Gewöhnlicher Aufenthalt kraft Aufenthaltsdauer

Ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als 6 Monaten i.S. des § 9 Satz 2 AO ist gegeben, wenn der Aufenthalt über diese Zeitspanne hinaus erfolgt; kurzfristige Unterbrechungen werden bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Der "äußerlich erkennbare Zusammenhang" dieses Aufenthalts ist nicht durch eine konkrete und in ihrem Maß an der 6-Monats-Grenze orientierten Zeitgrenze für die (unschädliche) Abwesenheit zu ergänzen. Vielmehr ist eine einzelfallbezogene zeitliche Gewichtung der kurzfristigen Unterbrechung unter Berücksichtigung der Dauer des Gesamtaufenthalts maßgebend.

BFH Urteil vom 22.06.2011 I R 26/10 BFHNV 2011 S. 2001

Begründung:

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 1991/1997 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. A hatte in den Streitjahren wegen des jeweils zeitlich zusammenhängenden Aufenthalts von mehr als sechs Monaten Dauer im Inland ihren gewöhnlichen Aufenthalt.

Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person befindet sich gemäß § 9 Satz 1 AO dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als ein solcher Aufenthalt ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten anzusehen (§ 9 Satz 2 AO), wenn es sich nicht um einen Aufenthalt für private Zwecke handelt (§ 9 Satz 3 AO).

Ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten i.S. des § 9 Satz 2 AO ist gegeben, wenn der Aufenthalt über diese Zeitspanne erfolgt; dabei werden kurzfristige Unterbrechungen bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Damit kommt es auf die objektive Dauer des Aufenthalts an, unabhängig von subjektiven Vorstellungen und Plänen des Steuerpflichtigen.

Die Frist, die bei einer Überschreitung rückwirkend auf den ersten Aufenthaltstag als Anknüpfungspunkt für den Tatbestand unbeschränkter Steuerpflicht dient, muss nicht innerhalb eines Kalenderjahres bzw. Veranlagungszeitraums überschritten werden; der 31. Dezember eines Jahres ist daher keine Zeitgrenze.  f

Wenn für diese auf die objektive Dauer des Aufenthalts bezogene Frist des § 9 Satz 2 AO kurzfristige Unterbrechungen unberücksichtigt bleiben (§ 9 Satz 2 Halbsatz 2 AO), ist für eine Abgrenzung erheblich, ob der Aufenthalt trotz der Unterbrechung nach den objektiven Umständen (z.B. der Fortdauer des Anlasses für den Aufenthalt) noch als zusammenhängend angesehen werden kann. Dabei ist anerkannt, dass bei den insoweit maßgebenden Gesamtumständen z.B. übliche Familienheimfahrten und urlaubsbedingte Abwesenheitszeiten einem zusammenhängenden Aufenthalt nicht entgegenstehe.

Teilweise wird allerdings dieser "äußerlich erkennbare Zusammenhang" des Aufenthalts (Deppe, StuW 1982, 332, 335) durch eine konkrete Zeitgrenze für die Abwesenheit ergänzt, so dass von einer kurzfristigen Unterbrechung bei einer Dauer von mehr als zwei bis drei Wochen nicht mehr gesprochen werden könne.