Ablaufhemmung nach Antrag auf Hinausschieben des Beginns einer Außenprüfung

Die Ablaufhemmung, die durch die Stellung eines (befristeten) Antrags des Steuerpflichtigen auf Hinausschieben des Beginns einer Außenprüfung eintritt, endet, wenn der Prüfer auch zwei Jahre nach dem Verschiebungsantrag nicht mit tatsächlichen Prüfungshandlungen begonnen hat.

Stellt der Steuerpflichtige während der Zwei-Jahres-Frist einen weiteren Verschiebungsantrag, beginnt die Zwei-Jahres-Frist erneut.

Ein Antrag auf Hinausschieben des Beginns einer Außenprüfung, der die Ablaufhemmung auslöst, kann erst angenommen werden, wenn die Finanzbehörde den Prüfungsbeginn in einer Weise festgelegt hat, die die Mindestanforderungen an die Annahme eines Verwaltungsakts erfüllt.

BFH Urteil vom 19.5.2016, X R 14/15

Ablaufhemmung bei einer Auftragsprüfung

Das FG weicht von der Rechtsprechung des BFH, wonach eine von der beauftragten Finanzbehörde durchgeführte Außenprüfung den Ablauf der Festsetzungsverjährung nicht hemmt, wenn die Rechtswidrigkeit der Beauftragung festgestellt wird, nicht ab, wenn es im Fall einer verfahrensfehlerhaft angeordneten Auftragsprüfung die Hemmung bejaht, weil der Verfahrensfehler gemäß § 126 AO geheilt wurde.

BFH Beschluss vom 25.02.2015 – I B 66/14 BFHNV 2015 S. 803 ff

Sachverhalt:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Steuerberatungsgesellschaft mbH, wird steuerlich beim Finanzamt A (FA A) geführt. Eine Außenprüfung fand bei ihr zuletzt für den Zeitraum 1992 bis 1994 im Wege der Auftragsprüfung durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt B –FA B–) statt.

Nachdem die Betriebsprüfungsstelle des FA A die Klägerin als prüfungswürdig vermerkt hatte, beauftragte dieses Finanzamt das beklagte FA B durch behördeninternes Schreiben mit der Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin hinsichtlich Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 2005 bis 2007. Es ermächtigte zugleich das FA B, die Prüfungsanordnung zu erlassen. Zur Begründung wurde u.a. angeführt, dass die Klägerin überwiegend Mandanten im Finanzamtsbezirk des FA A betreut.

Das FA B erließ daraufhin am 29. Oktober 2010 eine dem entsprechende Prüfungsanordnung gegenüber der Klägerin. Darin war ohne nähere Begründung ausgeführt, dass die Prüfung im Auftrag des FA A erfolge. Die Klägerin erhob Einspruch und beantragte außerdem erfolgreich die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Der Einspruch wurde mit Entscheidung vom 1. Oktober 2013 als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das FA A mit der Beauftragung des FA B ermessensgerecht gehandelt habe, es seien Reibungen zu vermeiden gewesen.

Begründung:

Es wurde der Rechtssatz aufgestellt, dass eine von der beauftragten Finanzbehörde durchgeführte Außenprüfung (§ 195 Satz 2 AO) den Ablauf der Festsetzungsverjährung nicht gemäß § 171 Abs. 4 AO hemmt, wenn die Rechtswidrigkeit der Beauftragung festgestellt wird.

Das FG hat ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, dass eine Heilung des Begründungsmangels gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO rückwirkend den Verfahrensfehler beseitigt, positiv die von Anfang an gegebene Rechtmäßigkeit der Auftragsprüfung festgestellt.

Letzterer hat den Rechtssatz aufgestellt, dass bei einem Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung, der für das Verschieben des Prüfungsbeginns ursächlich ist, die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 Alternative 2 AO nur entfällt, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung beginnt. Zur Begründung seiner Auffassung hat der BFH den in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 AO enthaltenen Rechtsgedanken herangezogen. Diese Regelungen räumen der Finanzbehörde in den Fällen des Wegfalls eines außerhalb ihrer Sphäre eingetretenen Hindernisses eine 2-Jahresfrist für ein weiteres Tätigwerden ein. Ob auch in einem solchen Fall die Finanzbehörde zum Erhalt der zunächst eingetretenen Ablaufhemmung gehalten ist, mit der Prüfung binnen zwei Jahren nach Eingang des AdV-Antrags zu beginnen, ist weder der vermeintlichen Divergenzentscheidung noch im Übrigen der Rechtsprechung des BFH zu entnehmen.

Der BFH hat maßgeblich darauf abgestellt, ob die für das tatsächliche Ausbleiben einer Prüfung kausal gewordenen Umstände aus der Sphäre des Steuerpflichtigen oder der Finanzverwaltung herrühren und deshalb von einem der Beteiligten zu vertreten sind. Nach dem Sachverhalt, der der vermeintlichen Divergenzentscheidung zugrunde lag, wurde der Prüfungsbeginn ausschließlich aus behördeninternen Gründen wiederholt verschoben. Im Streitfall käme es demgegenüber darauf an, ob in vergleichbarer Weise die alleinige Verantwortlichkeit für den zügigen Abschluss des Einspruchsverfahrens, der zur Beendigung –oder dem vorzeitigen Widerruf– der AdV und zum Beginn der Prüfung führen würde, in die Sphäre der Finanzbehörde fällt.

Der ergänzende Hinweis der Klägerin auf den im Streitfall gestellten telefonischen Verschiebungsantrag führt ebenfalls nicht weiter. Insoweit ist die geltend gemachte Abweichung nicht entscheidungserheblich. Denn das FG hat auf die Beantragung der AdV abgestellt und deswegen die Hemmung der Verjährung bejaht.

Der BFH hat ausgeführt, dass die Beauftragung einer anderen Behörde mit der Außenprüfung eine Ermessensentscheidung darstellt, die der Begründung bedarf. Das hat auch das FG nicht anders gesehen. Soweit es offengelassen hat, ob die Entscheidung des FA A, das FA B mit der Prüfung zu beauftragen, angesichts der früher bereits durchgeführten Auftragsprüfung noch einer besonderen Begründung bedürfe, sind diese Ausführungen gerade nicht ergebnisrelevant geworden. Im Übrigen war das FG der Auffassung, dass die Begründung, die das FA B in der Einspruchsentscheidung tatsächlich gegeben hatte, ausreichend war.

Ablaufhemmung aufgrund einer Außenprüfung

Für die Annahme einer Ermittlungshandlung im Rahmen einer Außenprüfung, die nicht gemäß § 171 Abs. 4 S. 2 AO unterbrochen worden ist, ist nicht zwingend erforderlich, dass diese dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben wird.

Die Untätigkeit des Prüfers allein begründet kein Vertrauen darauf, dass das FA die Außenprüfung als erledigt betrachtet.

BFH Urteil vom 26.06.2014 – IV R 51/11 (BFH/NV 2014, 1716).

Beschlüsse:

Hinsichtlich der angefochtenen Bescheide hat das FG zu Recht entschieden, dass bei deren Erlass unter dem 17. und 24. April 2007 noch keine Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung eingetreten war, da der Ablauf der Fristen gemäß § 171 Abs. 4 AO aufgrund der Außenprüfung gehemmt war. Der Ablauf der Feststellungsverjährung war gemäß § 171 Abs. 3a AO auch für die zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Gewinnfeststellungsbescheide für 1990 bis 1992 vom 21. Januar 2010 gehemmt, da die Gewinnfeststellungsbescheide für 1990 bis 1992 vom 24. April 2007 mit Einspruch und Klage angefochten worden sind.

Wird vor Ablauf der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern bzw. die Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide bzw. Feststellungsbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind.

Ein Ausnahmefall nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO liegt nicht vor. Die Würdigung des FG, dass die am 15. April 1996 aufgenommene Außenprüfung nicht unmittelbar nach Beginn unterbrochen worden ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entfällt die Ablaufhemmung der Festsetzungs- und Feststellungsfristen, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, ist grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben. Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist. Eine Außenprüfung ist danach nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben. Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann.

Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist durch Antrag des Steuerpflichtigen

Die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO setzt einen Antrag des von der Steuerfestsetzung betroffenen Steuerpflichtigen voraus.

Im Falle der Änderung eines Grundlagenbescheids wird der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO) für die Anpassung des Folgebescheids nach § 171 Abs. 3 AO nur gehemmt, wenn der von dem Folgebescheid betroffene Steuerpflichtige selbst die Änderung des Folgebescheids vor Ablauf der Frist beantragt.

BFH Urteil vom 27.11.2013-II R 58/11 BFHNV 2014 S. 662ff.

Begründung:

Ein Grundlagenbescheid in diesem Sinne ist auch der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Werts der nicht notierten Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Verhältnis zur Vermögensteuerfestsetzung des Anteilseigners. Dieser Feststellungsbescheid war allen am Verfahren Beteiligten bekanntzugeben.. Beteiligte waren die Kapitalgesellschaft, deren Anteile zu bewerten waren, die Anteilseigner, die Antrag auf Feststellung des gemeinen Werts gestellt hatten und die Anteilseigner, die dem Betriebsfinanzamt von der Kapitalgesellschaft namhaft gemacht wurden (§ 5 Abs. 1 AntBewV). War der Feststellungsbescheid mehreren Beteiligten bekanntzugeben, die keinen Empfangsbevollmächtigten i.S. des § 183 Abs. 1 AO bestellt hatten, so galt die Kapitalgesellschaft als Empfangsbevollmächtigte (§ 5 Abs. 3 AntBewV); in diesem Fall begann die Zwei-Jahres-Frist mit der Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an die Kapitalgesellschaft zu laufen.

Im Streitfall änderte das FA die gesonderten und einheitlichen Feststellungen des gemeinen Werts der Anteile an der X-GmbH und an der A-AG auf den 31. Dezember 1989 mit Bescheiden vom 2. Mai 2000 und vom 15. Mai 2000 und gab diese jeweils an die X-GmbH und die A-AG als Empfangsbevollmächtigte u.a. mit Wirkung für und gegen den Kläger bekannt, mit der Folge, dass wegen der Bindungswirkung der Feststellungen die Vermögensteuerfestsetzung gegenüber dem Kläger auf den 1. Januar 1990 innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe des jeweiligen Bescheids an die X-GmbH bzw. die A-AG nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO anzupassen gewesen wäre. Die mit der Änderung der Anteilsbewertungen verbundene Ablaufhemmung für die Vermögensteuerfestsetzung des Klägers endete im Mai 2002, ohne dass eine Änderung der Vermögensteuerfestsetzung erfolgt ist.

Der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO im Mai 2002 wurde nicht durch einen rechtzeitig gestellten Antrag des Klägers auf Änderung der Vermögensteuerfestsetzung gemäß § 171 Abs. 3 AO gehemmt.

Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 AO gestellt, so läuft gemäß § 171 Abs. 3 AO die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist. Die Regelung dient dem Schutz des Steuerpflichtigen. Sie stellt sicher, dass der Erfolg eines einmal gestellten Antrags nicht von der Arbeitsweise und -geschwindigkeit der Behörde abhängt; eine antragsgemäße Entscheidung soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht allein daran scheitern, dass die Behörde die Prüfung des Antrags nicht innerhalb der nach anderen Vorschriften zu bestimmenden Festsetzungsfrist abschließt.

Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO setzt einen Antrag des von der Steuerfestsetzung betroffenen Steuerpflichtigen voraus. Auch wenn § 171 Abs. 3 AO nicht ausdrücklich bestimmt, welche Person den Antrag stellen kann, ist aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift deutlich zu entnehmen, dass Antragsteller nur der Steuerpflichtige sein kann. Dieser kann, wenn ein Steuerbescheid noch nicht erlassen wurde, eine gegen ihn gerichtete Steuerfestsetzung beantragen oder bei einem bereits ergangenen Steuerbescheid als Inhaltsadressat beantragen, dass die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder berichtigt werden soll. Stellt der Steuerpflichtige einen Antrag, tritt eine Ablaufhemmung zu seinen Gunsten ein. Eine Ablaufhemmung i.S. des § 171 Abs. 3 AO wird auch dadurch ausgelöst, dass ein Dritter als Bevollmächtigter (§ 80 AO) oder als gesetzlicher Vertreter einen wirksamen Antrag für den Steuerpflichtigen stellt.

Im Falle der Änderung eines Grundlagenbescheids wird der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO) für die Anpassung des Folgebescheids nach § 171 Abs. 3 AO nur gehemmt, wenn der von dem Folgebescheid betroffene Steuerpflichtige selbst die Änderung des Folgebescheids beantragt. Aus dem Antrag muss auch hinreichend konkret hervorgehen, inwieweit der Steuerpflichtige die Änderung des Folgebescheids begehrt. Ein im Verfahren über einen Grundlagenbescheid gestellter Antrag auf Änderung der gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen kann daher nicht dahin ausgelegt werden, dass damit zugleich die Änderung sämtlicher Folgebescheide zugunsten der jeweiligen Steuerpflichtigen beantragt wird.

Demgemäß hemmt die Anfechtung der Anteilsbewertung durch eine Kapitalgesellschaft nicht nach § 171 Abs. 3 AO den Ablauf der Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer eines Anteilseigners. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anteilseigner unmittelbar oder über weitere Gesellschaften an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Die Kapitalgesellschaft handelt bei der Anfechtung des Feststellungsbescheids über die Anteilsbewertung, wenn sich nicht aus ihren Erklärungen oder den äußeren Umständen etwas anderes ergibt, in ihrem eigenen Interesse und nicht zugleich nach § 80 AO als Bevollmächtigte aller Anteilseigner, bei deren Vermögensteuerfestsetzungen sich der Wert der Anteile unmittelbar oder mittelbar auswirken kann. Eine gesetzliche Prozessstandschaft der Kapitalgesellschaft zur Anfechtung bzw. zur Beantragung einer Änderung der gegenüber Anteilseignern ergangenen Vermögensteuerfestsetzungen sehen die Vorschriften der AO und der FGO nicht vor. Aus diesem Grund kann offen bleiben, ob die Anfechtung eines Bescheids mit Einspruch und Klage überhaupt als ein inzident auf die Änderung anderer Bescheide gerichteter Antrag außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens i.S. von § 171 Abs. 3 AO ausgelegt werden kann.

Prüfungsunterbrechung zu Beginn der Außenprüfung

Eine Außenprüfung wird nicht i.S.v. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen, wenn die bis zur Unterbrechung vorgenommenen Prüfungshandlungen entweder von erheblichem Gewicht waren oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben. Für Letzteres ist ausreichend, dass an die Ermittlungsergebnisse nach Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann.

Zur Frage, ob eine überlange Verfahrensdauer zur Verwirkung von Steueransprüchen führen kann.

BFH Beschluss vom 31.08.2011 – IB 9/11 BFHNV 2011 S. 2010

Begründung:

Das FG ist zum einen davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des BFH das Merkmal des Beginns der Außenprüfung (§ 171 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO) zwar bereits mit der ersten ernsthaften und qualifizierten Ermittlungshandlung (z.B. ein informatives Gespräch oder das Verlangen nach Auskünften und Unterlagen) gegeben sei, bei der weiteren Frage jedoch, ob eine Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden sei (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO), die vor der Prüfungsunterbrechung vorgenommenen Handlungen zu gewichten seien. Folge hiervon ist, dass eine Außenprüfung nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen ist, wenn die bis zur Unterbrechung vorgenommenen Prüfungshandlungen entweder bezogen auf den gesamten Prüfungsstoff nach Umfang und zeitlichem Aufwand ein erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben. Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann.

Soweit die Vorinstanz insoweit den Streitfall dahin gewürdigt hat, dass die Prüfung bereits vor der Prüferanfrage 1 (am 22. April 1998) durch informative Gespräche des Prüfers mit den Vertretern der Steuerabteilung begonnen habe und diese Würdigung nicht nur durch die Übergabe einer Excel-Tabelle am 31. März 1998 gestützt werde, sondern zugleich auch erkläre, weshalb der Prüfer bereits am 23./27. April 1998 eine weitere Excel-Tabelle sowie einen Vermerk der A-AG zu dieser Anfrage erhalten habe, ist der Senat an diese tatsächliche Feststellung gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Gleiches gilt für die Würdigung der Vorinstanz, dass bereits die in die Prüferanfrage 1 eingegangenen Feststellungen betreffend die fehlende Abstimmung der bewirkten Gewinnausschüttungen mit den tatsächlichen vEK-Beständen angesichts der hiermit verbundenen erheblichen steuerlichen Auswirkungen als verwertbares Ergebnis zu qualifizieren seien, die eine Prüfungsunterbrechung unmittelbar nach ihrem Beginn (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO; s.o.) ausschlössen.

 

Ablaufhemmung bei Außenprüfung

Der Umfang der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO wird nach ständiger Rechtsprechung dadurch bestimmt, welche Steuerarten und Besteuerungszeiträume die jeweilige Prüfungsanordnung erfasst und hinsichtlich welcher tatsächlich Prüfungshandlungen vorgenommen worden sind. Dabei ist ein Steuerbescheid auch dann "auf Grund einer Außenprüfung ergangen", wenn er einen auf Grund der Außenprüfung ergangenen Bescheid ändert oder berichtigt. Ob der Erlass von (Änderungs-) Bescheiden den Abschluss der Prüfung kenntlich macht, ist nach dem "Empfängerhorizont" zu entscheiden.

BFH Urteil vom 30.03.2011 IR 41/10 BFHNV 2011 S. 1285ff.

Begründung:

Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO u.a. dann gehemmt, wenn vor dem Fristablauf mit einer Außenprüfung begonnen worden ist. Die Hemmung des Fristablaufs bezieht sich auf alle Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt. Nach dieser Vorschrift läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.

Wann ein Bescheid i.S. des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO "auf Grund der Außenprüfung zu erlassen" ist, wird im Gesetz nicht näher geregelt. Es ist jedoch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass der Umfang einer Ablaufhemmung dadurch bestimmt wird, welche Steuerarten und Besteuerungszeiträume die jeweilige Prüfungsanordnung erfasst und hinsichtlich welcher tatsächlich Prüfungshandlungen vorgenommen worden sind.

Die Klägerin konnte nicht mit ihrem Vortrag durchdringen, dass der Prüfer die Angelegenheit unangemessen langsam bearbeitet habe und dass dies zu derselben Rechtsfolge führen müsse wie die langfristige, mehr als sechs Monate andauernde Unterbrechung einer Außenprüfung alsbald nach deren Beginn.

Die Klägerin meint insoweit, dass im Streitfall § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entsprechend anwendbar sei. Dem ist aber nicht zu folgen. Denn die von der Klägerin beschriebene Situation wird nicht nur von dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO nicht erfasst. Dasselbe gilt vielmehr auch für den Zweck jener Vorschrift, der darin liegt, einer missbräuchlichen Ausnutzung der Ablaufhemmung durch die Finanzbehörde entgegenzuwirken.

Ein solches missbräuchliches Verhalten sieht der Gesetzgeber dann als gegeben an, wenn die Behörde kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Prüfungsanordnung erlässt und formal mit der Außenprüfung beginnt, diese Maßnahmen aber letztlich nur auf die Rechtsfolge des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO und nicht auf einen ernsthaften Beginn der Außenprüfung abzielen. Mit einer solchen Situation ist diejenige, die die Klägerin für den Streitfall behauptet, nicht vergleichbar. Das schließt unabhängig von der Richtigkeit dieser Behauptung eine entsprechende Anwendung des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO auf den Streitfall aus. Die in jener Vorschrift genannte Voraussetzung, dass die Außenprüfung "unmittelbar nach ihrem Beginn" unterbrochen wurde, ist insoweit als abschließend anzusehen.

Ablaufhemmung bei Außenprüfung

Bei einem Erlass eines Bescheides während der Außenprüfung tritt die Ablaufhemmung erst dann ein, wenn die Bescheide die aufgrund der Außenprüfung ergangen sind, unanfechtbar geworden sind.

BFH Urteil vom 30.3.2011, I R 41/10

Begründung:

Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.

Die Berichtigung eines Verwaltungsakts gemäß § 129 AO ist zwar nach § 169 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 3 AO nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese Situation lag aber im Streitfall zu dem Zeitpunkt, in dem das FA die Berichtigung vorgenommen hat, nicht vor. Denn der Ablauf der Festsetzungsfrist war bis zu diesem Zeitpunkt gemäß § 171 Abs. 4 i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 3 AO gehemmt.

Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO u.a. dann gehemmt, wenn vor dem Fristablauf mit einer Außenprüfung begonnen worden ist. Die Hemmung des Fristablaufs bezieht sich auf alle Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt. Diese Regelung gilt für die Festsetzung von Steuermessbeträgen entsprechend (§ 184 Abs. 1 Satz 3 AO).

Nach jener Vorschrift läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Wann ein Bescheid i.S. des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO "auf Grund der Außenprüfung zu erlassen" ist, wird im Gesetz nicht näher geregelt. Es ist jedoch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass der Umfang einer Ablaufhemmung dadurch bestimmt wird, welche Steuerarten und Besteuerungszeiträume die jeweilige Prüfungsanordnung erfasst und hinsichtlich welcher tatsächlich Prüfungshandlungen vorgenommen worden sind. Ebenso ist anerkannt, dass ein Steuerbescheid auch dann "auf Grund einer Außenprüfung ergangen" sein kann, wenn er einen auf Grund der Außenprüfung ergangenen Bescheid ändert.

 

Ermittlungen der Steuerfahndung; Reichweite der Ablaufhemmung

Die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO tritt nur ein, wenn die Ermittlungen der Steuerfahndung rechtmäßig waren und insbesondere von der Aufgaben- und Befugniszuweisung in § 208 AO gedeckt sind.

Richtet sich ein strafrechtlicher Anfangsverdacht nur auf einen bestimmten Sachverhalt, so ist die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in ihren Ermittlungen nicht darauf beschränkt, den verdächtigen Sachverhalt aufzuklären; sie ist vielmehr berechtigt und ggf. auch verpflichtet, alle für die Feststellung der in Betracht kommenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit erforderlichen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln.

BFH Urteil vom 09.03.2010 – VIII R 56/07 BFH NV 2010 S. 1777

Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige verjährungshemmende Wirkung einer Fahndungsprüfung

Ermittlungen der Strafsachen- und Bußgeldstelle des Finanzamts stellen keine Ermittlungen der mit "der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden" i.S. des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO dar und führen daher nicht zur Ablaufhemmung nach dieser Vorschrift.

Wurde die Einleitung des Steuerstrafverfahrens wegen des Verdachts bestimmter, in der Einleitungsverfügung ausdrücklich genannter Steuerstraftaten dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben, dann ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 5 Satz 2 AO nur für diejenigen Steueransprüche gehemmt, wegen deren vermeintlicher Verletzung das Strafverfahren tatsächlich eingeleitet und die Einleitung dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wurde.

Der zeitlich auf ein Jahr begrenzte Umfang der Ablaufhemmung, die durch die Erstattung einer Selbstanzeige gemäß § 171 Abs. 9 AO ausgelöst wird, kann durch Steuerfahndungsermittlungen, die erst nach Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist aufgenommen wurden, nicht mehr erweitert werden.

BFH Urteil vom 8. Juli 2009 VIII R 5/07

Begründung:

Die Änderung einer Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Frist beträgt für die hier in Rede stehende Einkommensteuer regulär vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Soweit die Steuer hinterzogen worden ist, greift die zehnjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ein.

Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben worden ist (§ 171 Abs. 5 Satz 1 und 2 AO).

Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Fahndungsprüfung ist, dass Ermittlungshandlungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist tatsächlich vorgenommen worden sind. Darüber hinaus muss für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird. Für Steueransprüche, die nicht Gegenstand der Fahndungsprüfung waren, kann keine Ablaufhemmung eintreten.

Die Ablaufhemmung endet nur dann, wenn aufgrund der Prüfung Steuerbescheide ergangen und diese unanfechtbar sind. Die zeitliche Grenze für den Erlass von Änderungsbescheiden im Anschluss an Fahndungsmaßnahmen wird durch den Eintritt der Verwirkung gezogen. Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach § 371 AO, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige (§ 171 Abs. 9 AO).

Aussetzungsantrag betreffend Prüfungsanordnung als Antrag auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns

Der für die Ablaufhemmung gern. § 171 Abs. 4 AO 1977 maßgebliche Beginn der Außenprüfung erfordert eine qualifizierte Maßnahme der Verwaltung, die wegen ihres besonderen Gewichts für den Betroffenen keine Zweifel darüber lässt, dass sie zur Überprüfung des betreffenden Steuerfalles vorgenommen wird. Nicht hinreichend ist die bloße Übergabe der Prüfungsanordnung oder das Erscheinen des Prüfers am Prüfungsort.

Die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 4 AO 1977 wegen eines Antrags des Steuerpflichtigen auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns erfordert einen Antrag des Steuerpflichtigen, der erkennbar darauf abzielt, die Prüfung möge zu dem beabsichtigten Zeitpunkt unterbleiben und zu einem späteren Termin durchgeführt werden. Nicht ausreichend ist, dass der Steuerpflichtige ohne einen solchen Antrag gestellt zu haben, durch sein Verhalten Anlass zu einer Verschiebung der Außenprüfung gegeben hat.

Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung steht einem Antrag auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns auch dann gleich, wenn das Finanzamt den Prüfungsbeginn auf Grund des Aussetzungsantrags verschiebt, ohne dass eine formelle Entscheidung über den Aussetzungsantrag gefallen ist. Dies gilt jedenfalls in Fällen einer rechtmäßigen bzw. nicht angefochtenen oder anderweitig bestandskräftig gewordenen Prüfungsanordnung

Finanzgericht Köln, Urteil vom 17. April 2008 10 K 43/05 – rechtskräftig, EFG 2008 S. 594 ff.