Rückstellungen für Kosten eines zukünftigen Prozesses (hier: Schiedsgerichtsverfahren)

Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten können nur gebildet werden, wenn die für das Entstehen der Schuld erforderlichen wesentlichen Tatbestandsmerkmale am Bilanzstichtag erfüllt sind. Ein zukünftiger Prozesskostenaufwand für einen am Bilanzstichtag noch nicht anhängigen Prozess kann deshalb grundsätzlich nicht zurückgestellt werden. Anderes kann allerdings dann gelten, wenn sich unter Würdigung der Gesamtumstände am Bilanzstichtag die (spätere) Klageerhebung nur noch als selbstverständliche und daher rein formale Handlung darstellt.

BFH Beschluss vom 11.11.2015 – IB 3/15

Sachverhalt:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) –eine GmbH– unterhielt als Vertriebsgesellschaft Geschäftsbeziehungen mit der in Frankreich ansässigen D. Nachdem Letztere die Vertragsvereinbarung mit der Klägerin im April 2007 gekündigt hatte, leitete die Klägerin aufgrund einer entsprechenden Abrede in Art. 10 der Vertriebsvereinbarung im März 2008 ein Schiedsgerichtsverfahren ein. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erkannte die auf den Ablauf des Streitjahres 2007 gebildete Rückstellung für zukünftige Prozesskosten über 517.484 EUR nicht an.

Begründung:

Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde ist zu verwerfen, da sie nicht den Anforderungen an die Darlegung der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Revisionszulassungsgründe genügt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Soweit die Klägerin rügt, es sei von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob Rückstellungen für zukünftige Prozesskosten nur nach „Existenz” eines Prozesses oder auch aufgrund anderer –der Prozesseinleitung– vorgelagerter Umstände zu bilden sind, ist ihr Vortrag unschlüssig. Die Ausführungen lassen außer Acht, dass Verbindlichkeitsrückstellungen (§ 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs i.V.m. § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 und § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002) nur gebildet werden können, wenn die für das Entstehen der Schuld erforderlichen wesentlichen Tatbestandsmerkmale am Bilanzstichtag erfüllt sind, und deshalb ein zukünftiger Prozesskostenaufwand für einen am Bilanzstichtag noch nicht anhängigen Prozess grundsätzlich nicht zurückgestellt werden kann; zugleich hat der Senat jedoch im Hinblick auf etwaige Kosten eines noch nicht eingelegten Rechtsmittels gegen ein am Bilanzstichtag noch nicht ergangenes vorinstanzliches Urteil erwogen, von einer wirtschaftlichen Erfüllung der wesentlichen Tatbestandsmerkmale bereits dann auszugehen, wenn sich unter Würdigung der Gesamtumstände die tatsächliche Einlegung des Rechtsmittels am Bilanzstichtag nur noch als selbstverständliche und daher rein formale Handlung darstellt.