Obligatorische Beiträge an die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung können nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie aus Einkünften stammen, die in Deutschland aufgrund des DBA-Schweiz steuerfrei sind.
Der fehlende Sonderausgabenabzug verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Die entsprechenden Beiträge können auch nicht bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes im Rahmen eines negativen Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden.
BFH Urteil vom 18.4.2012, X R 62/09
Begründung:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die von ihm an die AHV geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen zwar grundsätzlich gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in den Grenzen des § 10 Abs. 3 EStG geltend machen kann (unten 1.), dem Sonderausgabenabzug jedoch § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG entgegensteht (unten 2.). Eine Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen des Progressionsvorbehalts ist ebenfalls nicht möglich (unten 3.).
Die AHV-Beiträge sind grundsätzlich als Vorsorgeaufwendungen abziehbar, weil die AHV als Sozialversicherungsträger i.S. des § 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG anzusehen ist. Hierzu hat das FG –den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend– festgestellt, dass im Streitfall obligatorische Beiträge an eine gesetzliche Rentenversicherung vorliegen. Ob es sich um einen in- oder ausländischen Sozialversicherungsträger handelt, ist insoweit ohne Belang.
Der Sonderausgabenabzug der aufgrund der gewerblichen Tätigkeit zu entrichtenden Beiträge an die AHV scheitert jedoch gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG daran, dass die Beiträge in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.
Ein solcher unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht zwischen den vom Kläger an die AHV geleisteten Beiträgen und seinen im Inland steuerbefreiten Einkünften aus der in der Schweiz ausgeübten gewerblichen Tätigkeit (unten a und b). Der Ausschluss dieser ausländischen Vorsorgeaufwendungen vom Sonderausgabenabzug verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist danach dadurch gegeben, dass die steuerfreien Einnahmen verpflichtend der Finanzierung der Vorsorgeaufwendungen dienen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob die Vorsorgeaufwendungen zu steuerfreien Einnahmen führen.
Durch das Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 16. Juli 2009 (BGBl I 2009, 1959) wurde lediglich eine Sonderregelung für steuerfreie Zuschüsse zu Kranken- und Pflegeversicherungen eingeführt. Danach stehen derartige Zuschüsse insgesamt in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Hierdurch wird sichergestellt, dass Beiträge zur Absicherung von Mehrleistungen bei privat krankenversicherten Arbeitnehmern genauso behandelt werden wie bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/13429, 44).
Mit dem Konzept der nachgelagerten Besteuerung wurde die Besteuerung von Leibrenten neu geregelt. Rentenzuflüsse, also die zeitlich gestreckte Auszahlung der Versicherungssumme, können jetzt, auch soweit sie auf eigenen Beitragszahlungen des Steuerpflichtigen zur Rentenversicherung beruhen, über den Ertragsanteil hinaus der Besteuerung unterworfen werden. Zumindest solange die Beitragszahlungen "steuerfrei" gestellt werden, wird der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Eine solche Steuerfreistellung ist hier gegeben. Zwar mindern die Beiträge zur schweizerischen AHV die inländische Bemessungsgrundlage nicht. Dafür werden aber die mit den AHV-Beiträgen untrennbar verbundenen gewerblichen Einkünfte des Steuerpflichtigen gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 7 Abs. 1 DBA-Schweiz von der inländischen Bemessungsgrundlage ausgenommen. Einer weitergehenden steuerlichen Berücksichtigung dergestalt, dass die Beiträge zusätzlich noch die inländische Bemessungsgrundlage vermindern, bedarf es nicht.