Vermutung der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts

Es entspricht ständiger Rechtsprechung und ist daher nicht klärungsbedürftig, dass sich im Steuerrecht die Dreitagesfrist zwischen der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post und seiner Bekanntgabe bis zum folgenden Werktag verlängert, wenn das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt. Hieran hat sich trotz des zum sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren ergangenen Urteils des BSG vom 6. Mai 2010 B 14 AS 12/09 R (NJW 2011, 1099) nichts geändert.

BFH Beschluss vom 05.05.2014 – III B 85/13 (BFHNV 2014 S. 1186) (veröffentlicht am 25.06.2014)

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger war im Jahr 2001 (Streitjahr) nacheinander als Rechtsanwalt an zwei Sozietäten beteiligt. Im Jahr 2009 wurde eine Außenprüfung bei der Kanzlei “K Rechtsanwälte” abgeschlossen. An dieser Kanzlei war der Kläger beteiligt gewesen. In einem Bescheid vom 30. Dezember 2009 über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit für das Jahr 2001 wurden auf den Kläger entfallende Einkünfte von … DM festgestellt. Der Bescheid wurde am selben Tag zur Post gegeben. Die entsprechende Mitteilung des Feststellungs-FA wurde beim beklagten FA zunächst nicht ausgewertet. Zu einer Auswertung kam es erst Ende 2011.

Eine Mitarbeiterin des FA warf den geänderten Einkommensteuerbescheid 2001, durch welchen die Folgerungen aus dem Feststellungsbescheid vom 30. Dezember 2009 gezogen wurden, am 4. Januar 2012 persönlich in einen Briefkasten, der sich bei der Wohnung der Kläger befand. Gegen diesen Bescheid wandten sich die Kläger mit Einspruch. Zur Begründung trugen sie vor, die Frist für den Erlass eines geänderten Einkommensteuerbescheids sei abgelaufen, auch sei der Bescheid nicht wirksam bekannt gegeben worden.

Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg, ebenso wenig die anschließend erhobene Klage. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, der geänderte Einkommensteuerbescheid 2001 sei rechtmäßig. Festsetzungsverjährung sei zum Zeitpunkt seines Erlasses noch nicht eingetreten. Der Feststellungsbescheid vom 30. Dezember 2009 habe am 4. Januar 2010 (Montag) den Bereich des FA verlassen. Dies stehe aufgrund der als Zeugen vernommenen Mitarbeiter des FA fest. Die zweijährige Frist zur Auswertung dieses Grundlagenbescheids sei durch die wirksame Bekanntgabe gewahrt worden.

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die von den Klägern vorgebrachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

Die Kläger halten die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob sich die Dreitagesfrist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) nach § 108 Abs. 3 AO verlängert, wenn der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn eine für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen.

Die von den Klägern herausgestellte Rechtsfrage ist bereits geklärt. In der Rechtsprechung des BFH ist für den Bereich des Steuerrechts anerkannt, dass die Dreitagesfrist nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO in den Fällen des § 108 Abs. 3 AO verlängert.Insoweit besteht kein Klärungsbedarf.

Klärungsbedarf ist auch nicht dadurch entstanden, dass das BSG in dem Urteil in NJW 2011, 1099 für den Bereich des Sozialrechts zu § 37 Abs. 2 Satz 1 und zu § 26 Abs. 3 Satz 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch entschieden hat, dass sich an der Zugangsvermutung nichts ändert, wenn der Tag, für den der Zugang eines Bescheids unterstellt wird, ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag ist. Das BSG war der Ansicht, es weiche nicht von der BFH-Rechtsprechung ab, da der BFH auf die von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Erschütterung der Zugangsvermutung abgestellt habe sowie auf die besondere Situation im Steuerrecht mit der dort üblichen Vertretung durch Bevollmächtigte steuerberatender Berufe, die ihre Postfächer an Samstagen generell nicht leerten. Wegen der bewussten Abgrenzung des BSG hat der BFH keinen Anlass, seine Rechtsauffassung zu überdenken. Aufgrund der generellen Anwendbarkeit des § 108 Abs. 3 AO in den Fällen, in denen der Bekanntgabezeitpunkt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO vermutet wird, kann es im Einzelfall auch keinen Unterschied machen, ob ein Steuerpflichtiger durch einen Bevollmächtigten vertreten wird oder nicht.

Auch hinsichtlich der Rechtsfrage, ob sich die Rechtsprechung des BFH zur Verlängerung der Dreitagesfrist in den Fällen des § 108 Abs. 3 AO zu Lasten von Steuerpflichtigen auswirken kann, besteht kein Klärungsbedarf. Ist die Vorschrift anwendbar, so folgt daraus zwangsläufig, dass sie auch dann gilt, wenn sie sich für einen Steuerpflichtigen nachteilig auswirkt.