Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Rahmen einer Außenprüfung

Kommt ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nach, kann ein Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b AO verhängt werde.

BFH Beschluss vom 28.06.2011 – X B 37/11 BFHNV 2011 S.1833

Begründung:

Nach der Regelung des § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 EUR bis 250.000 EUR festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert.

Über diesen direkten Normzusammenhang hinaus kann nach dem zuvor dargelegten Wortlaut ein Verzögerungsgeld aber auch dann verhängt werden, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamtes zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt.

Es erscheint zwar systematisch missglückt, die Regelung des Verzögerungsgeldes, wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten bei einer Außenprüfung mit einem Verzögerungsgeld im Zusammenhang mit anderen Verpflichtungen zu verbinden. Sie hätte, worauf Drüen in Tipke/Kruse (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51) zutreffend hinweist, besser in § 200 AO verortet werden sollen. Angesichts des eindeutigen Wortlauts kann aber allein aus der unzureichenden systematischen Verortung nicht darauf geschlossen werden, ein Verzögerungsgeld dürfe nur im Zusammenhang mit einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland oder einer unterbliebenen Rückverlagerung der Buchführung aus dem Ausland festgesetzt werden (so aber Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O.). Dieses Normverständnis wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. Danach soll das Verzögerungsgeld im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten gleichermaßen gelten, um eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führen, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland tun, zu vermeiden (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 81). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob eine Erstreckung des Verzögerungsgeldes auch auf Fälle sonstiger Mitwirkungsverletzungen aus Gründen der Gleichbehandlung überhaupt erforderlich gewesen wäre.

Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO ist vorliegend erfüllt. Die Außenprüfung gegenüber dem Antragsteller wurde mit Bescheid vom 9. September 2008 angeordnet und sollte Mitte/Ende September 2008 beginnen. Der Antragsteller hat die Prüfungsanordnung nicht angefochten. Auf seinen Wunsch hin wurde der Prüfungsbeginn jedoch mehrmals verschoben. Schließlich sollte sie am 8. März 2010 beginnen.

Das FA durfte deshalb den Antragsteller auffordern, die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Dies geschah mit Schreiben vom 23. Oktober 2008, dem Antragsteller zusätzlich in Kopie ausgehändigt am 14. November 2008, und mit einem nahezu wörtlich identischen Schreiben vom 7. Januar 2010. Die noch im Januar 2010 eingeräumte Frist zur Vorlage der Unterlagen bis 1. März 2010 bzw. letztlich bis 8. März 2010 war angemessen.

Festsetzung von Verzögerungsgeld im Rahmen einer Außenprüfung

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass ein Verzögerungsgeld auch verhängt werden kann, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen im Rahmen einer Außenprüfung nicht fristgerecht nachkommt.

Es bestehen indes ernstliche Zweifel, ob eine mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben Unterlagen zulässig ist.

BFH Beschluss vom 16.6.2011, IV B 120/10

Erläuterung (BFH):

Mit Beschluss vom 16. Juni 2011 IV B 120/10 hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass ein Verzögerungsgeld verhängt werden kann, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Mitwirkungspflichten im Rahmen einer Außenprüfung nicht fristgerecht nachkommt. Werden angeforderte Unterlagen auch nach der Festsetzung des Verzögerungsgeldes nicht vorgelegt, darf allerdings wegen derselben Unterlagen nicht noch einmal ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden.

Mit dem Jahressteuergesetz 2009 hat der Gesetzgeber – bisher weitgehend unbemerkt – das sog. Verzögerungsgeld eingeführt. Es beträgt mindestens 2.500 € und höchstens 250.000 € und kann u.a. festgesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige bei einer Außenprüfung nicht innerhalb einer angemessenen Frist Auskünfte erteilt oder Unterlagen vorlegt. Ursprünglich stand die Einführung des Verzögerungsgelds im Zusammenhang mit der seit 2009 eingeräumten Befugnis, die Buchführung eines Unternehmens in das Ausland zu verlagern. Um einer evtl. erforderlichen Rückverlagerung der Buchführung in das Inland Nachdruck zu verleihen, wurde das Verzögerungsgeld eingeführt. Der Gesetzgeber hat es aber nicht bei dieser Regelung belassen, sondern das Verzögerungsgeld auch auf die verzögerte Mitwirkung im Rahmen einer Außenprüfung erstreckt. Der Finanzverwaltung steht damit neben der auch weiter bestehenden Möglichkeit zur Verhängung eines Zwangsgelds ein durchaus scharfes Sanktionsinstrument zur Verfügung, vergleicht man etwa die Höhe des Verzögerungsgelds von mindestens 2.500 € bis zu 250.000 € mit der Höhe des Zwangsgeldes, das höchstens 25.000 € betragen darf. Zudem ist das Verzögerungsgeld anders als das Zwangsgeld auch dann zu zahlen, wenn der Steuerpflichtige seiner Verpflichtung nach dessen Festsetzung doch noch nachkommt.

Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige von dem Finanzamt (FA) im Rahmen einer Außenprüfung angeforderte Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht. Weil bestimmte Unterlagen auch nach der Festsetzung eines Verzögerungsgelds nicht vorgelegt wurden, forderte das FA erneut zur Vorlage auf und setzte wegen derselben Unterlagen ein weiteres Verzögerungsgeld fest.

Der BFH hielt die erstmalige Festsetzung des Verzögerungsgeldes bei nicht fristgerechter Mitwirkung im Rahmen der Außenprüfung für zulässig. Die erneute Festsetzung eines Verzögerungsgeldes wegen derselben Unterlagen sei aber rechtswidrig.