Dem Vorsteuerabzug aus einer Lieferung i.S. von § 15 Abs. 1, § 3 Abs. 1 UStG steht nicht entgegen, dass der Lieferer zivilrechtlich nicht Eigentümer des Liefergegenstands ist und darüber hinaus beabsichtigt, den gelieferten Gegenstand vertragswidrig nochmals an einen anderen Erwerber zu liefern.
BFH Urteil vom 8.9.2011, V R 43/10
Begründung:
Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Unionsrechtlich ist der Steuerpflichtige gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) befugt, "die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen" abzuziehen, "die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden", "soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden".
Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Die Regelung setzt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht um, wonach es für die Lieferung auf "die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen", ankommt.
Für die Lieferung der fünf B-Systeme an die Klägerin kommt es nicht darauf an, ob die K-KG zivilrechtlicher Eigentümer der fünf B-Systeme war oder es sich um Geräte handelte, die im Eigentum einer anderen Leasinggesellschaft oder im Sicherungseigentum der diese Leasinggesellschaft finanzierenden Bank standen. Denn als Lieferung gilt umsatzsteuerrechtlich jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die eine andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer, ohne dass es dabei auf eine Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen ankommt. Dies trifft auf die Übertragung der B-Systeme von der F-KG auf die Klägerin zu.
Die weiteren Einwendungen des FA greifen nicht durch, insbesondere steht § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht dem Vorsteuerabzug der Klägerin entgegen. Die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Rückgängigmachung einer Lieferung führt nur zu einer nachträglichen Berichtigung des Vorsteuerabzugs und setzt voraus, dass der Liefernde oder der Lieferungsempfänger das der Lieferung zugrunde liegende Umsatzgeschäft beseitigt oder sich auf dessen Unwirksamkeit beruft, die zuvor begründete Erwartung des Lieferers auf ein Entgelt dadurch entfällt und der Abnehmer den empfangenen Gegenstand in Rückabwicklung des Umsatzgeschäftes zurückgibt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insbesondere ist das der Lieferung zugrunde liegende Umsatzgeschäft nicht beseitigt worden.