntersuchungen nicht in der Lage sein sollte, den Teilwert der eingelegten Wirtschaftsgüter zum 1. Januar 1994 und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer dieser Wirtschaftsgüter ab dem Zeitpunkt der Einlage zu ermitteln.