Nur eingeschränktes Recht des Insolvenzverwalters auf Einsicht in die Steuerakten des Insolvenzschuldners
Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 24. November 2009 Aktenzeichen 1 K 1752/07
Erläuterungen
Unmittelbar nach seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners hatte der Kläger Einsicht in die beim beklagten Finanzamt geführten Steuerakten des Schuldners beantragt, um Kenntnis von möglichen Vermögensverschiebungen des Schuldners an Verwandte zu erlangen. Das Finanzamt erteilte dem Kläger Auskunft über einzelne möglicherweise anfechtbare Sachverhalte, verweigerte aber die begehrte umfassende eigene Einsicht in die Steuerakten. Der Kläger war demgegenüber der Meinung, dass er hinsichtlich der Insolvenzmasse die gleichen Rechte auf Gewährung von Akteneinsicht habe, wie sie für den Schuldner ohne Insolvenz bestanden hätten. Er habe zu prüfen, ob der Schuldner vor Insolvenzeröffnung seine steuerlichen Pflichten erfüllt habe und ob möglicherweise falsche Erklärungen zu berichtigen seien. Zudem müssten auch noch Steuererklärungen abgegeben werden, für deren Bearbeitung die Kenntnis des Inhalts der Erklärungen der Vorjahre erforderlich sei. Vom Schuldner selbst und seinen Steuerberatern seien diese Informationen nicht zu erhalten.
Das beklagte Finanzamt blieb jedoch bei seiner Ansicht. Akteneinsicht könne nur im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Abwägung der Interessen des Klägers und der öffentlichen Belange gewährt werden. Die öffentlichen Belange, insbesondere der durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) gewährleistete Schutz der im Besteuerungsverfahren bekannt gewordenen Verhältnisse des Schuldners, aber auch seiner getrennt veranlagten Ehefrau, überwögen die Interessen des Klägers.
Mit seiner Klage trug der Kläger vor, dass die Einsichtnahme hauptsächlich der Erfüllung der steuerlichen Pflichten diene, aber auch der Verfolgung anfechtbarer Vermögensverschiebungen des Schuldners. Sollten entsprechende Anfechtungen Erfolg haben, ergäben sich daraus auch Auswirkungen auf die steuerlich relevanten Einkünfte des Klägers, die zu einer Änderung der Steuerfestsetzungen führen würden. Insoweit diene die begehrte Akteneinsicht zumindest im Nebenzweck auch der Erfüllung der steuerlichen Pflichten.
Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, dass ein allgemeiner Anspruch auf Akteneinsicht nicht bestehe. Der Kläger habe nur Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber, ob ihm im Einzelfall Akteneinsicht gewährt werde. Die im Rahmen der Finanzgerichtsordnung nur eingeschränkt mögliche Überprüfung der Ermessensentscheidung des Finanzamts über die Ablehnung des Antrags begegne keinen rechtlichen Bedenken. Das Finanzamt habe u.a. rechtsfehlerfrei in seine Ermessensentscheidung die Wahrung des Steuergeheimnisses als zentralen öffentlichen Belang einbezogen. Dem Steuergeheimnis unterlägen sowohl die Verhältnisse des Schuldners als auch die seiner Ehefrau, insbesondere in den Jahren, in denen sie vom Schuldner getrennt veranlagt worden sei, außerdem die Verhältnisse Dritter. Zu Recht sei berücksichtigt worden, dass eine Zustimmung des Schuldners nicht vorliege und dass diese auch nicht durch eine Zustimmung des Insolvenzverwalters ersetzt werden könne, da die Zustimmung zur Offenbarung personenbezogener Verhältnisse ein höchstpersönliches Recht des Schuldners sei. Ein Akteneinsichts- und Auskunftsrecht des Insolvenzverwalters sei nicht schon dann gegeben, wenn lediglich ein – nicht substantiierter – Verdacht bestehe, ein Dritter habe vom Schuldner in anfechtbarer Weise einen Vermögensgegenstand erhalten. Das Finanzamt habe auch ohne Ermessensfehler ein überwiegendes Interesse des Insolvenzverwalters an einer Akteneinsicht zwecks Überprüfung bereits abgegebener Steuererklärungen verneint, da eine Pflicht zu einer Berichtigung nur bei einer positiven Kenntnis des Berichtigungsbedarfs bestehe. Soweit der Kläger darauf hingewiesen habe, Akteneinsicht zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Schuldners zu benötigen, habe das Finanzamt ohne Ermessensfehler darauf abgestellt, dass er nicht im Einzelnen dargetan habe, über welche steuerlich erheblichen Tatsachen er bereits Kenntnis habe und welche Informationen er noch zur Erstellung der Steuererklärungen benötige.