Ermäßigter Umsatzsteuersatz auf theaterähnliche Autorenlesung gegen Entgelt

Die reine Autorenlesung vor Publikum ist weder eine Theatervorführung noch eine den Theatervorführungen vergleichbare Darbietung.

Eine Autorenlesung vor Publikum kann jedoch theaterähnlich sein, so dass die Eintrittsberechtigungen hierfür dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 25.2.2015, XI R 35/12

Begründung:

Die Entscheidung des FG, die Klägerin habe als ausübende Künstlerin den Theatervorführungen vergleichbare Darbietungen präsentiert, die gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden

Die Voraussetzungen der im Streitfall allein in Betracht kommenden nationalen Steuerbefreiungsvorschriften in § 4 Nr. 20 Buchst. a bzw. § 4 Nr. 20 Buchst. b UStG sind nicht erfüllt. Denn die Klägerin verfügt nicht über eine nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG erforderliche Bescheinigung einer zuständigen Landesbehörde; sie ist auch kein Veranstalter i.S. von § 4 Nr. 20 Buchst. b UStG.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Steuer (von 19 %) auf 7 % für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler. Zweck der Steuerermäßigung ist, zugunsten der Besucher entsprechender Veranstaltungen eine Preiserhöhung zu vermeiden.

Der BFH versteht unter Theatervorführungen i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG nicht nur Aufführungen von Theaterstücken, Opern und Operetten, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst und des Varietés sowie Puppenspiele und Eisrevuen. Begünstigt sind auch “Mischformen” von Sprech-, Musik- und Tanzdarbietungen, so dass eine Unterhaltungsshow in Gestalt einer Kampfkunstshow (sog. “Budo-Gala”) ebenfalls eine Theatervorführung i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein kann. Das gilt auch für eine Feuerwerksveranstaltung mit Vorführung kreativer Kombinationen von Farb- und Klangelementen. Allerdings kann die Steuervergünstigung nur in Anspruch genommen werden, wenn eine Vorführung zumindest entweder als “theaterähnlich” oder als “konzertähnlich” einzustufen ist

 “Theater” bezeichnet alle Formen szenischer Darstellung sowie die künstlerische Kommunikation zwischen Darstellern und Zuschauern (Brockhaus, Enzyklopädie, 21. Aufl.). Hierzu zu zählen ist als eine Form der “Kleinkunst” auch die “Rezitation”, unter der der künstlerische Vortrag verstanden wird (Brockhaus, Enzyklopädie, a.a.O.). Deren Ziel ist es, literarische Werke mit Hilfe von Sprache hörbar zu machen, wobei Interpretationstechniken wie Atemtechnik, Stimmtechnik sowie Sprechtechnik von Bedeutung sind; der Vortragende transportiert mit Hilfe der Stimme, Sprache, Körperhaltung und Bewegung Emotionen und Gedanken zum Zuhörer (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 28. Mai 2009  1 K 53/08, EFG 2009, 1878, rkr.). Diesem wird der Stoff in einer Form und auf einer Ebene näher gebracht, die eine Auseinandersetzung mit ihm erlaubt, zum Nachdenken anregt und unterhält.

Ausgehend von diesen Grundsätzen begegnet die Entscheidung des FG, wonach die Lesungen der Klägerin gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

Verkauf von Popcorn und Nachos in Kinos unterliegt dem ermäßigten Umsatzsteuersatz

Die Umsätze aus dem Verkauf von Nachos und Popcorn an Verkaufstheken im Eingangsbereich zu Kinosälen unterliegen als Lieferungen dem ermäßigten Steuersatz.

Als Dienstleistungselement ist bereitgestelltes Mobiliar des Leistenden nicht zu berücksichtigen, wenn es nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern.

BFH Urteil vom 30.6.2011, V R 3/07

Begründung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 30. Juni 2011 V R 3/07 entschieden, dass der Verkauf von erwärmten Popcorn und Nachos in Kinos durch den Kinobetreiber dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegt. Das FA hatte bei seiner gegenteiligen Entscheidung zu Unrecht berücksichtigt, dass im Kino-Foyer Verzehrtresen, Tische und Stühle vorhanden waren, die auch zum Verzehr der Speisen benutzt werden konnten, aber allen Kinobesuchern zur Verfügung standen.

Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob es sich bei der Abgabe von zubereiteten Speisen um eine Lieferung handelt oder ob damit verbundene Dienstleistungselemente – wie die Zubereitung der Speisen, die Überlassung von Besteck und das Bereithalten von Verzehrvorrichtungen (Verzehrtheken, Tische und Stühle) – den Umsatz insgesamt als Dienstleistung qualifizieren, war Gegenstand des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 10. März 2011 zum Umsatzsteuersatz bei der Abgabe von Speisen zum sofortigen Verzehr durch Imbissstände (Az. C-497/09 und C-501/09), durch einen Partyservice (Az. C-502/09) und zu dem diesem Urteil des BFH vom 30. Juni 2011 zugrunde liegenden Fall beim Verkauf von Popcorn und Nachos durch einen Kinobetreiber (Az. C-499/09). Die Abgrenzung von Dienstleistungen und Lieferungen ist dabei insofern entscheidend, als die Begünstigung von im Umsatzsteuergesetz (UStG) näher umschriebenen Lebensmittelzubereitungen durch Besteuerung mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG deren Lieferung voraussetzt und Dienstleistungen daher nicht begünstigt sind.

Der EuGH hatte hierzu entschieden, dass die Zubereitung des warmen Endproduktes allein dem Umsatz nicht den Charakter einer Dienstleistung verleiht, wenn sie sich auf einfache, standardisierte Handlungen beschränkt, die nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden, sondern entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage vorgenommen werden. Treten – wie in der Regel bei Imbissständen und in Kinos – in diesen Fällen keine für Restaurationsumsätze charakteristischen Dienstleistungsbestandteile hinzu (wie z.B. Kellnerservice, Beratung oder die Bereitstellung von Mobiliar, wenn dieses nur der Einnahme der Speisen dient), handelt es sich um eine Lieferung, die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Handelt es sich demgegenüber nicht um Standardspeisen, sondern erfordert deren Zubereitung mehr Arbeit, Sachverstand und Kreativität, werden dem Kunden Menuefolgen angeboten oder erfolgt die Abgabe zu einem festgelegten Zeitpunkt, wie dies regelmäßig bei einem Partyservice der Fall ist, ist die Dienstleistung der dominierende Bestandteil des Umsatzes.

Der BFH hat dem folgend im vorliegenden Urteil vom 30. Juni 2011 entschieden, dass die Umsätze dem ermäßigten Steuersatz unterliegen; es handele sich beim Verkauf von Popcorn und Nachos um die Abgabe von Standardspeisen. Im dem zu entscheidenden Fall hätten – entgegen der Auffassung des FA – keine prägenden Restaurationsleistungen zum Angebot gehört. Denn als Dienstleistungselement darf bereitgestelltes Mobiliar des Leistenden nicht berücksichtigt werden, wenn es – wie im entschiedenen Fall die Tische und Stühle im Kino-Foyer – nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern.


 

Bewirtung keine Nebenleistung zur steuerfreien Theaterleistung

Es ist nicht klärungsbedürftig, sondern durch die bereits vorliegende Rechtsprechung des BFH geklärt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken keine mit der Theaterleistung üblicherweise verbundene Nebenleistung i.S. von § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG ist.

BFH Beschluss vom 07.12.2009 XI B 52/09 BFHNV 2010 S. 482

Begründung:

Der V. Senat des BFH hat unter ausdrücklicher Aufgabe der Rechtsprechung aus dem Jahr 1998 entschieden, dass die Leistungen durch Abgabe von Speisen und Getränken keine steuerbefreiten Nebenleistungen zur Theatervorstellung seien, wenn das Theater durch sie nach ihrer Bestimmung zusätzliche Einnahmen erziele und es diese Leistungen im unmittelbaren Wettbewerb mit gewerblichen Unternehmen wie Gaststätten oder Restaurants ausführe.

Hiernach stellt die Abgabe von Speisen und Getränken keine mit der Theaterleistung üblicherweise verbundene Nebenleistung dar. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Entscheidend ist hierbei die Sicht des Durchschnittsverbrauchers.

Die Abgabe von Speisen und Getränken ist zur Durchführung kultureller Dienstleistungen für die Theateraufführung unter optimalen Bedingungen nicht unerlässlich, auch wenn dies nach den heutigen Anforderungen an den äußeren Rahmen üblich ist und von den Besuchern erwartet wird. Eine Steuerbefreiung für die Abgabe von Speisen und Getränken als Nebenleistung einer Theaterleistung ist nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b Spiegelstrich 1 der Richtlinie 77/388/EWG daher ausgeschlossen.

Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Popkorn und Nachos im Kino

Die Aufbereitung von Lebensmitteln zu einem bestimmten Zeitpunkt in einen verzehrfertigen Gegenstand ist nicht notwendig mit ihrer Vermarktung verbunden und deshalb bei der für die Abgrenzung von Dienstleistungen und Lieferungen erforderlichen Gesamtbetrachtung dem Dienstleistungsbereich zuzurechnen.

Ein qualitatives Überwiegen der Dienstleistungen setzt über die Aufbereitung von Lebensmitteln hinaus wenigstens ein weiteres Dienstleistungselement,wie z.B. das Zurverfügungstellen von Verzehrmöglichkeiten, voraus.

BFH Urteil vom 18. Februar 2009 V R 90/07

Erläuterungen:

Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Februar 2009 V R 90/07 betraf die Frage, ob die Abgabe von zuvor für die Kinobesuche erwärmten Popcorn und Nachos als eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung (vgl. § 3 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes UStG ) zu beurteilen ist, oder ob es sich lediglich um eine Lieferung von Nahrungsmitteln handelt, die nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit der auf bestimmte Positionen des Zolltarifs verweisenden Anlage hierzu dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Die Revision des Finanzamts hatte keinen Erfolg. Allein das Erwärmen der Speisen erlaube noch nicht die Beurteilung als sonstige Leistung, wenn keine zusätzlichen Dienstleistungselemente wie z.B. das Zurverfügungstellen von Verzehrmöglichkeiten hinzukämen.