Zahlung für die Übernahme einer Zufahrtsbaulast als Anschaffungskosten des Grund und Bodens

Die Zahlung eines Grundstückseigentümers an seinen Nachbarn für eine Zufahrtsbaulast kann zu Anschaffungskosten des Grund und Bodens auch dann führen, wenn damit ein zweiter Zugang zum Grundstück eröffnet wird.

BFH Urteil vom 20.7.2010, IX R 4/10

Begründung:

Was zu den Anschaffungskosten einer Immobilie rechnet, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB). Danach sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen (§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB). Zu den solcherart definierten Anschaffungskosten gehören auch die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB).

Wird mit Erschließungsmaßnahmen das Grundstück in einen betriebsbereiten Zustand versetzt, sind die dadurch verursachten Aufwendungen den Anschaffungskosten von Grund und Boden zuzurechnen.

Der Erwerber bestimmt den Zweck des Grundstücks und damit, in welcher Weise es genutzt werden soll (vgl. "um … zu" in § 255 Abs. 1 HGB). Zweck bedeutet nicht nur, dass das Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einkünften im Rahmen einer bestimmten Einkunftsart genutzt werden soll, mithin betriebsbereit wäre, wenn es dafür überhaupt einsetzbar ist. Zweck bedeutet vielmehr auch die konkrete Art und Weise, in der der Erwerber das Grundstück zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart nutzen will. In Bezug auf den Grund und Boden wird dessen Betriebsbereitschaft allein durch seinen Zustand und deshalb durch grundstücksbezogene Kriterien bestimmt, insbesondere durch Größe, Lage, Zuschnitt, Erschließung und Grad der Bebaubarkeit. Solange diese Merkmale unverändert bleiben, bleibt es auch der Zustand dieses Wirtschaftsguts, so dass es am "Versetzen" des Grund und Bodens in einen betriebsbereiten Zustand fehlt. Unter dieser Prämisse führen nachträgliche Erschließungskosten, die anfallen, weil vorhandene Erschließungseinrichtungen ersetzt oder modernisiert werden, nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten.

Bei dieser originär steuerrechtlichen Auslegung des § 255 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGB kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Erschließung um eine öffentliche Erschließungsanlage oder um eine private Erschließungsmaßnahme handelt und in welchem zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Gewand die Erschließung vorgenommen wird. Entscheidend ist allein, ob die Erschließung die Nutzbarkeit des Grund und Bodens unabhängig von der Bebauung des Grundstücks und dem Bestand von auf dem Grundstück errichteten Gebäude erweitert und damit dem Grundstück ein besonderes, über den bisherigen Zustand   hinausgehendes ("versetzen" in § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB) Gepräge gibt.

o kann es sich auch dann verhalten, wenn das Grundstück zusätzlich zu einer bestehenden Anbindung an das Straßennetz eine zweite, bisher nicht vorhandene Zufahrts- und Zugangsmöglichkeit erhält. Hier wird das Wirtschaftsgut in einen neuen Zustand versetzt, wenn –z.B. in einem Sachverhalt wie dem des Streitfalls–   eine   erweiterte   Nutzbarkeit   des Grund und Bodens (höheres Nutzungspotential) erreicht wird..

Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend die vom Kläger aufgewandten Kosten als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. von § 255 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB für den Grund und Boden und damit nicht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG beurteilt.

Damit stimmt überein, wenn der BFH ein durch Grunddienstbarkeit gesichertes Wegerecht entsprechend der Zivilrechtslage (siehe § 96 des Bürgerlichen Gesetzbuches) dem Grund und Boden zurechnet und eine AfA von Anschaffungskosten der Grunddienstbarkeit nicht vornimmt (BFH-Urteil vom 7. Oktober 1960 VI 120/60 U, BFHE 71, 647, BStBl III 1960, 491). In beiden Fällen besteht ein unlösbarer Nutzungs- und Funktionszusammenhang des Nutzungsrechts mit dem dadurch erschlossenen Grundstück, der es ausschließt, es als selbständiges Wirtschaftsgut zu behandeln.