Abgeltungssteuersatz bei Darlehen zwischen Angehörigen

Die Privilegierung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 % besteuert werden, gegenüber anderen progressiv besteuerten Einkunftsarten ist verfassungsgemäß.

Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG ist nicht schon deshalb nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i.S. des § 15 AO sind. Diese einschränkende Auslegung des Ausschlusstatbestands entspricht dem Willen des Gesetzgebers und ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

Gewährt der Steuerpflichtige seinen Abkömmlingen ein Darlehen zur Anschaffung einer fremdvermieteten Immobilie und ist der Darlehensvertrag nach dem Maßstab des Fremdvergleichs der Besteuerung zugrunde zu legen, kann nicht bereits aufgrund des Fehlens einer Besicherung oder der Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund des Steuersatzgefälles bei dem Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge ein sog. Gesamtbelastungsvorteil entsteht

BFH  Urteil vom 29.4.2014, VIII R 9/13

Begründung:

Jedoch ist im Streitfall der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG nicht nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger als Gläubiger und die Klägerin und Kinder als Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen im Sinne dieser Vorschrift waren.

Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG nicht für Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Anwendung dieses Ausnahmetatbestandes in seinen Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 1-S 2252/08/10004 (BStBl I 2010, 94) und vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013 (BStBl I 2012, 953) –jeweils Rz 134– für das Streitjahr in verfassungskonformer Rechtsfortbildung dahingehend eingeschränkt, dass der Abgeltungsteuersatz nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen..

Nach dem Wortsinn fallen unter den Begriff der “nahestehenden Person” alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Hierzu gehören auch Angehörige i.S. des § 15 AO, da bei diesem Personenkreis bereits das auf der Verwandtschaft, dem Verlöbnis oder der Eheschließung beruhende Näheverhältnis auf eine enge Bindung schließen lässt.

Diese weite Auslegung des gesetzlichen Tatbestands widerspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers, den er in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zum Ausdruck gebracht hat. Danach soll ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (BTDrucks 16/4841, S. 61). Danach ist ein lediglich aus der Familienangehörigkeit oder Ehe abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen.

Eine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes für Angehörige i.S. des § 15 AO ergibt sich auch nicht aus einem Gesamtbelastungsvorteil, der entstehen kann, wenn die Entlastung des Darlehensnehmers durch den Schuldzinsenabzug höher ist als die steuerliche Belastung des Darlehensgebers. Eine solche Vorstellung von der Familie als einheitlichem “Bilanzraum” beruht auf unzutreffenden Voraussetzungen; denn abgesehen von der durch die Regelung der Unterhaltspflichten (§§ 1360 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) bedingten “Unterhaltsgemeinschaft” begründen Ehe und Familie als solche bei der Einkünfteermittlung keine Vermögensgemeinschaft (vgl. BVerfG-Entscheidungen in BVerGE 13, 290; vom 20. März 1963  1 BvL 20/61, BVerfGE 15, 328; in BVerfGE 26, 321). Das “nahe persönliche Verhältnis” führt nicht notwendig oder typischerweise zu einer Wirtschaftsgemeinschaft oder einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, durch die Familienangehörige in die Rolle unselbständiger “Strohmänner” gedrängt würden