BFH begrenzt Vorsteuerabzug für Unternehmensgründer

Der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH kann im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll.

BFH Urteil vom 11.11.2015, V R 8/15

Begründung:

Der Gesellschafter einer erst noch zu gründenden GmbH ist im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 11. November 2015 V R 8/15 entschieden hat.

Im Streitfall ging es um einen Arbeitnehmer (Kläger), der über eine von ihm zu gründende GmbH eine unternehmerische Tätigkeit aufnehmen wollte. Die GmbH sollte die Betriebsmittel einer anderen Firma im Rahmen eines Unternehmenskaufs erwerben. Der Kläger wurde hierfür durch eine Unternehmensberatung für Existenzgründer und einen Rechtsanwalt beraten. GmbH-Gründung und Unternehmenskauf unterblieben. Der Kläger ging gleichwohl davon aus, dass er zum Vorsteuerabzug nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes berechtigt sei.

Während das Finanzgericht dem folgte, verneinte der BFH den Anspruch auf Vorsteuerabzug. Maßgeblich hierfür ist die rechtliche Eigenständigkeit der GmbH.

So wäre der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, wenn er beabsichtigt hätte, das Unternehmen selbst zu kaufen, um es als Einzelunternehmer zu betreiben. Dies gilt auch für den Fall einer erfolglosen Unternehmensgründung.

Als Gesellschafter einer –noch zu gründenden– GmbH bestand für den Kläger kein Recht auf Vorsteuerabzug. Zwar kann auch ein Gesellschafter den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, wenn er Vermögensgegenstände erwirbt, um diese auf die GmbH zu übertragen (Investitionsumsatz). Daher kommt ein Vorsteuerabzug z.B. dann in Betracht, wenn er ein Grundstück erwirbt und dann in die GmbH einlegt. Demgegenüber waren die im Streitfall vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen nicht übertragungsfähig. Daher war die Entscheidung der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holding

Einer geschäftsleitenden Holding, die an der Verwaltung einer Tochtergesellschaft teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, steht für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zu.

Steuerfreie Einlagen bei Kreditinstituten, die zur Haupttätigkeit des Unternehmers gehören, sind keine “Hilfsumsätze” i.S. des § 43 Nr. 3 UStDV.

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG kann in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff “juristische Person” auch eine GmbH & Co. KG umfasst.

BFH Urteil vom 19.1.2016, XI R 38/12

Begründung:

Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 19. Januar 2016 XI R 38/12 mehrere Rechtsfragen zum Vorsteuerabzug einer Führungsholding (geschäftsleitenden Holding) und zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft geklärt.

 I. Vorsteuerabzug einer Führungsholding

 Im Streitfall erbrachte die Klägerin, eine Holding, an ihre Tochter-Personengesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG entgeltliche administrative und kaufmännische Dienstleistungen. Daneben legte sie u.a. Kapital verzinslich bei einer Bank an. Zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit und des Erwerbs der Anteile an den Tochtergesellschaften bezog die Klägerin ihrerseits Dienstleistungen von anderen Unternehmen (wie z.B. die Erstellung eines Ausgabeprospekts und Rechtsberatungsleistungen).

 Die Klägerin begehrte für die auf die Dienstleistungen entfallende Umsatzsteuer den vollen Vorsteuerabzug.

 Der BFH hat im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) entschieden, dass der Klägerin für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zusteht. Allerdings ist die verzinsliche Anlage eines Teils des eingeworbenen Kapitals bei einer Bank ein umsatzsteuerfreier Umsatz, so dass die mit der Kapitalanlage in Zusammenhang stehende Vorsteuer (anteilig) nicht abziehbar ist. Auf die erforderliche Vorsteueraufteilung kann auch nicht aufgrund der Vereinfachungsregelung des § 43 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung verzichtet werden, weil die verzinsliche Anlage von Kapital zur Haupttätigkeit der Klägerin gehört. Der BFH hat die Sache deshalb an das Finanzgericht (FG) Hamburg zurückverwiesen.

II. Umsatzsteuerrechtliche Organschaft

 Ein zweiter Schwerpunkt der Entscheidung ist die Frage, ob eine GmbH & Co. KG im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft Organgesellschaft sein kann.

 Besteht eine Organschaft, sind die im Inland gelegenen Unternehmensteile des Organträgers und seiner Organgesellschaften als ein Unternehmen zu behandeln und der Organträger wird Steuerschuldner für alle Leistungen, die der Organkreises gegenüber Dritten erbringt. Liegt eine Organschaft vor, wirkt sich dies deshalb auf die Höhe der gegenüber dem Organträger festzusetzenden Umsatzsteuer aus.

Voraussetzung hierfür ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist, was nach bisherigen deutschem Verständnis ein Verhältnis der Unterordnung der Organgesellschaft unter den Organträger voraussetzt.

Der BFH ist im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015:496) zu dem Ergebnis gelangt, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG jedenfalls insoweit unionsrechtswidrig ist, als die Vorschrift vorsieht, dass eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann. Dieser Ausschluss ist weder zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen noch zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder umgehung erforderlich und angemessen. Weiter hat der BFH entschieden, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff “juristische Person” auch eine GmbH & Co. KG umfasst. Er knüpft dabei an Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts an, die dieselbe Auslegung in anderem Zusammenhang bereits ebenfalls vorgenommen haben.

Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, mit Unionsrecht vereinbar ist, ließ der XI. Senat des BFH aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG offen. Der V. Senat des BFH hat dazu mit Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14 die Auffassung vertreten, es sei weiter daran festzuhalten, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte bei der Organgesellschaft verfügen muss und dass zudem im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Organgesellschaft bestehen muss (vgl. Pressemitteilung Nr. 4/2016 vom 27. Januar 2016).

Steuerpflicht bei testamentarisch angeordneter Verzinsung eines Vermächtnisses

Zinsen, die auf einer testamentarisch angeordneten Verzinsung eines erst fünf Jahre nach dem Tode des Erblassers fälligen betagten Vermächtnisanspruchs beruhen, sind beim Vermächtnisnehmer steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Das bloße Nichtgeltendmachen der Zinsen gegenüber dem Erben bei Fälligkeit begründet beim Vermächtnisnehmer keinen Zufluss i.S. des § 11 EStG.

BFH Urteil vom 20.10.2015, VIII R 40/13

Begründung:

Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte können sich bei einem Berliner Testament auch aus einer testamentarisch angeordneten Verzinsung eines Vermächtnisanspruchs ergeben, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20. Oktober 2015 VIII R 40/13 entschieden hat.

Im Streitfall hatten Ehegatten ein Berliner Testament errichtet. Der Längerlebende sollte nach dem Tode des ersten Ehegatten Alleinerbe werden. Die Ehegatten setzten dem Sohn nach dem ersten Erbfall als Vermächtnis einen Geldbetrag in Höhe des „beim Tode des Erstversterbenden geltenden Freibetrages” bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer aus. Dieser Betrag sollte aber erst fünf Jahre nach dem Tode des zuerst Versterbenden fällig werden. Der auszuzahlende Geldbetrag war mit 5 % bis zur Auszahlung zu verzinsen. Der Vater verstarb im Jahr 2001. Alleinerbin wurde die Mutter. Der Sohn forderte den fälligen Vermächtnisbetrag samt Zinsen von seiner Mutter bei Fälligkeit im Jahr 2006 nicht ein. Im Folgejahr verzichtete er auf seinen Geldanspruch aus dem Vermächtnis samt Zinsen.

Der BFH sieht die Zinsen aufgrund des Vermächtnisses als einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Es liege ein sog. betagtes Vermächtnis vor, das bereits mit dem Tode des Vaters im Jahr 2001 entstanden, aber erst fünf Jahre danach im Streitjahr 2006 fällig geworden sei. Zinsen, die auf einer testamentarisch angeordneten Verzinsung eines betagten Vermächtnisanspruchs beruhen, sind beim Vermächtnisnehmer gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes steuerpflichtig.

Verlust aus dem Verfall von Optionen steuerlich berücksichtigungsfähig

Einkünfte bei einem Termingeschäft i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Satz 5 EStG liegen bei dem Erwerb einer Option auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige die Option bei Fälligkeit verfallen lässt.

BFH Urteil vom 12.1.2016, IX R 50/14

Begründung:

Verluste aus dem Verfall von Optionen mindern die Einkünfte aus Kapitalvermögen, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit drei Urteilen vom 12. Januar 2016 (IX R 48/14, IX R 49/14 und IX R 50/14) entgegen der Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) entschieden hat.

In den Streitfällen hatten Privatanleger jeweils Aktien- und Indexoptionen erworben. Der Kurs der Wertpapiere und Aktienindizes entwickelte sich nicht wie erwartet. Die Optionen “liefen aus dem Geld” und mussten nach dem Ende der Laufzeit als wertlos aus den Wertpapierdepots der Anleger ausgebucht werden. Die Steuerpflichtigen machten den Wertverlust als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.

Der BFH erkennt die Verluste aus dem Verfall der wertlos gewordenen Optionen steuerlich an. Optionsbedingte Verluste sind danach bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes zu berücksichtigen. Dies folgt aus dem Wortlaut, der systematischen Stellung und dem Sinn und Zweck der Regelung. Es ist dabei unerheblich, ob der Anleger aufgrund der Option auch den zugrundeliegenden Basiswert erwirbt oder ob er einen sich aus dem Optionsgeschäft ergebenen Unterschiedsbetrag in bar ausgleicht. Der BFH betrachtet die Anschaffung der Option und den Ausgang des Optionsgeschäfts als Einheit. Die Steuerpflichtigen dürfen daher den Wertverlust mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen (z.B. Einnahmen aus Zinsen oder Dividenden) verrechnen und steuerlich nutzen.

Mit seinen Urteilen wendet sich der BFH ausdrücklich gegen die Auffassung des BMF (BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2012, BStBl I 2012, 953, Rz. 27 und vom 27. März 2013, BStBl I 2013, 403). Die Urteile sind auch deshalb von besonderer Bedeutung, da sie zur heute geltenden Rechtlage nach Einführung der Abgeltungssteuer ergangen sind.

BFH schränkt Berücksichtigung von Steuerschulden bei Steuerhinterziehung durch Erblasser ein

Der Erbe kann eine vom Erblasser hinterzogene Einkommensteuer, die auch nach dem Eintritt des Erbfalls nicht festgesetzt wurde, selbst dann nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen, wenn er das für die Festsetzung der Einkommensteuer zuständige FA zeitnah über die Steuerangelegenheit unterrichtet hat.

BFH Urteil vom 28.10.2015, II R 46/13

Begründung:

Bei der Erbschaftsteuer wirken Steuerschulden, die auf einer Steuerhinterziehung des Erblassers beruhen, nur dann erwerbsmindernd, soweit die hinterzogene Steuer nach dem Erbfall auch tatsächlich festgesetzt wird. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 28. Oktober 2015 II R 46/13 unter Aufgabe früherer Rechtsprechung entschieden.

 Im Streitfall hatte eine Erblasserin Zinsen aus in Luxemburg angelegtem Kapitalvermögen nicht versteuert. Nach ihrem Tod deckte der Kläger, einer der Erben, die Steuerhinterziehung gegenüber dem Finanzamt (FA) auf. Das FA setzte die Einkommensteuer nachträglich gegen die Erben als Gesamtrechtsnachfolger fest, legte dabei jedoch fälschlicherweise DM-Beträge statt €-Beträge zugrunde. Dies führte im Ergebnis zu einer zu niedrigen Einkommensteuer. Der Kläger machte bei der Erbschaftsteuer nicht die tatsächlich festgesetzte, sondern die materiell-rechtlich zutreffende Einkommensteuersteuerschuld als Nachlassverbindlichkeit geltend. Das für die Erbschaftsteuer zuständige FA erkannte nur die tatsächlich festgesetzte Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit an. Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des Klägers.

Demgegenüber hob der BFH die Entscheidung des FG auf und wies die Klage ab.

Nach dem Urteil des BFH mindert sich der steuerpflichtige Erwerb des Erben entsprechend dem sog. Bereicherungsprinzip um die vom Erblasser herrührenden Schulden (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes). Dies erfordert eine wirtschaftliche Belastung des Erben. Bei Steuerschulden des Erblassers ist diese im Allgemeinen gegeben, da die Finanzbehörden die entstandenen Steueransprüche grundsätzlich auch festsetzen. Anders ist es aber, wenn wie bei einer Steuerhinterziehung davon auszugehen ist, dass der Steuergläubiger seine Forderung nicht geltend machen kann. Eine wirtschaftliche Belastung liegt nach dem Urteil des BFH jetzt nur noch dann vor, wenn die Finanzbehörde die hinterzogene Steuer später auch tatsächlich festsetzt. Mit dem Bereicherungsprinzip sei es nicht zu vereinbaren, Steuern, die beim Eintritt des Erbfalls aufgrund der Hinterziehung keine wirtschaftliche Belastung waren und auch später den Erben mangels Festsetzung nicht belasten, erwerbsmindernd zu berücksichtigen.

Demgegenüber ist der BFH früher davon ausgegangen, dass eine wirtschaftliche Belastung im Hinterziehungsfall auch gegeben sei, wenn der Erbe das zuständige FA zeitnah über die Steuerangelegenheit unterrichtet (BFH-Urteil vom 24. März 1999 II R 34/97). Hieran hält der BFH jetzt nicht mehr fest

Innergemeinschaftliche Lieferungen

Der Unternehmer darf den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Tatbestandsmerkmale einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch jenseits der formellen Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV grundsätzlich nicht in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen führen.

BFH Beschluss vom 08.12.2015 – VB 40/15

Begründung:

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

Die Klägerin macht mit ihrer Beschwerde geltend, dass die Revision nach § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei, da das Finanzgericht (FG) „ohne rechtliches Gehör einen Beweisantrag übergangen” habe. Sie habe beantragt, mittels Auskunft des italienischen Fahrzeugregisters Beweis zu der Frage zu erheben, ob die PKW, die Gegenstand der streitigen innergemeinschaftlichen Lieferung waren, in Italien zum Straßenverkehr zugelassen worden sind. Das FG habe nicht erklärt, dass es dem Beweisantrag nicht nachgehen wollte.

Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Unternehmer den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Tatbestandsmerkmale einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch jenseits der formellen Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) grundsätzlich nicht in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen führen darf.

Der BFH hat dies damit begründet, dass der Neutralitätsgrundsatz die Steuerbefreiung zwar auch dann gebietet, wenn der Steuerpflichtige die formellen Anforderungen an den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht oder nicht vollständig erfüllt, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung dann aber unbestreitbar feststehen müssen und dass der Unternehmer auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes grundsätzlich nicht berechtigt ist, den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Anforderungen in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen zu führen. Somit kommt ein Beweis durch Zeugen als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) noch auf Antrag. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen

Danach scheidet die von der Klägerin beantragte Beweiserhebung bereits wegen § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV und damit aus Gründen des materiellen Rechts aus.

Der beantragte Beweis wäre nur zu erheben gewesen, wenn der Klägerin die Einhaltung der § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV „nicht zumutbar” war. Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor. Damit ist das Urteil nicht verfahrensfehlerhaft, sondern in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht ergangen, das die von der Klägerin gewünschte Art der Beweisführung –abgesehen vom Ausnahmetatbestand der Unzumutbarkeit– nicht vorsieht.

Bindungswirkung eines Ablehnungsbescheides für Kindergeld

Die Bindungswirkung eines bestandskräftigen, die Gewährung von Kindergeld ablehnenden Bescheids erstreckt sich auf die Zeit bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe (Festhalten an bisheriger BFH-Rechtsprechung).

BFH Urteil vom 21.10.2015-VIR 35/14 BFH/NV 2016, 178

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog Kindergeld für ihre Tochter … (M). M beendete im Juli 2012 die Schulausbildung und suchte einen Studien- oder Ausbildungsplatz. Mit Bescheid vom 29. Januar 2013 hob die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung ab Dezember 2012 auf, weil M’s Ausbildungswilligkeit nach Mitteilung der Berufsberatung nur bis November 2012 nachgewiesen sei. Der Klägerin wurde allerdings anheimgestellt, den beigefügten Vordruck mit weiteren Nachweisen (Bewerbungen, Ablehnungsschreiben, Eigenbemühungen um einen Ausbildungsplatz) bei der Familienkasse einzureichen.

Die Klägerin beantragte Anfang Juli 2013 erneut Kindergeld für M und legte dazu die Studienbescheinigung einer Hochschule vor, nach der M ab dem Wintersemester 2013/14 ein Studium absolvieren werde. Die Familienkasse setzte mit Bescheid vom 29. August 2013 Kindergeld für März 2013 bis Mai 2013 fest. Die Klägerin sei erst nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen den Aufhebungsbescheid vom 29. Januar 2013 ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen. Eine Änderung für die Vergangenheit könne nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) nicht mehr erfolgen. Kindergeld könne frühestens ab dem Monat erneut festgesetzt werden, der dem Monat der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids folge. Dieser Ablehnungsbescheid vom 29. Januar 2013 gelte am 3. Tag nach Postaufgabe als bekanntgegeben, also am 1. Februar 2013. Die Bindungswirkung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheids reiche daher bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe, hier also bis Ende Februar 2013.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Denn die Familienkasse hat es zu Recht abgelehnt, Kindergeld für den Monat Februar 2013 zu gewähren, weil der streitigen Kindergeldfestsetzung der am 1. Februar 2013 bekannt gegebene bestandskräftige Bescheid vom 29. Januar 2013 entgegensteht.

Begründung:

Es entspricht der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH), dass sich die Bindungswirkung eines bestandskräftigen, die Gewährung von Kindergeld ablehnenden Bescheids auf die Zeit bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe erstreckt. Dementsprechend kann auf einen danach gestellten weiteren Antrag Kindergeld rückwirkend nur ab dem auf die Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids folgenden Monat bewilligt werden.

Die Auffassung, dass sich die Bindungswirkung eines Kindergeld ablehnenden oder aufhebenden Bescheids bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe erstreckt, entspricht der ganz überwiegenden Kommentarliteratur.

Der erkennende Senat hat diese Auffassung in seinen insbesondere auf den Regelungsgehalt des Ablehnungsbescheids gestützt. Der Verwaltungsakt trifft eine Regelung auf Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Bescheiderteilung. Daraus schloss der Senat und nachfolgend die seitdem ständige Rechtsprechung des BFH, dass sich der Verwaltungsakt in der Regelung des Anspruchs auf Kindergeld für den bis dahin abgelaufenen Zeitraum erschöpft und dementsprechend die Bindungswirkung des Bescheids sich auf die Zeit bis zum Ende des Monats, in dem er bekannt gegeben wurde, beschränkt.

) Die Beschränkung auf die Zeit bis zum Ende des Monats, in dem ein Ablehnungsbescheid bekannt gegeben wird, bedeutet zugleich, dass die Bindungswirkung des Bescheids auch bis zum Ende des Monats reicht. Denn die Festsetzung von Kindergeld ist ein teilbarer Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus dem nach § 66 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltenden Monatsprinzip, nach dem Kindergeld für jeden Monat gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Die Festsetzung umfasst somit einen Anspruch für jeden Monat; daher kann sie für einzelne Monate aufgehoben oder geändert werden und für andere Monate unverändert bestehen bleiben; das entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung.

Dieses Monatsprinzip ist Teil der Regelung des Ablehnungsbescheids (Regelungsgehalt), das aus der materiell-rechtlichen Grundlage des Kindergeldanspruchs folgt. Denn Kindergeld wird nicht tageweise, nicht wochenweise, sondern monatsweise gezahlt, nämlich nach § 66 Abs. 2 EStG monatlich vom Beginn des Monats an, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, und bis zu dem Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Zahlungszeitraum und Anspruchszeitraum stimmen überein, der Leistungszeitraum ist der Monat. Auf Grundlage dieses durch das materielle Recht vorgegebenen Monatsprinzips entscheidet deshalb der ablehnende Bescheid über das Kindergeld dahingehend, dass bis einschließlich dem Monat, in dem der Ablehnungsbescheid bekannt gegeben wird, kein Kindergeldanspruch besteht. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat fest.

Entgegen der Auffassung des FG spricht dagegen nicht, dass –wie etwa im Streitfall– im weiteren Verlauf des Monats, gegebenenfalls sogar am letzten Tag, ein Kindergeldtatbestand neu hätte verwirklicht und damit ein erneuter Kindergeldanspruch hätte begründet werden können. Denn es ist gerade die Rechtsfolge des Monatsprinzips, dass jedenfalls bezogen auf den Monat, auf den sich der bestandskräftige Ablehnungsbescheid noch erstreckt, die Verwirklichung eines neuen Kindergeldanspruchs unerheblich ist. Entgegen der Auffassung des FG entspricht dies auch dem Regelungsgehalt eines Ablehnungsbescheids. Denn der Bescheid verneint einen Kindergeldanspruch nicht nur bis zum Tage der Zeichnung des Bescheids, sondern –entsprechend dem Monatsprinzip– für den ganzen Monat.

Der Einwand des FG, dass unter Umständen das Kind am letzten Tag einer möglichen Einspruchsfrist einen Kindergeldtatbestand verwirklichen könnte und dann der Kindergeldberechtigte im Ergebnis kaum noch Zeit habe, diesen Umstand zu erfahren und durch Einspruch gegenüber der Familienkasse geltend zu machen, ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, das gegenteilige Ergebnis zu begründen. Die Familienkasse wendet insoweit zutreffend ein, dass solche einen Kindergeldanspruch begründenden Umstände regelmäßig vorhersehbar sind, weil sie typischerweise von den Willensentscheidungen der Beteiligten abhängen. Das bestätigen gerade die tatsächlichen Geschehnisse im hier gegebenen Streitfall. Denn der Kindergeldanspruch für Februar 2013 scheiterte daran, dass die Klägerin nach Erhalt des Ablehnungsbescheids vom 29. Januar 2013 entgegen der Anregung der Familienkasse innerhalb der Einspruchsfrist gerade keine aussagekräftigen Unterlagen dazu vorlegte, dass ihre Tochter um einen Ausbildungsplatz bemüht sei. Schließlich verkennt die tagesbezogene Betrachtungsweise, die eine Bindungswirkung eines bestandskräftigen Ablehnungsbescheids grundsätzlich nur bis zum Tag seiner Bekanntgabe annimmt, die ambivalente Wirkung des Monatsprinzips. Denn nach § 66 Abs. 2 EStG wird Kindergeld von Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Dies bedeutet, dass das Kindergeld sowohl im ersten Monat als auch im letzten Monat seines Bezugs mit dem vollen Monatsbetrag gezahlt wird, selbst wenn jeweils an nur einem einzigen Tag die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld vorliegen. Folge der tagesgenauen Betrachtungsweise wäre dann gegebenenfalls, dass auch in solchen Fällen das Kindergeld nur anteilig, nämlich taggenau, gezahlt wird.

Schließlich lässt sich auch nicht mit dem Hinweis, dass der Wortlaut des § 70 Abs. 2 EStG es gestatte, einen neuen kindergeldrechtlich erheblichen Sachverhalt zu berücksichtigen, die Kindergeldgewährung für den Monat Februar 2013 rechtfertigen. Denn § 70 Abs. 2 EStG gilt nicht für Bescheide, mit denen –wie im hier gegebenen Streitfall– eine Kindergeldfestsetzung abgelehnt oder aufgehoben wird. Dies entnimmt die ständige Rechtsprechung des BFH in Übereinstimmung mit der Kommentarliteratur dem Regelungszweck des § 70 EStG, der ausweislich der Gesetzesbegründung verhindern soll, die Familienkasse an eine fehlerhaft erkannte Kindergeldfestsetzung zu binden.

Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze entfaltet der im Streitfall nach den bindenden Feststellungen des FG am 1. Februar 2013 bekannt gegebene Aufhebungsbescheid eine Bindungswirkung, die der von der Klägerin begehrten Neufestsetzung des Kindergelds für den Monat Februar 2013 entgegensteht.

Im Weiteren ist es zwischen den Beteiligten auch nicht streitig, dass der Bescheid nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO hatte geändert werden können, weil die Klägerin am nachträglichen Bekanntwerden neuer Tatsachen und Beweismittel ein grobes Verschulden trifft. Denn sie hat die für eine Ausbildungswilligkeit ihrer Tochter sprechenden Umstände nicht rechtzeitig vorgebracht.

Anscheinsbeweis für Privatnutzung eines Dienstwagens

Auf die Beantwortung der als rechtsgrundsätzlich bedeutsam herausgestellten Frage, ob bei einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zulässigerweise Anscheinsbeweisgrundsätze für die Feststellung einer Privatnutzung des betrieblichen Pkw herangezogen werden können, kommt es nicht an, wenn sich das FG aufgrund diverser Indizien die Überzeugung von der Privatnutzung verschafft hat.

BFH Beschluss vom 30.09.2015-IB 85/14 BFH NV 2016 S. 423

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die telefonische Rechtsberatungen durchführt. In den Streitjahren war A zunächst alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft. Nach der Veräußerung eines Geschäftsanteils in Höhe von 500 EUR (= 1,96 %) an Frau B war diese ebenfalls beteiligt. B wurde zudem zur weiteren Geschäftsführerin bestellt. Zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörte ein PKW der Marke Maserati, der von A zumindest für dienstliche Fahrten genutzt wurde. Der Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und A enthielt keinerlei Regelungen über die Benutzung von Fahrzeugen der Gesellschaft.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) ging davon aus, dass A den Maserati auch für private Fahrten genutzt hatte und setzte in den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheiden verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an.

Begründung:

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

Soweit die Klägerin die rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend macht, wird die Rechtsfrage aufgeworfen, „ob die Voraussetzungen für den Beweis des ersten Anscheins einer privaten Nutzung betrieblicher PKW durch einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer anders als bei einem Arbeitnehmer zu bewerten sind”. Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage wird in der im Stile einer Revisionsbegründung verfassten Beschwerdeschrift allerdings nicht substantiiert herausgearbeitet. So fehlt die gebotene Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage vertretenen Auffassungen.

Ferner ist die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage nicht dargelegt worden. Auf die Frage der Anwendbarkeit der Anscheinsbeweisgrundsätze käme es in einem künftigen Revisionsverfahren nämlich nur dann an, wenn das FG seine Überzeugung vom Vorliegen einer Privatnutzung allein auf diese Grundsätze gestützt hätte. Dem angegriffenen Urteil lässt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass das FG nicht allein auf allgemeine Erfahrungssätze –als Grundlage des Anscheinsbeweises, sondern auch auf konkrete Indizien (fehlende Regelung im Anstellungsvertrag, Saisonkennzeichen, Fahrzeug zunächst im Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des A) abgestellt hat (Indizienbeweis).

Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass A alleiniger bzw. später beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer war. Wegen des fehlenden Interessengegensatzes zwischen der „Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite” –beide „repräsentiert” durch A– liegt es nahe, diese Unterschiede im Sachverhalt aufzugreifen und rechtlich andere, und zwar strengere Maßstäbe anzulegen.

Es fehlt schließlich an der Entscheidungserheblichkeit der geltend gemachten Abweichung Überzeugt sich das FG aufgrund der von ihm festgestellten Indizien von der Privatnutzung des Dienstwagens (s. oben unter 1. der Gründe dieses Beschlusses), dann müssen die Grundsätze des Anscheinsbeweises, die das FG nach dem Vorbringen der Klägerin divergierend zur Rechtsprechung des VI. Senats angewandt haben soll, nicht mehr bemüht werden.

Gewerblicher Grundstückshandel auch bei Einbringung von Grundstücken im Rahmen einer Nachlassplanung

Ein Steuerpflichtiger ist auch dann als gewerblicher Grundstückshändler anzusehen, wenn er über seine ihm gehörende Personengesellschaft Grundstückgeschäfte tätigt. In seinen gewerblichen Grundstückshandel sind dann auch die Grundstücke einzubeziehen, die er zur Regelung seines Nachlasses in die Personengesellschaft einbringt und bei deren Erwerb eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht vorlag.

BFH Urteil vom 28.10.2015 – X R 21/13

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine gemeinnützige Stiftung, ist die Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin des 2008 verstorbenen F. Dieser war Eigentümer zahlreicher Immobilien.

Die GbR erzielte aufgrund eigener Grundstücksaktivitäten unstreitig gewerbliche Einkünfte. In der Betriebsprüfung für die Jahre 2000 bis 2003 vertrat der Prüfer –im Gegensatz zur vorherigen Betriebsprüfung– die Auffassung, F betreibe einen gewerblichen Grundstückshandel. Aufgrund der Veräußerungen durch die GbR sei die Drei-Objekt-Grenze überschritten worden. Die Einbringungen der Grundstücke in die KG seien auch als Veräußerungen des F anzusehen, da diese tauschähnliche Veräußerungsvorgänge darstellten. In den Grundstückshandel könnten wegen der Branchennähe des F sämtliche Grundstücke einbezogen werden, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren erworben bzw. errichtet und veräußert worden seien. Er gehe davon aus, dass der Grundstückshandel im Jahr 1993 begonnen habe.

Begründung;

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht erkannt, dass die Einbringung der Grundstücke in die KG Teil des gewerblichen Grundstückshandels des F war.

Nach § 15 Abs. 2 EStG, § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes oder einer anderen selbständigen Tätigkeit anzusehen ist. Außerdem müssen durch die Tätigkeit die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten werden. Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und der nicht steuerbaren Sphäre ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. Eine private Vermögensverwaltung wird ausgeübt, solange sich die zu beurteilende Tätigkeit noch als Nutzung von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz darstellt und die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtungen nicht entscheidend in den Vordergrund tritt. Von einem gewerblichen Grundstückshandel kann dagegen im Regelfall ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf, d.h. von etwa fünf Jahren, mindestens vier Objekte veräußert werden, weil die äußeren Umstände dann den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt.

F ist bereits wegen seiner Beteiligung an der GbR als gewerblicher Grundstückshändler anzusehen. Seit der Entscheidung des Großen Senats des BFH erfasst die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters oder Gemeinschafters (im Folgenden einheitlich: Gesellschafter) alle Tätigkeiten auf dem Gebiet des Grundstückshandels, die dem Gesellschafter zuzurechnen sind, in einer Gesamtwürdigung nach Maßgabe des jeweils einschlägigen Steuertatbestands. Der Große Senat des BFH weist in diesem Beschluss unter C.IV.3.a ausdrücklich darauf hin, dass wirtschaftliche Aktivitäten, die der Steuerpflichtige in seiner Person tätigt, die aber als solche die im Steuertatbestand vorausgesetzte Nachhaltigkeit nicht erreichen, in einer Gesamtschau mit einer mitunternehmerischen Betätigung als gewerblich bewertet werden können. Die Mitunternehmerschaft entfalte trotz des Grundsatzes der ertragsteuerrechtlichen Einheit der Personengesellschaft keine Abschirmwirkung gegen eine Zurechnung der von ihr getätigten Geschäfte an den Gesellschafter.

Nach diesen Maßstäben hat F einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben. Ihm sind die zahlreichen Grundstücksveräußerungen der GbR zuzurechnen, die ihrerseits –zwischen den Beteiligten unstreitig– einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat.

Die Einbringungen der betreffenden Grundstücke in die KG im Dezember 2000 sind als Veräußerungen im Rahmen dieses Grundstückshandels anzusehen. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung stellt es einen steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang dar, wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft einzelne Wirtschaftsgüter seines Betriebsvermögens an die Gesellschaft wie ein fremder Dritter entgeltlich veräußert. Gleiches gilt, wenn dem Gesellschafter ein Darlehensanspruch eingeräumt und deshalb dessen Nennbetrag dem Privatkonto des Gesellschafters gutgeschrieben wird. Insofern stellt die Einbringung der Grundstücke in die KG zum Teilwert gegen Übernahme der mit den Grundstücken verbundenen Verbindlichkeiten und zusätzlicher Gewährung einer Darlehensforderung zweifelsfrei eine Veräußerung dar.

F hat bei Erwerb der Grundstücke mit bedingter Veräußerungsabsicht gehandelt. Nach der BFH-Rechtsprechung wird die durch das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze indizierte innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs bzw. des Beginns der Bebauung oder der Erschließung durch Gestaltungen des Steuerpflichtigen widerlegt, die in zeitlicher Nähe zum Erwerb (bzw. zur Bebauung oder Erschließung) stehen und die eine Veräußerung innerhalb eines Zeitrahmens von etwa fünf Jahren erschweren oder unwirtschaftlicher machen. Dies kann z.B. eine langfristige Finanzierung oder eine langfristige Vermietung bzw. Verpachtung sein, wenn diese sich im Falle einer Veräußerung voraussichtlich ungünstig auswirken oder zusätzliche finanzielle Belastungen auslösen würde So spricht der Abschluss eines Pacht- oder Mietvertrags über eine von vornherein vereinbarte. Laufzeit von mehr als fünf Jahren gegen die Indizwirkung der Drei-Objekt-Grenze, weil die Immobilie hierdurch nur eingeschränkt durch Veräußerung verwertbar ist. Der BFH hat indes ebenfalls entschieden, dass Mietverträge von unbestimmter Dauer, die innerhalb der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Fristen kündbar sind, hiermit nicht vergleichbar sind, wobei nicht entscheidend ist, dass das Mietverhältnis tatsächlich über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren bestanden hat.

Eine Gewinnerzielungsabsicht des F ist ebenfalls gegeben.

Eine Tätigkeit ist nach der Rechtsprechung des BFH einkommensteuerlich nur relevant, wenn ihr die Absicht zugrunde liegt, auf Dauer gesehen nachhaltig Überschüsse zu erzielen. Das ist dann der Fall, wenn ein betrieblicher Totalgewinn erstrebt Als innere Tatsache lässt sich die Gewinnerzielungsabsicht nur anhand äußerer Umstände feststellen .

Durch die Einbringung der Grundstücke hat F im Streitjahr einen nicht unerheblichen Gewinn erzielt, so dass bereits insofern die Gewinnerzielungsabsicht indiziert ist.

Hiergegen spricht auch nicht, dass –wie die Klägerin vorträgt– die Einbringung der Grundstücke F lediglich zur Vorbereitung der Nachfolgeregelung gedient habe. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind die konkreten Anlässe und Beweggründe für eine Veräußerung grundsätzlich unbeachtlich

Die weiteren Bedenken der Klägerin gegen die Einbeziehung der Grundstückseinbringungen in den Grundstückshandel beruhen darauf, dass sie diese Einbringungsvorgänge nicht als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ansieht und ihnen die Nachhaltigkeit abspricht.

Aufwendungen für Besuchsfahrten des Ehegatten keine Werbungskosten

Aufwendungen für Besuchsfahrten eines Ehepartners zur auswärtigen Tätigkeitsstätte des anderen Ehepartners sind auch bei einer längerfristigen Auswärtstätigkeit des anderen Ehepartners grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar.

BFH Urteil vom 22.10.2015 – VI R 22/14 BFH/NV 2016, 308

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde für das Streitjahr (2007) zusammen mit seiner Ehefrau (E) zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte als Monteur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. E erzielte als Hausfrau keine Einkünfte.

Im Streitjahr war der Kläger auf verschiedenen Baustellen im Ausland eingesetzt. In der Zeit vom 27. August 2007 bis zum 12. Oktober 2007 war er auf einer Baustelle in den Niederlanden tätig. Seine Ehefrau besuchte ihn im Ausland. Die Aufwendungen für diese Fahrten der E (520 km × 0,30 EUR × 3 Fahrten = 468 EUR) machte der Kläger als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Zur Begründung trug er vor, er habe aus beruflichen Gründen die Fahrten nicht selbst durchführen können. Die Arbeitgeberin des Klägers bescheinigte in einem Schreiben vom 4. Februar 2013, dass die Anwesenheit des Klägers auf der Baustelle im Jahr 2007 an den Wochenenden aus produktionstechnischen Gründen erforderlich gewesen sei.

Begründung:

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Besuchsfahrten der E zu Unrecht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden..

Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).

Nach diesen Maßstäben ist das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass dem Kläger durch die Besuchsreisen der E vom gemeinsamen Familienwohnsitz in A zu seinem Beschäftigungsort in den Niederlanden Werbungskosten entstanden sind.

Die betreffenden Reisen der E sind keine Familienheimfahrten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG. Der Kläger unterhielt an seinem Beschäftigungsort in den Niederlanden weder eine doppelte Haushaltsführung (1) noch nahm er die fraglichen Fahrten selbst vor (2), wie es Familienheimfahrten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG erfordern.

Eine doppelte Haushaltsführung ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG gegeben, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist nur der Ort der langfristig und dauerhaft angelegten Arbeitsstätte. Der Kläger unterhielt in den Niederlanden indes keine dauerhaft angelegte Arbeitsstätte; vielmehr war er dort auswärts tätig.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG war der Kläger in der Zeit vom 27. August 2007 bis zum 12. Oktober 2007 auf einer Baustelle in den Niederlanden beschäftigt. Hierbei handelte es sich um eine Auswärtstätigkeit, wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Denn Bauausführungen oder Montagen (§ 12 Satz 2 der Abgabenordnung) sind keine regelmäßigen. Der Bezug einer Unterkunft an typischerweise ständig wechselnden beruflichen Tätigkeitsstätten begründet damit keine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG.

Die Reisen der E sind zudem keine Familienheimfahrten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG. Die Norm erfasst nicht die im Streitfall vorliegenden Besuchsreisen des Ehepartners vom Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort des Arbeitnehmers, sondern den umgekehrten Fall, dass der steuerpflichtige Arbeitnehmer (Kläger) die Fahrt vom Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort selbst. Die Aufwendungen für die Besuchsfahrten der E zum Beschäftigungsort des Klägers in den Niederlanden sind entgegen der Ansicht des FG auch nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abzugsfähig. Denn sie sind nicht beruflich veranlasst.

Beruflich veranlasst sind grundsätzlich nur die Mobilitätskosten des steuerpflichtigen Arbeitnehmers selbst für seine eigenen beruflichen Fahrten. Die Aufwendungen für derartige Fahrten sind nach ständiger Rechtsprechung beruflich veranlasst und als Werbungskosten abziehbar, weil der Steuerpflichtige sich aus beruflichem Anlass zu seiner Tätigkeitsstätte begeben hatte, um dort seine Berufstätigkeit auszuüben. Der Weg zur Tätigkeitsstätte und zurück ist notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften. Da der Arbeitnehmer typischerweise nicht am Ort seiner beruflichen (Auswärts-)Tätigkeit wohnt und auch nicht wohnen kann, kann er nur tätig werden, wenn er sich zu seiner Tätigkeitsstätte begibt.

Anders verhält es sich jedoch bei den im Streitfall zu beurteilenden Aufwendungen für die Fahrten der Ehefrau des steuerpflichtigen Arbeitnehmers zu dessen (auswärtiger) Tätigkeitsstätte. Diese Fahrten dienen grundsätzlich nicht der Förderung des Berufs und sind daher keine Werbungskosten.

Die berufliche Veranlassung solcher Fahrten des Ehepartners ist in der Regel auch dann nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine für ihn beruflich veranlasste Fahrt zwischen seiner auswärtigen Tätigkeitsstätte und der Wohnung nicht selbst durchführen kann, weil seine Anwesenheit am auswärtigen Tätigkeitsort z.B. aufgrund einer Weisung oder Empfehlung des Arbeitgebers oder aus anderen dienstlichen Gründen erforderlich ist. Der Ersatzcharakter der Fahrt als solcher vermag die berufliche Veranlassung der an sich privaten Fahrt des Ehepartners nicht zu begründen.

Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Notwendigkeit, private Dinge durch einen Besuch des Ehepartners bei dem Steuerpflichtigen zu regeln, durch den dienstlichen Einsatz des Steuerpflichtigen an dessen auswärtiger Tätigkeitsstätte in einem solchen Maße beruflich veranlasst sein kann, dass private Veranlassungsbeiträge dahinter zurücktreten und die Fahrt des Ehepartners zum Steuerpflichtigen deshalb nicht als private Besuchsfahrt, sondern ausnahmsweise als beruflich veranlasst anzusehen ist. Denn ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.